Dienstag, 30. September 2008

CDS-Markt: Volumen schrumpft erstmals seit 2001

Die Kosten für die Absicherung von Kreditrisiken für europäische Unternehmen sind nach dem Scheitern des Bankenrettungsplans (TARP) in die Höhe geschnellt. Die Credit Default Swaps (CDS) für den Markit iTraxx Crossover Index, der 50 europäische Unternehmen mit riskanter Bonität umfasst, legte laut Bloomberg um 3 Basispunkte auf 587 Punkte zu. Das bedeutet, dass Gläubiger deutlich mehr zahlen müssen, um sich gegen das Risiko „Zahlungsausfall“ (default) abzusichern. Die CDS für den Markit iTraxx Financial Index für 25 europäische Banken und Versicherungen stieg um 2 Basispunkte auf 124 Punkte.


Markit iTraxx Crossover Index

Mit CDS (Kreditderivate) wollen sich Anleger gegen Ausfälle von Anleihen von Banken und Unternehmen absichern. Der Versicherungsgeber verspricht, im Konkursfall eine im voraus vereinbarte Summe an den CDS-Käufer zu zahlen. Der Versicherungsnehmer überlässt dem Verkäufer im Gegenzug das einschlägige Wertpapier. Tritt ein Credit-event („Kreditereignis“) ein, müssen die ausstehenden Kontrakte beglichen werden. Der CDX North America Investment Grade (Anlagequalität) Index schnellte 16,5 Basispunkte auf 180 Basispunkte hoch. Ein Index-Anstieg bedeutet eine Verschlechterung der Risikowahrnehmung von Kreditqualitäten. Ein Index-Rückgang deutet hingegen eine Verbesserung der Lage hin.

Der Derivatemarkt für Kreditausfälle ist nach aktuellen Angaben des Derivateverbands International Swaps and Derivatives Association (ISDA) erstmals seit Beginn der Datenaufzeichnungen 2001 geschrumpft. Das Volumen von CDS hat sich von 62'000 Mrd. Dollar auf 54'600 Mrd. Dollar verringert. Das Volumen ist grösser als das Bruttoinlandsprodukt der ganzen Welt. Seit 2001 hat sich das Volumen der CDS verhundertfacht. Der Rückgang ist auf die zunehmende Panik im Markt zurückzuführen. Die CDS-Kontrakte werden derzeit wegen des zunehmenden Gegenparteirisikos von Banken immer seltener akzeptiert. Ferner ist das „Netting“ für den Rückgang des CDS-Volumens verantwortlich. Das heisst, dass die Banken unter sich gegenläufige Positionen saldieren. Es gibt nun konkrete Vorschläge von Marktbeobachtern, künftig eine zentrale Abwicklungsstelle einzurichten, um das Kontrahentenrisiko zu miminieren.


Markit iTraxx Europe Index

Exkurs :
Die Basispunkte sind als Risikoprämie zu verstehen. Je höher die Notierung, desto höher das Risiko. Eine Notierung von 100 Basispunkten für einen CDS bedeutet eine jährliche Prämie von (0,01x10 Mio. Euro) 100'000 Euro. Das heisst, dass Investoren bereit sind, für das erhöhte Risiko eine Prämie von 1% zu zahlen. CDS-Vereinbarungen beziehen sich auf ein Bündel von Anleihen im Wert von 10 Mio. Euro.

Finanzmarkt: Vertrauens- und Solvenzkrise

Der 700 Mrd. Dollar schwere Bankenrettungsplan (TARP) ist gescheitert. Der dadurch ausgelöste drastische Kurssturz an der New Yorker Börse hat die Marktkapitalisierung um 1'200 Mrd. Dollar verkürzt. Ohne Zweifel handelt es sich dabei um eine systemische, globale Vertrauenskrise. Die Ausgaben der Verbraucher sinken bereits seit ein paar Monaten. Der Privatkonsum macht rund ¾ der gesamten Wirtschaftsleistung in den USA aus. Es wird die längste und schwerste Rezession seit 50 Jahren, prognostiziert Nouriel Roubini, Wirtschaftsprofessor an der New York University.


Euribor 1-Month (€)

Der Euribor legte auf 5,05% zu. Das ist ein Rekordwert. Die Futures an der Chicago Board of Trade preisen zur Zeit eine Wahrscheinlichkeit von 66% für eine Zinssenkung durch die US-Notenbank um 50 Basispunkte im Oktober ein. Vor einem Monat betrug die Wahrscheinlichkeit Null Prozent. Der TED-Spread kletterte inzwischen von 1,10% vor einem Monat auf 3,25%. Die Differenz zwischen dem Satz, was die Banken (3-Monats-Libor) und das Treasury (3-Monats-Bill) für Geldausleihungen mit der Laufzeit von drei Monaten zahlen, stieg gestern auf 3,54%. Das ist der höchste Stand seit 1984. Der TED-Spread gilt als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt. In einer Solvenz- und Kreditkrise wächst das Mistrauen unter Gegenparteien ins Unermessliche. Alle Finanzinstitute horten Geld. Die Refinanzierung stockt. Das De-Leveraging ist verfahren. Der Libor-OIS-Spread, der meist beachtete Stressindikator am Geldmarkt legte gestern auf 2,33% zu. Das bedeutet eine Verdopplung innert zwei Wochen. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und dem 3-Monats-Swapsatz notierte noch Ende August auf 78Basispunkten. Im langfristigen Durchschnitt beträgt der Libor-OIS-Spread zwischen 19 bis 25 Basispunkten.

Finanzkrise: Weltwirtschaft am Rande einer Rezession

Das Scheitern des Bankenrettungsplans (TARP) hat weltweit Panikverkäufe an den Börsen ausgelöst. Die Anleger flüchten in den sicheren Hafen der Staatsanleihen. Und das bei negativen Realzinsen. Die Rendite der 10jährigen Treasuries notiert zur Zeit auf 3,633%. Bei einer Inflationsrate von 5,4% ergibt sich daraus eine negative Verzinsungen von 1,76 Prozent. Das zeigt, unter welch grossem Schock die Wall Street derzeit steht. Die Flucht in die Sicherheit hat ferner die Renditen der kurzfristigen Staatspapiere auf fast Null-Prozent gedrückt: Die Rendite von 1-Monats Bill: 0,051%, die von 3-Monats Bill: 0,203%.


10 Yr Note($)

Allein vergangene Woche haben die Zentralbanken der führenden Länder 300 Mrd. Dollar zusätzliche Liquidität in das Finanzsystem geschleust. Da aber der Kredittransmissionsmechanismus blockiert ist, wie Prof. Nouriel Roubini in seiner aktuellen Analyse hervorhebt, hat das angeschlagene Schattenbankensystem keinen Zugang zu dieser Liquidität. Wenn nicht einmal ein 700 Mrd. Dollar schweres Bailout-Paket die Stimmung am Aktienmarkt heben kann, dann handelt es sich dabei um eine globale Vertrauenskrise im Finanzsystem. Die mit voller Wucht anrollende Finanzmarktkrise dürfte bald die Realwirtschaft erfassen und die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen.

Bailout-Plan gescheitert

In der Abstimmung im Repräsentantenhaus (die erste Kammer des US-Kongresses) sagten 228 Parlamentarier nein, 205 ja. 133 Abgeordnete der Republikanischen Partei haben sich 65 Demokraten angeschlossen. Nach der Ablehnung des Bankenrettungsplan ist der Aktienmarkt eingebrochen. Der Dow Jones Index hat das grösste Tagesminus in seiner Geschichte verbucht: Minus 777 Punkte, d.h. Minus 6,98%! Der Nasdaq purzelte 106 Punkte (Minus 8,8%) ab.


Dow Jones Index, Sept29,2008

Da v.a. Republikaner dagegen gestimmt haben, ist der mühsam ausgehandelte Kompromiss über den 700 Mrd. Dollar schweren Rettungsplan für die US-Finanzbranche gescheitert. Die Republikaner haben sich am Marktfundamentalismus die Finger verbrannt. Sechs Wochen vor der Präsidentschaftswahl haben sie sich nicht getraut, sich für staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen einzusetzen. Die Schlange beisst sich in den Schwanz. Das Repräsentantenhaus hat für Donnerstag die nächste Sitzung einberufen.

Montag, 29. September 2008

Pleitewelle in Bankenlandschaft: Verwüstung im Geldmarkt

Die amerikanischen Bank Citigroup hat nach Angaben der staatlichen Einlagensicherung (FDIC) das Geldinstitut Wachovia gekauft. Die Aktien von Wachovia waren vorbörslich um über 80% abgestürzt. Die anrollende Finanzkrise erfasst zugleich mit aller Wucht auch europäische Banken. In Deutschland organisiert der Staat eine 35 Mrd. Euro schwere Rettungsaktion für das DAX-Unternehmen Hypo Real Estate. Die Regierungen der Benelux-Länder haben mit 11,2 Mrd. Euro den Finanzkonzern Fortis vor dem Zusammenbruch abgewendet. Die taumelnde britische Hypothekenbank Bradford & Bingley wird verstaatlicht und zerschlagen. Der Steuerzahler übernimmt Hypotheken und Kredite in Höhe von 63 Mrd. Euro.


Euribor 3-Month (€)

TED-Spread und LIBOR-OIS-Spread schiessen durch die Decke

Der TED-Spread schiesst buchstäblich in die Höhe. Der Aufschlag zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel, der als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt gilt, kletterte von 1,10% vor einem Monat auf 3,4766 Prozent zu. Das ist der höchste Spread seit 1984. Je höher der TED-Spread steigt, desto grösser wird das Gegenparteirisiko. Der TED-Spread beträgt im langfristigen Durchschnitt 0,47 Prozent. Auch der LIBOR-OIS-Spread, der das Stressausmass am Geldmarkt im Hinblick auf die kurzfristige Liquidität anzeigt, weitete sich aus. Mit 2,2185% hat die Differenz zwischen dem 3-Monats Libor und dem Overnight Index Swap Satz einen Allzeit-Höchststand erreicht. Die Flucht in die Sicherheit drückt andererseits die Renditen der T-Bills mit der Laufzeit von einem Monat (0,041%) und drei Monaten (0,370%) um die Null-Prozent Linie. Selbst US-Staatsanleihen werden derzeit von Anlegern trotz negativer Realzinsen (Minus 1,74%) verzweifelt gesucht.


