Samstag, 15. März 2008

Falling Behind. How Rising Inequality Harms the Middle Class.

Buchbesprechung:

Robert H. Frank: Falling Behind. How Rising Inequality Harms the Middle Class. University of California Press, 2007

Sie stehen vor der Wahl, sich zu entscheiden, in welcher der beiden Welten Sie leben wollen. In beiden Fällen ist sonst alles identisch bis auf die Hausgrösse. Welt A: Sie leben in einem 4'000 Quadratfuss Haus und andere leben in einem 6'000 Quadratfuss Haus. Welt B: Sie leben in einem 3'000 Quadratfuss Haus und andere leben in einem 2'000 Quadratfuss Haus. Gemäss der ökonomischen Standardtheorie ist die Welt A zu bevorzugen. Denn wenn die absolute Grösse zählt, ist die A die bessere Welt. Denn jeder hätte ein grösseres Haus als in der Welt B. Zahlreiche empirische Umfragen belegen jedoch ein gegensätzliches Ergebnis. Die Mehrzahl der Befragten wählt die Welt B, weil ihre absolute Hausgrösse zwar kleiner, aber ihre relative Hausgrösse grösser ist als die anderen.

Als Ausgangspunkt des Buches dient das Konzept der „relativen Deprivation“. Diese liegt dann vor, wenn wir unsere eigene Situation mit einer Referenzgruppe vergleichen und beobachten, dass unser Glücksgefühl beispielsweise in Bezug auf das Einkommen vom Verhältnis zum Einkommen der Referenzgruppe abhängt. Frank vertritt hier die Ansicht, dass die relative Deprivation wenig mit (Sozial-) Neid zu tun hat. Es gebe eher fundamental eine Verbindung zwischen Zusammenhang (context) und Bewertung (evaluation). Ihm geht es also nicht um die Glücksforschung. Frank erforscht vielmehr, wie Einkommensmuster und Konsumverhalten der wohlhabensten Oberschicht die Gesellschaft im allgemeinen in Mitleidenschaft ziehen. Der Aufstieg der Oberklasse beeinflusst nach Franks Argumenten die Lebensqualität der übrigen Bevölkerung, und zwar in einer negativen Art und Weise. Das Problem ist der extreme Verbrauch, welcher die Normen für die ganze Gesellschaft prägt. Wenn der CEO einer weltbekannten US-Investmentgruppe für seine Geburtstagsfeier 3 Mio. Dollar ausgibt und in einem 40'000 Quadratfuss grossen Haus wohnt, verschiebt sich die Wahrnehmung von Menschen darüber, wie gross ein Haus noch gebaut werden kann, ohne prahlerisch zu wirken. Frank, der Wirtschaftsprofessor an der Cornell University ist, kritisiert mit viel Charme, dass die Ökonomen sich die Zahlen in absoluten Verhältnissen ansehen, aber nicht in relativen. Das Buch behandelt im Grunde genommen die sozioökonomischen Folgen des seit einem Vierteljahrhundert vorherrschenden, polarisierenden Konservatismus in den USA. In diesem Werk werden also die Spuren der G.O.P. (Grand old Party), so nennen sich die Republikaner, aus wirtschaftlicher Sicht analysiert. Während das Reichtum der Oberschicht an der Spitze der Gesellschaft ungeheuer wächst, stagniert das Einkommen der breiten Mittelklasse. Die Ungleichheit nimmt zu. Die soziale Absicherung nimmt ab. Der Staat überlässt die Bürger sich selbst. Diese in diesem Werk kritisierte Ideologie sieht also den Staat immer als das Problem, nie als Lösung. Die Regulierung ist demnach als solche eine schlechte Sache. Der Autor schlägt dagegen eine progressive Konsumsteuer vor, um die Anreize für eine gewisse Form von Verbrauch zu ändern. Die Konsumsteuer soll ähnlich gestaltet sein wie die Einkommenssteuer. Die Steuer ist also auf die Differenz zwischen dem Einkommen und den Ersparnissen zu erheben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Milton Friedman, der konservative Nobelpreisträger im Jahre 1943 in einem Artikel sich für eine progressive Konsumsteuer stark gemacht hatte. Welch’ Ironie! Das ist ein grossartiges Buch.

* erschienen in der Ausgabe 183 vom 09. November 2007

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