1-Month T-Bill


3-Month T-Bill

TARP verabschiedet: Dennoch keine Atempause - Finanzkrise greift weltweit um sich

Am Sonntag wurde bekannt, dass die Kongressabgeordneten eine grundsätzliche Einigung über das Programm (Troubled Assets Relief Program: TARP) zum Auskauf von illiquiden Wertpapieren und faulen Krediten der Banken erzielt haben. Es kommt am Markt dennoch zu keinem Aufatmen. Der eschütternde Domino-Effekt der Finanzkrise erfordert fast täglich neue Opfer. Nach dem Zusammenbruch der einst führenden amerikanischen Sparkasse Washington Mutual steht nun die Grossbank Wachovia kurz vor der Übernahme.


S&P 500 Index

Unterdessen weitet sich die Finanzkrise auch auf europäische Banken aus. Mit Hypo Real Estate (HRE) ist erstmals ein DAX-Wert wegen Fehlspekulationen ernsthaft ins Wanken geraten. Der Münchener Immobilienfinanzierer erhält aus einem Konsortium aus dem deutschen Finanzsektor ein Kreditpaket über mehrere Mrd. Euro. Die belgische Regierung hat indes für 4,7 Mrd. Dollar 49% der Anteile am angeschlagenen belgisch-niederländischen Finanzkonzern Fortis gekauft. Ferner soll der britische Immobilienfinanzierer Bradford & Bingley nach Medieninformationen verstaatlicht und zerschlagen werden.

Sollte die Verabschiedung des TARP-Programms auf die Aktienmärkte auswirken, ist es ratsam, schnell Positionen zu bereinigen. Allem Anschein nach dürfte eine Erleichterung an der Börse nur von kurzer Dauer sein. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die widrigen Konditionen am Kreditmarkt auf die Realwirtschaft überschwappen. Die Unternehmensgewinne werden in diesem Marktumfeld drastisch fallen. Die Wiederherstellung des Vertrauens dürfte mehrere Monate anhalten.

Samstag, 27. September 2008

Geldmarkt: Albtraum Liquidität – Bankenrettungsplan hat kaum Auswirkung

Der Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Seitdem schiessen die Spreads am Geldmarkt durch die Decke. Obwohl die führenden Notenbanken in konzertierten Aktionen permanent Liquiditität in den Markt schleussen, kommt es zu keiner Entspannung. Und die Lage am Geldmarkt bleibt gegen das Ende des Monats und des Quartals gespannt. Da die Banken sich untereinander nicht mehr trauen und Geld horten, ist der Interbankenhandel, wo sie sich sonst die benötigte Liquidität beschaffen, mittlerweile zum Erliegen gekommen.

3-Month Bill


Im Euro-Raum legen Geschäftsbanken überschüssige Liquidität lieber über die Einlagenfazilität bei der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Und zwar zu einem Zinssatz von 3,25%. Würden sie aber dieses Geld über Nacht (over-night) an andere Banken ausleihen, würden sie daraus mehr als 4% Zins herholen. Die Angst, das Geld an andere Wettbewerber auszuleihen ist so gross, dass es bei der Zentralbank zu einem niedrigeren Zinssatz geparkt wird, anstatt zu einem höheren Satz am Interbankenmarkt auszuleihen. Die fast täglich erfolgten massiven Liquiditätsspritzen der Notenbanken in den Geldmarkt helfen nur, den Zinssatz für die täglichen Ausleihungen zu drücken. Die Geldmarktsätze für längere Zeitperioden verharren nach wie vor auf historisch Rekordständen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die widrigen Konditionen am Kreditmarkt auf die Realwirtschaft überschwappen werden.

3-Month Libor ($)

TED-Spread: 2,9186%
LIBOR-OIS-Spread: 2,0759%.

Freitag, 26. September 2008

Geldmarkt: Banken horten ihr Geld - Spreads schiessen durch die Decke

Die einst führende US-Sparkasse Washington Mutual (Einlagen: ca. 190 Mrd. Dollar) ist zusammengebrochen. Es handelt sich dabei um die grösste Bankenpleite in der Geschichte Amerikas. Das Institut wurde von der Sparkassenaufsicht (Office of Thrift Supervision, OTS) wegen akuten Liquiditiätsmangels unter staatliche Kontrolle gestellt. Das Filialengeschäft und das Hypothekenportfolio wurden für 1,9 Mrd. Dollar an JP Morgan Chase verkauft. Der Kollaps der WaMu schlug wie ein Blitz inmitten der zähen Verhandlungen im Kongress um den 700 Mrd. Dollar schweren Bailout-Plans des amerikanischen Schatzamtes ein. Die Finanztitel gerieten zu Handelsbeginn in Europa unter starken Verkaufsdruck. Die Krisenstimmung greift jetzt am Geldmarkt umso intensiver um sich.

3-Month Libor ($):


Der TED-Spread kletterte auf 3,06% von 2,33% vor einer Woche zu. Die Diffenrez zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel, der als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt gilt, sprang am 18. September auf 3,13%, den Rekordstand seit 1984. Je höher der TED-Spread ist, desto grösser wird das Gegenparteirisiko. Auf der Suche nach Sicherheit jagen Anleger US-Staatsanleihen mit den Laufzeiten von 3 Monaten und einem Jahr. Heute führt die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine US-Dollar-Repo-Auktion mit einer Laufzeit von 7 Tagen im Umfang von max. 9 Mrd. durch, um den Anspannungen in den internationalen Geldmärkten entgegenzutreten. Die Futures an Chicago Board of Trade (CBT) veranschlagen eine Wahrscheinlichkeit von 86% für eine Zinssenkung durch die US-Notenbank (Fed) für das Treffen am 29. Oktober. Die Kreditkosten für die Laufzeit von 3 Monaten sind auf den höchsten Wert seit 1999 gestiegen. LIBOR-OIS-Spread, der das Stressausmass am Geldmarkt im Hinblick auf die kurzfristige Liquidität anzeigt, weitete sich auf 200 Basispunkte aus. Das ist ein historischer Rekordwert. Im langfristigen Durchschnitt liegt der Aufschlag bei rund 19 Basispunkten.

Donnerstag, 25. September 2008

Bankenrettungsplan: Ein Buch mit sieben Siegeln

Die Welt ist besorgt um die Stabilität des globalen Finanzsystems. Daher will das US-Finanzministerium mit einem beispiellosen Bailout-Plan den Banken unter die Arme greifen. Ziel ist, eine systemische Kernschmelze zu unterbinden. Finanzminister Henry Paulson, ein ehemaliger Investmentbanker beantragt dafür im US-Kongress 700 Mrd. Dollar. Mit dem Geld soll die öffentliche Hand der Finanzbranche deren notleidende Wertpapiere (v.a. Mortgage Backed Securities, MBS) und Forderungen abkaufen.


10 Year Note ($); Rendite: 3,88%

Es handelt sich dabei um sog. „toxic waste“, d.h. hypothekenbesicherte Papiere, die niemand haben will. Dieser Markt für Credit Default Swaps (CDS) ist im Verlauf der Jahre auf ein Volumen von sage und schreibe 62'000 Mrd. Dollar angewachsen. Wohlgemerkt: Ohne Regulierung, ohne Aufsicht und ohne Kontrolle. Die Rede ist von einem „over-the-counter“-Markt. Der Preis, zudem die amerikanische Regierung diese notleidende Wertpapiere auf Kosten der Steuerzahler aufkaufen wird, ist ausserdem völlig unbekannt. US-Notenbankchef Ben Bernanke sagt, es drohe eine Katastrophe. Das Rettungspaket (Treasury Asset Relief Program, TARP) soll deshalb schnell abgesegnet werden. Die Abgeordneten im amerikanischen Kongress misstrauen aber dem Vorhaben von Paulson und Bernanke und bestehen auf mehr Klarheit, bevor sie „cash for trash“ bewilligen. Bemerkenswert ist die Aussage des Chefs von Congressional Budget Office (CBO), einer überparteiischen Behörde des US-Kongresses, dass es „unmöglich“ sei, die Kosten des Paulsons Vorhaben einzuschätzen.

Geldmarktkrise: Welche Instrumente Fed und Treasury einsetzen

Das Feilschen um den 700 Mrd. Dollar schweren Rettungsfonds hat Verunsicherung im Markt verstärkt. Die US-Notenbank (Fed) und das Schatzamt wollen jetzt mit vereinten Kräften dagegen vorgehen, um das Vertrauen im Markt wiederherzustellen. Als Katalysator greifen sie dabei auf folgende Mittel:

1) Liquiditätsspritzen,
2) Refinanzierungsgeschäfte (z.B. TAF, TSLF und PDCF),
3) Kauf von Vermögenswerten (z.B. TARP und Erwerb von MBS)
4) Devisen-Swap-Kreditlinien (FX Swap Lines mit ausländischen Notenbanken wie EZB, SNB, BoJ usw.).



3 Month Bill Yield (1 Year); Quelle:wsj.online

Dazu zählen ferner laut einer Analyse von Morgan Stanley ABCP Kreditfazilitäten durch die Fed, Garantie für Geldmarktfonds des Schatzamts und das Kaufprogramm für die Diskont-Papiere von Fannie und Freddie durch die Fed von New York.

Mittlerweile erhöht sich die Anzahl von kritischen Stimmen unter den Marktakteuren, welche die Wirksamkeit des Bailout-Plans in Zweifel ziehen. Der Bedarf nach Sicherheit unter Martkteilnehmern ist so gross, dass die Rendite der 3-Monats Bill indes auf weniger als 0,5% gesunken ist. Der TED-Spread, der als verlässlicher Indikator das Risikomass am Interbankenmarkt anzeigt, kletterte auf 3,0%. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel liegt im langfristigen Durchschnitt bei 0,47%. Ein Anstieg des Aufschlags bedeutet, dass die Liquidität am Geldmarkt knapp ist. Ein Rückgang hingegen deutet auf eine Entspannung hin. Mit 3,13% am 18. September hat der TED-Spread den höchsten Stand seit 1984, seit Ersterfassung der Daten durch Bloomberg erreicht. Der Libor-OIS-Spread, einer der meist beachteten Stressindikatoren am Geldmarkt legte auf 1,70% zu. Das bedeutet eine Verdopplung innert zwei Wochen. Und es entspricht dem höchsten Wert seit Dezember 2001. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und dem 3-Monats-Swapsatz notierte noch Ende August auf 78 Basispunkte. Im langfristigen Durchschnitt beträgt der Libor-OIS-Spread zwischen 19 bis 25 Basispunkte.

Mittwoch, 24. September 2008

Geldmarkt: Anhaltend hohe Spreads – 1-Monat Libor ($) auf Rekordhoch

Die Zinsen für Tagesgeld in US-Dollar sind nach der gestrigen TAF-Auction der US-Notenbank (Fed) dramatisch gestiegen. Der Satz für 1-Monat-Libor für US-Dollar kletterte um 22 Basispunkte auf 3,43 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit Jahresbeginn. Die Fed teilte mit, dass die Finanzinstitute gestern für das einmonatige Refinanzierungsgeschäft (TAF: Term Auction Facility) 3,75% bezahlt haben. Das sind 57 Basispunkte über dem Libor-Satz und bedeuten zugleich der weiteste Spread seit dem Beginn der TAF-Versteigerungen im Dezember 2007.

1-Monats-Libor($)


Das zeigt, dass die Refinanzierungsgeschäfte mittels TAF-Versteigerungen die tatsächlichen Kosten im Markt „besser“ als 1-Monat-Libor widerspiegeln. Die Fed ist sich daher bewusst, dass sie den Refinanzierungsmechanismus am Markt nicht ersetzen kann. Deswegen geben die Währungshüter den Ball weiter an das Schatzamt, das Vertrauen am Geldmarkt wiederherzustellen. Das Schatzamt (US-Treasury) versucht seinerseits anhand des neu initiierten Programms TARP (Treasury Asset Relief Program) für eine Entspannung des Interbankenhandels zu sorgen.

Die Europäische Zentralbank (EZB ) hat inzwischen zu einem Satz von 4,98% 50 Mrd. Euro in den Markt gepumpt. Die Gebote der Banken betrug 155 Mrd. Euro. Der Euribor, der Satz für einwöchige Interbanken-Ausleihungen schnellte um 4 Basispunkte auf 4,741%, den höchsten Stand seit Mai 2001.

Kreditderivate: Skepsis über Rettungsfonds führt zu Ausweitung von Spreads

Der 700 Mrd. Dollar schwere Rettungsplan der amerikanischen Regierung für die Banken an der Wall Street sorgte nur für eine kurze Zeit für Entspannung. Bei der ersten Anhörung im Kongress stiessen Finanzminister Henry Paulson und Notenbankchef Ben Bernanke auf heftigen Widerstand. Die Unsicherheit über die realwirtschaftlichen Auswirkungen des Rettungsfonds führte am Markt zu einem Anstieg der Kosten für die Absicherung von Kreditrisiken.

Markit iTraxx Crossover Europe Index (5Y):


Die Credit Default Swaps (CDS) für den Markit iTraxx Crossover Index, der 50 europäische Unternehmen mit riskanter Bonität umfasst, legte um 17 Basispunkte auf 579 Punkte zu. Das bedeutet, dass Gläubiger deutlich mehr zahlen müssen, um sich gegen das Risiko „Zahlungsausfall“ (default) abzusichern. Die CDS für den Markit iTraxx Financial Index für 25 europäische Banken und Versicherungen stieg um 5,5 Basispunkte auf 110 Punkte.

Der CDS-Markt hat insgesamt ein Volumen von 62'000 Mrd. Dollar erreicht. Mit CDS (Kreditderivate) wollen sich Anleger gegen Ausfälle von Anleihen von Banken und Unternehmen absichern. Der Versicherungsgeber verspricht, im Konkursfall eine im voraus vereinbarte Summe an den CDS-Käufer zu zahlen. Der Versicherungsnehmer überlässt dem Verkäufer im Gegenzug das einschlägige Wertpapier. Wäre AIG zusammengebrochen, wären alle von AIG ausgestellten CDS-Kontrakte (440 Mrd. Dollar) wertlos geworden.

Dienstag, 23. September 2008

Leerverkauf („shortselling“): Verbot als Symptomkurierung?

Die US-Notenbank (Fed) hat am Wochenende das Ende des Geschäftsmodells „Investmentbanking“ erklärt und Goldman Sachs und Morgan Stanley unter ihre Fittiche genommen. Die verbliebenen grossen Investmentbanken firmieren nun als Geschäftsbanken.

Die amerikanischen Aufsichtsbehörde (SEC), die bisher für die Investmentbanken zuständig war, muss nun Kompetenzen an die Notenbank (Fed) abtreten. Die Securities and Exchange Commission, die im historischen Wandel an der Wall Street sicherlich zu den Verlierern zählt, hat inzwischen ein umfassendes Verbot für Leerverkäufe für rund 800 Finanzaktien verhängt. Sind aber die Short-Seller verantwortlich für die anrollende Finanzkrise? Bestimmt nicht.

S&P 500 Index: Performance (1 Jahr):


Nach den USA und Grossbritannien hat jetzt auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Deutschlands oberste Finanzaufseher Leerverkäufe mit Aktien von 11 führenden Finanzinstituten vorübergehend verboten. Das ist absurd. Bloss eine Symptombekämpfung.

Montag, 22. September 2008

Paradox of Deleveraging

Die Finanzinstitue versuchen seit geraumer Zeit ihre Schulden abzubauen („deleveraging“), indem sie Vermögenswerte verkaufen, eingeschlossen die hypothekenbesicherten Wertpapiere (Mortgage Backed Securities, MBS). Das drückt aber auf die Preise. Sinkende Preise wiederum verschlechtern die finanzielle Lage der Banken. Dieser Teufelkreis wird in der Finanzwelt als „Paradox of Deleveraging“ genannt. Siehe weiter „Debt Deflation“.

Investmentbanking: Ende eines Geschäftsmodells

Die US-Notenbank (Fed) hat es gestern Abend in New York angekündigt: Im Bann der Kreditmarktkrise werden Goldman Sachs und Morgan Stanley zu gewöhlichen Geschäftsbanken. Die zwei letzten verbliebenen amerikanischen Investmentbanken geben ihren rechtlichen Sonderstatus auf. In der Übergangsphase bekommen sie einen Notkredit von der Notenbank. Es ist „das Ende der Ideologie, dass freie, deregulierte Märkte immer funktionieren. Sie funktionieren nur für einen Teil der Gesellschaft“, erklärt Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger in einem Interview mit der FAZ. Goldman Sachs und Morgan Stanley wandeln sich jetzt zu Holdinggesellschaften und unterziehen sich der Regulierung durch die Fed.

GS Performance 1 Year


Mit dem Tod des reinen Investmentbanking hat die Kreditmarktkrise somit einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Fed unter Alan Greenspan hatte die Spielregeln für Finanzunternehmen im Vergleich zu klassischen Banken vollkommen locker gestaltet. Aber auch die Fed unter Ben Bernanke hat daran nichts geändert. „Das war ein ideologisch motivierter, politischer Fehler und kein unausweichliches Versagen von Regulierung“, sagt Wirtschaftsprofessor Adam Posen, der mehrere Jahre bei der Fed gearbeitet hat, in einem Interview mit dem „Manager-Magazin“. Nun unterliegen die beiden Investmentbanken den Kontrollen und strengeren Kapitalanforderungen, die auch für andere Geschäftsbanken gelten.

MS Performance 1 Year

Finanzmarktkrise: Aktuelle Anlageentscheidungen

Das Vertrauen in die Finanzmärkte ist erschüttert. Es ist ausserordentlich schwer, in diesem Marktumfeld Anlageentscheidungen zu treffen.

Jegliches Engagement in diesem Markt ist daher mit Vorsicht zu geniessen. Es gilt nach wie vor: Hände weg von Finanzwerten.

Eine weitere Vertiefung der Finanzmarktkrise kann derzeit nicht ausgeschlossen werden. Es dürfte sich lohnen, für einen umsichtigen Einstieg auf noch bessere Zeitpunkte zu warten. Zur Zeit findet ein historisch beispielloser Deleveraging-Prozess statt. Der kolossale Schuldenabbau wirkt preissenkend.

DAX: Performance seit Jahresbeginn


Performance (seit Jahresbeginn):

Eine altbewahrte Börsenweisheit ist hier in Erinnerung zu rufen:
„Greife nie in das fallende Messer!“

DAX: -20,5%
MDAX: -25%
SMI: -21%.

TARP: Troubled Asset Relief Program – Der neue Bailout Fund

Zu Beginn der mit voller Wucht anrollenden Finanzmarktkrise vor einem Jahr hat die US-Notenbank (Fed) eine Reihe von neuen Kreditfazilitäten (TASF, TSLF, PDCF usw) eingeführt, um Liquiditätsengpässe zu unterbinden. Nachdem die Krise sich dramatisch zugespitzt hat, wird nun vom Schatzamt gemeinsam mit der Fed mithilfe von Aufsichtsbehörde (SEC) eine Auffanggesellschaft ins Leben gerufen. Finanzminister Henry M. Paulson nannte die neue Rettungsaktion „troubled asset relief program“. Gretchen Morgenson, die angesehene Journalistin von The New York Times bezeichnet diesen Bailout-Fund jetzt kurzum als „TARP“.

TED-Spread: Indikator für Risikomass am Geldmarkt


Das neue Diminutivum

Der TARP hat die Aufgabe, der Finanzbranche die notleidenden Vermögenswerte (z.B. mit faulen hypothekenbesicherten Wertpapiere) abzukaufen, um den zugefrorenen Kreditmarkt zum Auftauen zu bringen. Der TARP ist also das neue Diminutivum in der Reihe von Abkürzungen, die im Bann der Krise neu geschaffen wurden.

Samstag, 20. September 2008

Resolution Trust Company (RTC): Der Preis des Vertrauens

Die Angst vor einer Kernschmelze des amerikanischen Finanzsystems muss in Washington so gross sein, dass das Finanzministerium nun ein gigantisches Rettungspaket („bail out“) zur Übernahme von illiquiden Wertpapieren (faule Kreditderivate) lanciert. Die Regierung werde damit nach Angaben des Finanzminister Henry Paulson Hypotheken für Wohn- und Geschäftsimmobilien und mit Hypotheken besicherte Wertschriften kaufen. Das Paket sei ein Risiko für die Steuerzahler und die Regierung, räumte Präsident Bush ein. Es handelt sich dabei um eine Summe von 800 bis 1'000 Mrd. Dollar. Die Administration hofft, mit dem Rettungsprogramm das Vertrauen in den Markt zu stärken, damit die Kreditinstitute sich gegenseitig wieder Geld leihen.

Dow Jones Index (1 Jahr)


Dafür soll eine staatliche Auffanggesellschaft gestaltet werden. Als Vorbild dient die Anfang 1990er Jahre während der Sparkassenkrise geschaffene Resolution Trust Company (RTC). Das hatte die Steuerzahler damals laut FDIC 124 Mrd. Dollar gekostet.

Wie hoch sind aber diesmal die Kosten, die auf Steuerzahler lasten? Die anrollende Finanzmarktkrise ist global und in allen Belangen wesentlich grösser als die „Savings & Loan“ Krise.

Bail outs bedeuten in erster Linie Kredite und Investitionen. Die Kosten hängen deshalb von diversen Faktoren ab, wann z.B. der Hypothekenmarkt sich stabilisieren und wie sich die Wirtschaft dabei schlagen wird. Wenn die US-Notenbank (Fed) und das Schatzamt den Banken problematische Wertpapiere abkaufen, bekommen sie im Gegenzug Vermögenswerte (als Sicherheit). In manchen Fällen werfen diese Assets Zinsen ab und/oder sie lassen sich verkaufen. Es kommt also auf den Netto-Effekt an.

Für die Rettung von Bear Stearns: 29 Mrd. Dollar
Für die Rettung von AIG: 85 Mrd. Dollar.
Spezielle Kreditfazilität für Mortgage Backed Securities (MBS) als Sicherheit: 150 Mrd. Dollar.
Für die Quasi-Verstaatlichung von Fannie und Freddie: 200 Mrd. Dollar.
Federal Housing Administrations Versicherung für notleidende Schuldner: 300 Mrd. Dollar.

Das Engagement des Staats beläuft sich bisher wie oben aufgelistet auf rund 800 Mrd. Dollar. Ob nun aus dem aktuellen Eingriff des Staates in den Markt Gewinne oder Verluste resultieren, hängt von der Performance der Vermögenswerte, die das Finanzministerium übernimmt, ab. Sollte der Netto-Effekt negativ ausfallen, würde der Staat Steuern erhöhen, Ausgaben kürzen und sich mehr verschulden müssen. Dem Steuerzahler werden auf alle Fälle Risiken in Milliardenhöhe aufgebürdet.

Freitag, 19. September 2008

Auffanggesellschaft: Will Uncle Sam das Finanzsystem verstaatlichen?

Nach der dramatischen Zuspitzung der Finanzmarktkrise legt US-Finanzminister Henry Paulson in Zusammenarbeit mit dem US-Notenbank-Präsident Ben Bernanke einen gigantischen Rettungsplan vor. Eine noch zugründende Auffanggesellschaft soll der Finanzbranche die notleidenden Vermögenswerte („toxic waste“) abkaufen. Als Vorbild dient der Lösungsansatz für die Sparkassenkrise vor 20 Jahren. Die neue Behörde soll also die illiquiden hypothekenbesicherten Wertpapiere übernehmen. Das zeigt, dass Washington die Gefahr einer Kernschmelze des amerikanischen Finanzsystem für akut hält. In einem ersten Schritt wird ein staatliches Garantieprogramm (Volumen: 50 Mrd. Dollar) für Geldmarktfonds lanciert. Die amerikanische Aufsichtsbehörde (SEC) hat ab sofort das Geschäft mit Leerverkauf („short-sellings“) verboten.

10 jährige US-Staatsanleihe: Rendite


Die Details des ultimativen Rettungsplans sind bisher nicht bekannt. Paulson redete von „hunderten von Milliarden Dollar“. Der Regierungsplan werde eine „signifikante Steuerlast“ mit sich bringen, erklärte Finanzminister. Bisher hat der Staat 29 Mrd. Dollar für Bear Stearns und 85 Mrd. Dollar für die AIG ausgegeben, um die beiden Finanzhäuser vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Dazu kommen die Kosten für die Verstaatlichung von Hypothekenfinanzierer Fannie und Freddie.

Türkei: Zentralbank lässt Leitzins unverändert

Die türkische Zentralbank (CBT) hat gestern ihre Leitzinsen unverändert belassen. Der Tagesgeldeinlagensatz beträgt wie bisher 16,75%. Auch der Tagesgeldausleihsatz verharrt auf 20,25%. Angesichts der dramatischen Verwerfungen an den globalen Finanzmärkten war es zu erwarten, dass die CBT keinen unnötigen Schritt ankündigen würde. Die Währungshüter haben in ihrem den Zinsentscheid begleitenden Statement insbesondere auf den Rückgang der Rohstoffpreise und die Stabilisierung der Nahrungsmittelkosten hingewiesen.


CBTBorrowingLending
Overnight16,75%20,25%


In bezug auf diese Entwicklungen beschrieb die CBT das aktuelle Marktumfeld als „vereinbar“ mit ihrer Prognose von Juli. Die Währungshüter sind der wachsenden Unsicherheiten um die Finanmärkte seit Beginn der Krise durchaus bewusst und betonen deswegen einen eher äusserst vorsichtigen geldpolitischen Kurs. Unter diesen Umständen ist in diesem Jahr mit keiner weiteren Zinssenkungen zu rechnen.


Türkei (BIP)II. Q. 2007II. Q. 2008
Bruttoinlandsprodukt4,1%1,9%

Die türkische Wirtschaft ist im II. Quartal 2008 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 1,9% gewachsen. Das markiert die niedrigste Wachstumsrate in den vergangenen sechs Jahren. Auch im III. Quartal dürfte das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) niedrig ausfallen. Hauptgrund: Rückgang des privaten Verbrauchs. Das Konsumwachstum ist von 7,6% im Vorquartal auf 2,8% im vergangenen Quartal zurückgefallen. Aber auch Investitionen haben sich um 1,5% zurükgebildet. Das ist im allgemeinen auf die globale Risikoscheu zurückzuführen. Bemerkenswert: Die Investitionen legten bisher seit 2001 pro Quartal im Durchschnitt 16% zu. Die Ausfuhren stiegen zwischen April und Juni um 2,3%. Das entspricht der tiefsten Wachstumsrate seit 5 Jahren. Da aber die Einfuhren nur um 0,7% zulegten, war der Beitrag der Netto-Exporte zum BIP-Wachstum positiv. Die türkische Statistikagentur hat inzwischen die Wachstumsdaten für das Jahr 2007 von bisher 4,5% auf 4,6% revidiert.

Fazit: Aufgrund der globalen Konjunkturschwäche ist der Rückgang des BIP nicht überraschend. Der starke Einbruch der Investitionen muss jedoch kritisch betrachtet werden. Aus Sicht der Geldpolitik ist aber mit keiner Kursveränderung zu rechnen. Der Leitzins dürfte bis Jahresende konstant bleiben.

Unequal Democracy

Buchbesprechung*:

Larry M. Bartels: Unequal Democracy. The Political Economy of the New Gilded Age. Princeton University Press, New York, 2008.

Die Hypothekenmarktkrise hat mittlerweile dramatische Ausmasse angenommen. Die drastischen Verwerfungen an den globalen Finanzmärkten rücken plötzlich auch auf die Agenda des Wahlkampfs um die amerikanische Präsidentschaft. Beide Kandidaten tadeln gierige Marktakteure gehörig. John McCain (Republikanische Partei) aus Arizona will, wenn er gewählt wird, dafür sorgen, dass die „Wall Street nicht länger wie ein Spielcasino betrieben wird“. Er plädierte dafür, den millionenschweren Bonuszahlungen und Abfindungen für Manager ein Ende zu machen. Der demokratische Kandidant Barack Obama vertritt die Meinung, dass Amerika sich in einer schlimmsten Finanzkrise seit der „Grossen Depression“ in den 1930er Jahren befinde. In der Wirtschaftspolitik bedürfe es einer Kurskorrektur. Beide grossen Parteien zeigen sich insgesamt wirtschaftsfreundlich. Es wäre deswegen nicht akkurant, zu erwarten, dass die US-Börse Partei ergreift. Der Teufel steckt aber im Detail.

Larry M. Bartels, Professor für „Public and international Affairs“ an der Princeton University hat die US-Wirtschaftdaten für die Zeitperiode zwischen 1948 und 2007 unter die Lupe genommen. Er fand heraus, dass die Wirtschaft während der Amtszeit (34 Jahre) der Republikaner im Durchschnitt 1,64% gewachsen ist. In den 26 Jahren, in denen die Demokraten das Amt innehatten, legte das US-BIP im Durchschnitt 2,78% zu. Erstaunlich ist daher, dass McCain den wirtschaftspolitischen Kurs der Bush-Administration fortsetzen will. Das bedeutet in erster Linie Steuersenkungen für die Reiche. Obama hingegen legt grösseren Wert auf Gesundheit, Energie und viele andere Themen.

Unter der Herrschaft der Republikanischen Partei hat in den USA v.a. die Einkommensschere deutlich spürbar zugenommen. Die Einkommen der Spitzenverdiener sind prozentual wesentlich stärker gestiegen als die Einkommen der schlechtverdienenden Steuerzahler. Als „Gilded Age“ galt die Blütezeit der Wirtschaft in den USA zwischen 1876-1914. Das „Goldene Zeitalter“ präsentierte nach aussen Aufschwung und Fortschritt. In den Städten war aber damit v.a. Armut und Korruption verbunden. Bartels bezieht sich nun darauf und betitelt sein grossartiges Buch ironisch mit „New Gilded Age“. Die USA stehen heute an einem Wendepunkt. Der Autor zeigt auf, welche politisch bornierte Kräfte zur Verstärkung der Einkommensdisparitäten in Amerika geführt haben. Eine prägnante Studie.

Cezmi Dispinar

* erscheint in der Ausgabe 205 von 19. September 2008

Donnerstag, 18. September 2008

Null-Rendite: 3-Monats T-Bills rutscht in den Minusbereich

Die weltweit führenden Notenbanken haben in einer gemeinsamen Aktion heute morgen kurzfristige liquide Mittel in US-Dollar (insgesamt 235 Mrd. Dollar) in den Markt eingeführt, um die Lage an den globalen Finanzmärkten zu beruhigen. Die Rede von einem systemischen Risiko macht die Runde. Anleger fliehen panikartig in sichere Anlagen. Die Geldmarktrenditen sind inzwischen auf das tiefste Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg gesunken. Die Rendite der 3-Monats T-Bill ist gestern zeitweise in den Minus-Bereich geschlittert. Auch die T-Bills mit einmonatiger Laufzeit schwankten um die Null-Prozent-Linie.

3-Monats T-Bills

Quelle: wsj.online

Das ist ein Phänomen. So was wurde nicht einmal während der „Grossen Depression“ in den 1930er Jahren erlebt. Anleger sind quasi bereit, dem Staat Geld zu leihen, ohne Zinsen dafür zu bekommen. Das spiegelt die pure Angst vor einer Kernschmelze im Finanzsystem wider. Die Meldung von Reserve Primary Fund, dem ältesten Geldmarktfonds der USA, 785 Mio. Dollar wegen Verbindlichkeiten mit der inzwischen zusammengebrochenen Lehman Brothers abzuschreiben, hat Anleger veranlasst, innert zwei Tagen 60% aus dem Fonds abzuheben. Der Netto-Vermögenswert des rund 65 Mrd. Dollar schweren Geldmarktfonds ist auf 1 Dollar je Anteil gestürzt. Im Fachjargon heisst es „Break the Buck“.

Schweiz: Finanzmarktkrise und makroökonomische Auswirkungen

Der Finanzplatz hat einen Anteil von 15% an der gesamten Wirtschaftsleistung der Schweiz. In diesem Sektor sind 5% der Arbeitnehmer beschäftigt. Die Finanzbranche bringt 16% des Steueraufkommens der Schweiz auf. Allein die zwei Grossbanken (UBS und CS) erbringen in der Stadt Zürich rund 1/6 aller Steuereinnahmen auf. Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat die Probleme im Zusammenhang mit dem amerikanischen Häuser- und Hypothekenmarkt von Anfang an angemessen eingeschätzt und die Ansicht vertreten, dass die europäishe und asiatische Wirtschaft sich kaum völlig von negativen Entwicklungen in den USA abkoppeln können.

SMI 1 Jahr (Quelle: swissquote.com)


„Die Frage ist vielmehr, wie gross das Ausmass der Übertragung sein wird“, lautete das Urteil der Schweizer Währungshüter zu Jahresbeginn. Trotzdem hat aber manch einer bekannter Chefökonom hierzulande bis vor Kurzem gebetsmühlenartig immer dasselbe Lied von der „Entkoppelung“ gesungen. Wie dumm und arrogant diese Einschätzung war, zeigen die drastischen Turbulenzen um die Finanzbranche. Die dramatischen Verwerfungen an den globalen Finanzmärkten dürften auch für die Schweiz makroökonomische Herausforderungen zur Folge haben.

Mittwoch, 17. September 2008

TED-Spread: Gegenparteirisiko klettert auf einen Rekordwert zu

Die Ereignisse am Finanzmarkt überschlagen sich. Die US-Notenbank (Fed) hat zwar mit einem Notkredit von 85 Mrd. Dollar den amerikanischen Versicherer AIG vor dem Zusammenbruch bewahrt. Die Rettungsaktion wird aber am Geldmarkt von Sorgen um die Kosten der Lehman Brothers Pleite überschattet. Der TED-Spread schiesst buchstäblich durch die Decke. Der Aufschlag zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel, der als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt gilt, kletterte auf 2,9814 Prozent zu. Das ist der höchste Spread seit Oktober 1987. Je höher der TED-Spread, desto grösser das Gegenparteirisiko. Der Libor, der täglich festgelegte kurzfristige Zinssatz, zudem die Banken untereinander Geld ent- und verleihen, sprang heute auf 3,06%. Das ist laut Bloomberg der höchste Anstieg seit 29. September 1999. Der TED-Spread beträgt im langfristigen Durchschnitt 0,47 Prozent.

3-Monats-Libor ($):


Auch der LIBOR-OIS-Spread, der das Stressausmass am Geldmarkt im Hinblick auf die kurzfristige Liquidität anzeigt, breitete sich um 30 Basispunkte auf 134 Basispunkte aus. Das ist der höchste Wert seit Dezember 2001. Im langfristigen Durchschnitt liegt der Aufschlag bei rund 19 Basispunkten.

TED-Spread:

US-Notenbank (Fed): Kopf: Bail out - Zahl: Kein Bail out

Die US-Notenbank (Fed) hat vor rund 6 Monaten die Investmentbank Bear Stearns durch einen Notkredit von 29 Mrd. Dollar gerettet. Inzwischen ist Lehman Brothers, eine andere Investmentbank ins Wanken geraten und hat später Insolvenz (nach Kapitel 11 des US-Rechts) beantragen müssen. Die Notenbank hat aber eingegriffen. Warum? Gesinnungswandel oder andere Umstände? Nach Darstellung des Finanzministers Henry Paulson haben sich die Behörden dazu entschlossen, den Untergang von Lehman hinzunehmen, weil die „Umstände ganz andere“ sind. Die Schieflage von Lehman sei seit Monaten bekannt gewesen. Aktionäre und Anleihengläubiger hätten lange genug Zeit gehabt, sich darauf einzustellen und abzusichern. Das sei bei Bear Stearns nicht der Fall gewesen.

Marktbeobachter sagen, dass Lehman inkompetent genug war, sich selbst in die Luft zu sprengen und zu zerstören, während Bear’s Inkompetenz genug war, das ganze Finanzsystem zu drohen. Bear Stearns Exposure am Derivaten-Markt habe sich ausserdem auf rund 9'000 Mrd. Dollar belaufen. Lehman’s Gewicht sei hingegen nur ein Bruchteil davon gewesen. Wie ist die Rettung ("bail out") des schwer angeschlagenen Versicherungsriesen AIG zu bewerten? Die US-Notenbank hat gestern Abend einen Kredit von 85 Mrd. Dollar zugesagt, und einen Zusammenbruch des Konzerns vermieden. „Too big to fail“? Die Fed teilte mit, dass der Rettungsplan ein "unkontrolliertes Versagen" des Instituts verhindern solle. Die amerikanische Regierung übernimmt rund 80% der Kontrolle an AIG. Die Interessen der Steuerzahler seien durch die Kernbedingungen dieses Kredits geschützt, teilte die Fed mit. Wer wird aber Forderungen im Zusammenhang mit Kreditderivaten (Credit Default Swaps) in Milliardenhöhe nachkommen? Natürlich Steuerzahler. AIG hatte zuletzt einige Skandale am Hals: Ermittlungen im Hinblick auf Unregellmässigkeiten in der Bilanz. Deshalb musste der Chef, der den Konzern vor fast vierzig Jahren aufgebaut hatte, gehen.

Dienstag, 16. September 2008

LIBOR-OIS-Spread: Ein neuer Höhepunkt der Geldmarkkrise

Die Banken halten Gelder zurück und leihen sie sich ungern. Die Notenbanken (Fed, EZB, SNB) greifen ein und verleihen zusätzliches Geld an die Banken, um Liquiditätsengpässe zu verhindern. Die Insolvenzmeldung der US-Investmentbank Lehman Brothers hat gestern in der Tat eine ungeheure Schockwelle ausgelöst. Die dramatischen Verwerfungen an den Börsen hinterlassen am Geldmarkt mittlerweile tiefere Spuren. Die Kosten für die Kreditaufnahme über Nacht (over-night deals) hat sich indes auf Höchststände seit 2001 verdoppelt. Die US-Notenbank (Fed) akzeptiert sogar zum ersten Mal in der Geschichte Aktien als Sicherheit für Kredite an Investmentbanken. Marktteilnehmer befürchten, dass reihenweise Banken umstürzen werden. Der Overnight-Dollar-Satz ist heute von 3,33% auf 6,44% hochgeschnellt. Das ist der höchste Sprung in der Geschichte der Finanzmärkte.

3-Monats-Libor:


Der Bedarf nach kurzfristigem Geld schiesst buchstäblich durch die Decke. Der Libor-OIS-Spread, einer der meist beachteten Stressindikatoren am Geldmarkt legte um 16 Basispunkte auf 1,2297% zu. Das ist der höchste Stand seit Dezember 2001. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und dem 3-Monats-Swapsatz notierte noch Ende August auf 78 Basispunkte. Im langfristigen Durchschnitt beträgt der Libor-OIS-Spread zwischen 19 bis 25 Basispunkte.

Bank Run im Schattenbankensystem

Der Kollaps von Lehman Brothers, der Notverkauf von Merrill Lynch und der akute Kapitalbedarf von AIG lassen die Märkte weiter zittern. Die Schockwellen sind so hoch, dass dabei zu Recht von der Gefahr einer systemischen Kernschmelze geredet werden darf. Der brillante Marktbeobachter Nouriel Roubini, Wirtschaftsprofessor an der New Yorker Uni Stern School of Business erklärt, dass alle bisher unabhängige Investmentbanken verschwinden würden. Die restlichen sollen sich beeilen, sich Partner oder Käufer zu finden. Denn das Geschäftsmodell sei nicht tragbar: kurzfristig Geld leihen und langfristig investieren. Und zwar mit einem wesentlich höheren Leverage als es bei Universalbanken der Fall ist (Schattenbankensystem). Die einschlägigen Investmentbanken verfügen bekanntlich nicht über ein Einlagengeschäft. Die Bankaktiva sind wenig liquide. Die liquiden Mittel entsprechen einem winzigen Bruchteil der hohen kurzfristigen Verbindlichkeiten. Deswegen sind die Brokerhäuser für einen sog. „Bank Run“ anfällig.

Die erwähnten Investmentbanken sind stark vom Kapitalmarkt abhängig. Sie sind auf das Wohlwollen der anderen Handelspartner angewiesen. Durch äussere Ereignisse oder Vertrauensverlust kann jedoch ein „Bank Run“ ausgelöst werden. Das ist heute der Fall. Die Banken sehen sich in solchen Fällen gezwungen, zusätzliche Liqudität zu beschaffen: Entweder bei anderen Banken, oder bei der Zentralbank. Oder durch den Verkauf von Aktiva. Die vergangenen Tage zeigen, dass sich die Kapitalaufnahme mit dem sinkenden Aktienkurs der betreffenden Bank enorm erschwert hat. Nach dem Bail-out von Bear Stearns und der Verstaatlichung von Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac verweigerte der Staat angesichts des erhöhten Moral-Hazard Potenzials der Investmentbank Lehman Brothers die Rettung mit Hilfe der Steuergelder. Das bedeutet, dass der Bank Run sich jetzt ausbreiten wird. Es wird in erster Linie alle Counterparties von Lehman treffen. Folglich dürften in naher Zukunft reihenweise Banken umfallen.

Montag, 15. September 2008

China: Zentralbank senkt Leitzinsen

Die chinesische Zentralbank hat heute im Zuge des Bankencrash in den USA den Satz für Ausleihungen (1 year lending rate) erstmals seit 6 Jahren gesenkt. Der Leitzins wurde von 7,47% auf 7,20% zurückgenommen. Die Währungshüter haben zugleich auch den Mindestreservensatz für kleinere Banken um 1,0% reduziert. Die Massnahme tritt am 25. September in Kraft. Die Zinssenkung soll nach offiziellen Aussagen helfen, „wichtige Probleme in unserer Wirtschaft“ zu lösen, um auf diese Weise eine stabile und feste Entwicklung zu ermöglichen. Die People’s Bank of China hat den Satz für Einlagen (1 year borrowing rate) unverändert bei 4,14% belassen.

Die chinesische Führung geht offensichtlich davon aus, dass eine erhöhte Rezessionsgefahr in den USA für Chinas Exportsgeschäft nicht förderlich ist. Die Inflationsrate ist im August auf 4,9% gesunken. Die Wirtschaft ist im II. Quartal um 10,1% gewachsen. Die Wachstumsrate der Ausfuhren hat sich zuletzt etwas verlangsamt. Der Zinsrückgang hat sicherlich eine negative Auswirkung auf den Yuan-Wechselkurs. Die Landeswährung hat sich laut Bloomberg seit Jahresbeginn um 6,8% gegen den US-Dollar aufgewertet.

Wall Street blutet – Main Street entspannt

Während die Finanzkrise heute zu drastischen Kursverlusten an den Aktienmärkten weltweit führt, entspannen sich die Rohstoffe. Der Ölpreis ist inzwischen deutlich unter die Marke von 100 Dollar je Fass gestürzt und notiert zur Zeit bei 95,53 Dollar. Das ist der tiefste Stand seit sieben Monaten. Auch die Nahrungsmittelpreise brachen ein. Einzig Goldpreis legte erwartungsgemäss zu, um 12 Dollar auf 777 Dollar je Unze.

CDS-Markt: Kernschmelze am Markt für Kreditderivate

Die Kosten für die Absicherung von Kreditrisiken schiessen im Bann der Konkursmeldung der Lehman Brothers durch die Decke. Die Credit Default Swaps (CDS) für den iTraxx Crossover Index, der 50 europäische Unternehmen mit riskanter Bonität umfasst, legte um 89 Basispunkte auf 614 Punkte zu. Das bedeutet, dass Gläubiger deutlich mehr zahlen müssen, um sich gegen das Risiko „Zahlungsausfall“ (default) abzusichern. Die CDS für den iTraxx Financial Index für 25 europäische Banken und Versicherungen stieg um 32 Basispunkte auf 127 Punkte.

Der CDS-Markt hat insgesamt ein Volumen von 62'000 Mrd. Dollar. Mit CDS (Kreditderivate) wollen sich Anleger gegen Ausfälle von Anleihen von Banken und Unternehmen absichern. Der Versicherungsgeber verspricht, im Konkursfall eine im voraus vereinbarte Summe an den CDS-Käufer zu zahlen. Der Versicherungsnehmer überlässt dem Verkäufer im Gegenzug das einschlägige Wertpapier. Tritt ein Credit-event („Kreditereignis“) ein, müssen die ausstehenden Kontrakte beglichen werden.

Schattenbankensystem: Ist keine Regulierung die beste Regulierung?

Die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac standen auf der öffentlichrechtlichen Seite des Marktes. Die GSEs wurden vom Finanzministerium unter die staatliche Zwangverwaltung („conservatorship“) gestellt. Die Lehman Brothers befanden sich auf der privatrechtlichen Seite des Marktes. Der Staat weigerte der Investmentbank die Rettung. Dies mag darin liegen, dass das Moral Hazard-Potenzial nach der Bail-out von Bear Stearns durch die US-Notenbank (Fed) am Markt inzwischen erheblich gestiegen ist.

Zum Hintergrund: Die Protagonisten am Kreditmarkt verfügen über kaum Einlagengeschäft. Das bedeutet, dass sie stark vom Vertrauen und Wohlwollen (Gegenparteienrisiko) der anderen Handelspartner am Kapitalmarkt abhängig sind.

Der Boom am Kreditmarkt hat im Verlauf der vergangenen Jahre zu einer Reihe von innovativen Finanzprodukten geführt. Mit Hilfe von Zweckgesellschaften wie Conduits und SIV wurden hypothekarisch besicherte Wertpapiere an den Mann gebracht. So wurde neben dem traditionellen Bankensystem ein Schattenbankensystem etabliert. Es handelt sich dabei um Investmentgesellschaften, die wie Banken handeln aber keineswegs reguliert sind. Das Geld wurde kurzfristig geliehen und dann sofort langfristig angelegt. Die US-Notenbank unter der Ägide des ehemaligen Chefs Alan Greenspan und die Anhänger des Marktfundamentalismus lobten diese Strukturen für kreditfinanzierte Investitionen in hypothekenbesicherte Wertschriften als Bestandteil des modernen Finanzmarkts zur Risikostreuung und –verminderung. Die Risiken waren aber, wie es jetzt zum Vorschein kommt, weder breitgestreut noch reduziert. Sie waren aus der Bilanz der Finanzinstitute in Zweckgesellschaften verlagert. Paul Krugman, Professor für Wirtschaft an der Princeton University, nennt das System, welches ausserhalb der Reichweite der Bankregulierungsbehörden und Einlagenversicherungen operiert „russisches Roulette“ finanzieller Art. In seiner Kolumne in The New York Times schreibt Krugman weiter, dass die Akteure im Schattenbankensystem bisher nach der Regel handelten: Kopf: Ich gewinne. Zahl: Steuerzahler verliert.

Zweckgesellschaften: SIV und Conduits

Die Zweckgesellschaften bilden die Grundsäulen des Schattenbankensystems. Die Banken haben sie geschaffen, um das Geschäft der kreditfinanzierten Investitionen in hypothekenbesicherte Wertpapiere zu fördern. Das Ziel ist, neue Spielräume für Kreditvergabe zu schaffen. Dadurch wurde die Umwandlung eines Kredits in ein Wertpapier ermöglicht. Eine hohe Anzahl von Krediten konnte auf diese Weise aus der Bilanz der Banken in den Kapitalmarkt abgeschoben werden. Die Zweckgesellschaften haben die Aufgabe, besicherte Wertpapiere herauszugeben. Die Conduits und die SIVs leihen sich am Markt für Asset Backed Commercial Paper (ABCP) kurzfristig Gelder, indem sie die von ihnen selbst gestalteten Wertschriften als Sicherheit hinterlegen und investieren das geliehene Geld langfristig in z.B. sog. Collateralized Debt Obligations (CDO).

Zum Unterschied von Conduits und SIVs:

Conduits werden von den Banken selbst gemanagt.
SIV, Special Investment Vehicle hingegen werden von dritten (fremden) Managern geleitet.

Das Schattenbankensystem operiert ausserhalb der Reichweite der Regulierungsbehörden und Einlagenversicherung.

Systemkrise: Märkte sind in Aufruhr

Die Rettung von Lehman Brothers ist gescheitert. Die angeschlagene 5. grösste US-Investmentbank beantragte Insolvenzschutz nach Kapitel 11. Die Bank of America, die zuletzt als möglicher Käufer von Lehman galt, übernimmt stattdessen auf Drängen der US-Regierung den Rivalen Merrill Lnych. Die BoA hatte bereits im Zuge der Kreditmarktkrise die schwer gebeutelte Hypothekenbank Countrywide geschluckt. Die US-Notenbank (Fed) kündigte Massnahmen zu Stützung der Finanzmärkte an. Die amerikanische Zentralbank akzeptiert erstmals in der Geschichte Aktien als Sicherheit für Notfallkredite.

Sonntag, 14. September 2008

US-Häusermarkt: Noch keine Bodenbildung

Der S&P/Case-Shiller Index zeigt einen anhaltenden Rückgang der Eigenheimpreise. Allerdings hat sich der Verfall im Tempo etwas verlangsamt. Der gegenwärtig existierende Häuserbestand reicht laut S&P aus, um die Marktnachfrage mehr als 11 Monate lang zu decken, was nahezu dem Doppelten des historischen Niveaus entspricht. Die staatliche Übernahme der Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac dürfte zwar zu sinkenden Hypothekenzinsen führen. Die Problematik „Kreditklemme“ im Sektor wäre aber noch lange nicht gelöst.

Solange der Eigenheimpreis niedriger ist als der aktuelle Wert der Hypothek, dürfte sich die Anzahl der Zwangsvollstreckungen nicht verringern. Die Eigenheimpreise werden aber noch mehr nachlassen müssen. Die Banken haben lange gezögert, das Thema „Abschreibungen auf problematische Wertpapiere“ (z.B. Mortgage Backed Securities, MBS) in Angriff zu nehmen, da sie gehofft haben, dass sich der Kreditmarkt schnell wieder erholen würde. Nun steigern sie ihre Rekapitalisierungsbemühungen. Denn das Jahresende rückt näher. Die Bewertungsverluste vermindern nämlich das Eigenkapital der Banken. Bei sinkenden Eigenmitteln müssen sie ihre Kredite verringern.

Fazit: Hände weg von Bankwerten. Der Aktienmarkt wird sich nicht erholen, bis der Immobilienmarkt sich stabilisiert hat. Das kann aber noch 12 bis 18 Monate dauern. Erst dann können die Banken wieder Kredite vergeben.

Bail out-Economy: Wer hat noch nicht, wer will noch?

Unternehmen haben entweder eine implizite Staatsgarantie oder sie sind zu gross, als dass der Staat sie zugrunde gehen lassen dürfte („too big to fail“). Die staatliche Übernahme der Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac ist das jüngste Beispiel zum ersten Fall. Die Rettung der Investmentbank Bear Stearns mit Hilfe der US-Notenbank (Fed) gehört zum zweiten Fall. Gemeinsam ist den beiden Fällen, dass eine Staatsintervention vorprogrammiert ist. Da das so ist, steigt im Markt die Bereitschaft, überhöhte Risiken einzugehen („Moral Hazard“).

Nun kämpft Lehman Brothers zum Überleben. Die Traditionsbank (vor 158 Jahren gegründet) stellte sich selbst zum Verkauf. In den Medien werden die Namen von potenziellen Käufern aufgelistet. Aber alle zögern, bevor sie zugreifen, da sie auf die staatliche Unterstützung warten wie das bei der Übernahme von Bear Stearns durch JP Morgan gewesen ist. Die angeschlagene Investmentbank wird irgendwie staatlich aufgefangen. Damit wäre es aber nicht getan. Denn in den Blättern zirkulieren bereits weitere Namen, die Refinanzierungsprobleme haben sollen: Washington Mutual (WM), Wachovia (WB) usw. um nur ein paar davon zu nennen. Ausserdem hatte der Einlagensicherungsfonds (FDIC) Ende August angekündigt, eine Liste mit 117 von Pleite bedrohten Banken per Ende II. Quartal in der Hand zu haben. Am Ende des I. Quartals waren es 90 Banken. Wo sind aber die entsprechenden Auflagen (Bestimmungen, Kontrollen usw.), um Moral Hazard Potenzial einzuschränken? Oder wollen wir am Schluss auch die Börse insgesamt verstaatlichen?

Samstag, 13. September 2008

Kreditmärkte: TED-Spread und Libor-OIS-Spread weiten sich aus

Immobilienmarktkrise verlängert sich. Die Bewertungsverluste hinterlassen immer tiefere Spuren in der Bilanz der Finanzinstitute. Dabei verringert sich das Eigenkapital der Banken. Bei sinkenden Eigenmitteln müssen sie ihre Kredite („deleveraging“) zurückfahren. Gleichzeitig steigt im Markt das Gegenparteirisiko. Das Misstrauen, dass Schuldner nicht zahlen können, nimmt unter Banken zu. Das belegt der TED-Spread, der in den vergangenen zwei Wochen um 23 Punkte auf 1,3332 Punkte gestiegen ist. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel gilt als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt. Im langfristigen Durchschnitt liegt der TED-Spread bei 0,47%. Ein Anstieg des Aufschlags bedeutet, dass die Liquidität am Geldmarkt knapp wird. Ein Rückgang hingegen deutet auf eine Entspannung hin.

TED-Spread von 12. September 2008:


Seit Juni hat sich der TED-Spread im Durchschnitt 114 Basispunkte ausgeweitet. Im Vergleich: In der ersten Jahreshälfte legte der Aufschlag um 116 Basispunkte zu. Mit 204 Basispunkten erreichte der TED-Spread im März ihren Höhepunkt, gleich nach der Bekanntgabe des Verkaufs von Bear Stearns. Libor-OIS-Spread, ein anderer Stressindikator, der die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und dem 3-Monats-Swapsatz misst, stieg auf 0,8678%. Noch Ende August notierte der Libor-OIS-Spread 78 Basispunkte. Der Aktienmarkt wird sich nicht erholen, bis der Immobilienmarkt sich stabilisiert hat. Erst dann können die Banken wieder Kredite vergeben.

Freitag, 12. September 2008

Moral Hazard: Zahlreiche Banken in Not – Käufer zögern

Nachdem die Angst um das Überleben der Traditionsbank im Markt die Runde machte, brachen die Aktien von Lehman Brothers gestern um mehr als 40% ein. Auch im nachbörslichen Handel setzte sich die Talfahrt fort, obwohl die angeschlagene amerikanische Bank mit mehreren möglichen Käufern über eine Übernahme verhandelt. Die Bank stellt sich komplett zum Verkauf. Das „Wall Street Journal“ nannte sogar konkrete Namen, welche Interesse zeigen. Die potenziellen Käufer zögern jedoch. Sie hoffen, dass die amerikanische Regierung sie dabei unterstützt, ähnlich wie es damals bei der Übernahme von Bear Stearns durch JP Morgan geschehen ist. Das ist Moral Hazard par excellence.

Der Tatbestand „too big to fail“ hat die US-Notenbank (Fed) im Fall der Investmentbank Bear Stearns zu einem „Bail out“ veranlasst. Die „implizite Staatsgarantie“ von Fannie Mae und Freddie Mac erhöhte die Risikobereitschaft von Marktteilnehmern, sodass im Immobilienmarkt eine Spekulationsblase entstanden ist. Das amerikanische Finanzministerium hat eingreifen müssen. Die beiden Hypothekenfinanzierer wurden unter die Obhut der Regulierungsbehörde (FHFA) gestellt. Während die Gewinne den Investoren zugute kamen, übernimmt die Öffentlichkeit (d.h. Steuerzahler) die Verluste. Da in Folge der Kreditmarktkrise zahlreiche Banken in Schieflage geraten sind, ist mit einer exzessiven Ausweitung der Moral Hazard Fälle zu rechnen. Das wird schliesslich auf Konjunktur lasten. Das Vertrauen im Markt wiederherzustellen, dürfte folglich viel mehr Zeit beanspruchen als ursprünglich eingeschätzt.

CDS-Markt: Gegenparteirisiko steigt – kein Überblick möglich

Die Kosten für die Absicherung von Kreditrisiken sind im Zuge der zunehmenden Befürchtungen um eine ev. Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers gestern deutlich gestiegen. Die Aktie von Lehman hat allein am Donnerstag mehr als 40% an Wert verloren. Lehman-Anleihen werden nun mit einem Aufschlag von 9,36% zu US-Treasuries gehandelt. Ab einem Rendite-Spread von 10% wird’s brenzlig. Denn Anleihenhändler gehen dann von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Defaults (Zahlungsausfall) aus. Verkäufer von Versicherungen gegen einen Zahlungsausfall von Anleihen, die von Lehman verkauft wurden, verlangen nun laut Bloomberg eine „upfront fee“. Das ist ein Novum. Die Kontrakte kosten jetzt 13% upfront und 5% per annum. Das heisst konkret, dass die CDS, die einen Schutz für Lehman Anleihen im Wert von 10 Mio. Dollar bieten, kosten 1,3 Mio. Dollar im voraus und 500'000 Dollar im Jahr. Im Vergleich: Die Prämie kostete bis Mittwoch 1,2 Mio. Dollar.

Die Credit Default Swaps (CDS) auf CDX North America Investment Grade (Anlagequalität) schnellte 5,5 Basispunkte auf 152,5 Basispunkte hoch. Ein Index-Anstieg bedeutet eine Verschlechterung der Risikowahrnehmung von Kreditqualitäten. Ein Index-Rückgang deutet hingegen eine Verbesserung der Lage hin. Auch die CDS für den iTraxx Europe Index, der 125 Unternehmen mit Anlagequalität (d.h. Investment-grade) umfasst, legten um 4,755 Basispunkte auf 106,5 Punkte zu. Das bedeutet, dass Gläubiger mehr zahlen müssen, um sich gegen das Risiko „Zahlungsausfall“ (default) abzusichern.

Exkurs:
Die Basispunkte sind als Risikoprämie zu verstehen. Je höher die Notierung, desto höher das Risiko. Eine Notierung von 100 Basispunkten für einen CDS bedeutet eine jährliche Prämie von (0,01x10 Mio. Euro) 100'000 Euro. Das heisst, dass Investoren bereit sind, für das erhöhte Risiko eine Prämie von 1% zu zahlen. CDS-Vereinbarungen beziehen sich auf ein Bündel von Anleihen im Wert von 10 Mio. Euro.

Donnerstag, 11. September 2008

US-Treasury CDS unter Stress - TED-Spread signalisiert getrübte Stimmung

Die Freude über die Übernahme der beiden Hypothekenfinanzierer durch das amerikanische Finanzministerium ist nach 24 Stunden schnell wieder verpufft. Das finanzielle Engagement des Schatzamtes in Fannie Mae und Freddie Mac wird von seriösen Experten mit 200 bis 300 Mrd. Dollar beziffert. Das US-Haushaltsdefizit dürfte im kommenden Jahr auf 438 Mrd. Dollar ansteigen. Der Nachfolger von Bush-Administration hätte es nicht einfach, Steuern zu senken oder Staatsausgaben zu erhöhen. Kein Wunder, dass der US-Anleihenmarkt nach der Bekanntgabe der Rettungsaktion der Regierung für die GSEs unter Druck geraten ist. Die Händler befürchten eine Verschlechterung der Bonität der Vereinigten Staaten.

TED-Spread


Die Kontrakte auf US-Staatsanleihen sind gestern um 3,5 Basispunkte auf einen Rekordwert von 18 Basispunkten gestiegen. Von 6 Basispunkten im April. Im Vergleich: Credit Default Swaps (CDS) auf Deutschlands Staatspapiere kosten derzeit 8 Basispunkte, die CDS auf japanische Staatsanleihen 16,5 Basispunkte. Marktteilnehmer sind besorgt, dass der Bail-out von Fannie und Freddie auf den Büchern des Treasury lasten wird. Der TED-Spread, der als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt gilt, kletterte indes auf 1,1798%. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel liegt im langfristigen Durchschnitt bei 0,47%. Ein Anstieg des Aufschlags bedeutet, dass die Liquidität am Geldmarkt knapp ist. Ein Rückgang hingegen deutet auf eine Entspannung hin. Der Höhenflug des TED-Spread bestätigt die Existenz der Kreditklemme (credit-crunch). Der Stress für den Bücherabschluss am Jahresende hat für die Banken bereits begonnen.

Banken in Not: Öffentliche Hand vs. Unsichtbare Hand

Fannie Mae und Freddie Mac sind infolge des anhaltenden Hauspreisverfalls ins Wanken geraten. Die Verluste sind beinahe ins Unermessliche gestiegen. Der Staat hat daher eingreifen müssen. Die beiden Hypothekenfinanzierer geniessen ja einen quasi-staatlichen Sonderstatus. Aus der impliziten Garantie wurde nun eine explizite. Deswegen sei es falsch, dabei von einer Verstaatlichung zu sprechen, schreibt Paul Krugman in seinem Weblog. Korrekt wäre der Begriff „Deprivatisierung“, bemerkt der Wirtschaftsprofessor von der Princeton University. Es war sozusagen von Anfang an klar, dass der Staat eine Rettungsaktion starten würde, wenn es eng werden sollte wie jetzt.

Implizite Garantie bedeutet aber, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Die beiden regierungsgeförderten Institute (GSE: Government Sponsored Enterprise) halten und/oder garantieren schliesslich rund 45% der Darlehen auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt. Die unsichtbare Hand hat bisher die Gewinne eingestrichen. Die öffentliche Hand sorgt dafür, dass die Steuerzahler jetzt die Verluste begleichen. Nouriel Roubini, Wirtschaftsprofessor an der NYU’s Stern School of Business schätzt das Engagement des Staats in Fannie und Freddie mit 200 bis 300 Mrd. Dollar. Wie soll man aber nun dem Steuerzahler erklären, dass dem Staat für ein angemessenes Gesundheitssystem das Geld fehlt.

Mittwoch, 10. September 2008

Finanzkrise: Inflation und Deflation Hand in Hand

Es ist ein explosives Gemisch: Inflation und Deflation hängen über dem Markt gleichzeitig wie ein Damoklesschwert. Marc Faber, der geniale Marktanalyst und der beste Schweizer Investor aller Zeiten weist in einem Interview in der Frankfurter Allgemeine Zeitung darauf hin, dass „wir am Beginn einer Weltrezession stehen“. Während die Preise für Konsumgüter steigen, sinken die Preise für Vermögensgüter.

Fallende Hauspreise haben mittlerweile zu einem meist befürchteten Phänomen „Debt-Deflation“ geführt. Während die Preise in den Läden steigen, fallen die Vermögenswerte, die für die Bilanz entscheidend sind. Ein Beispiel: Wenn Sie ein Haus auf Kredit kaufen, gilt das Haus als Sicherheit für den Kredit, den Sie bei einer Bank aufnehmen. Das bedeutet, dass das Haus von der Bank in Besitz genommen werden kann, falls Sie ihren Kreditzahlungen nicht nachkommen. Wenn der Wert des Hauses aber abnimmt, während Sie ihren Kredit an die Bank zurückzahlen, dann befinden Sie sich in „Debt-Deflation“.

CDS von Fannie und Freddie: Kreditereignis oder nicht?

Nach der Verstaatlichung der beiden amerikanischen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac stellt sich nun die Frage, was mit den Swaps der beiden Giganten passiert. Bedeutet die Tatsache, dass die Fannie und Freddie unter die staatliche Zwangverwaltung ("conservatorship") gestellt wurden, ein „Credit-Event“ (Kreditereignis, d.h. Ausfall)? Die Aktionäre verlieren ihre Rechte. Inhaber von Vorzugsaktien („preferred shares“) erhalten keine Dividende mehr. Wie steht es aber mit den CDS (Credit Default Swaps)-Kontrakten, die sich auf die Fannie und Freddie Anleihen beziehen?

Die Rettung der beiden quasi-staatlichen Hypothekenhäuser durch die öffentliche Hand bedeutet technisch gesehen ein „Kreditereignis“ für CDS. Kreditgeber sichern sich mit dem Erwerb von CDS gegen Zahlungsausfälle („default“). Es ist jedoch sehr schwierig, zu ermitteln, wie viele CDS auf Fannie und Freddie ausstehend sind. CDS werden bekanntlich nicht an der Börse („over the counter“) gehandelt. Die Preise sind daher keine Marktpreise, sondern „Marked-to-Model“. Die „International Swaps and Derivatives Association“ (ISDA) wertet inzwischen die Rettungsaktion als “Creditevent”. Market Maker von CDS, die von privaten Investoren gehandelt werden, wollen sich laut Boomberg auch zu einer Lagebeurteilung treffen. Handelsentwicklung ("settlement")eines Kreditereignis in diesem Ausmass war bisher aber unbekannt. Wie die CDS-Kontrakte nun beglichen werden, ist daher noch nicht geklärt.

Debt Deflation: Nachhaltigkeit der Rettungsaktion fraglich

Die Entscheidung der US-Regierung, die beiden Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac zu verstaatlichen, ist unter Volkswirten zumeist auf Zustimmung gestossen. Die Aktionäre gehen leer aus. Das bedeutet, dass der Rettungsplan die amerikanischen Steuerzahler möglichst schonen will. Paul Krugman findet die Übernahme der beiden Hypothekargiganten durch die Aufsichtsbehörde FHFA „ordentlich gut“. Als Verlierer sieht Krugman aber die US-Notenbank (Fed). Namentlich Alan Greenspan, der ehemalige Chef der Fed habe damals erklärt, dass es keine Spekulationsblase im Immobilienmarkt gebe. Die Hauspreise seien jedoch schneller gesunken als während der „Grossen Depression“. Nun sei es laut Krugman durch die fallenden Immobilienpreise zu einem viel mehr befürchteten Phänomen „Debt-Deflation“ gekommen.

Die Rede ist von „Deflation in Asset Prices“ (Vermögenswerten). Die Finanzakteure haben Wertpapiere auf Kredit erworben („leverage“). Die steigenden Kurse haben den Vermögenswert nach oben getrieben. Bei fallenden Kursen wirkt die Hebelwirkung („leverage“) aber in umgekehrter Richtung. Die auf Kredit aufgebauten Vermögensposten rufen jetzt hohe Verluste hervor. Die Finanzbranche ist nun gezwungen, im Bann der „Debt Deflation“ ihre Verschuldung zurückzufahren ("deleveraging") und sich neu zu rekapitalisieren. Zusammenfassend bemerkt Krugman in seiner Kolumne in der „The New York Times“, dass Fannie und Freddie gerettet werden müssten, da die Debt Deflation sonst viel schlimmer geworden wäre. Zur Erinnerung: Die Hypothekarzinsen steigen seit Jahresbeginn rapide. Die gegenwärtige US-Finanzkrise weist aber grosse Ähnlichkeiten mit der Krise, die in den 1980er Jahren Japan getroffen hat.

Dienstag, 9. September 2008

CDO-Markt: Moody’s senkt Performance-Outlook

Der Markt für strukturierte Produkte liegt zur Zeit brach. Die Liquidität ist völlig ausgetrocknet. Moody’s Investors Service hat gestern den Performance-Ausblick für Collateralized Debt Obligation (CDO) heruntergestuft. Das Rating wurde von bisher „stabil/negativ“ auf „negativ“ herabgesetzt. Grund: anhaltende Wirtschaftsschwäche. Die konjunkturelle Abkühlung werde eine Zunahme an Defaults (Ausfall von Anleihen) auslösen.

CDOs sind durch Kreditforderungen unterlegte Schuldtitel. Es handelt sich dabei um besicherte Schuldverschreibungen, die auf dem Grundsatz von „Verbriefung“ beruhen. CDOs gelten im allgemeinen als komplexe Wertpapiere, die ein Pool an Krediten bündeln und das Risiko in verschiedene Tranchen aufteilen. Die Tranchen werden von den Rating-Agenturen jeweils einzeln bewertet. Eine CDO erwirbt aber nicht direkt Hypotheken, sondern die Mortgage Backed Securities (MBS, eine spezielle Form von ABS, die durch eine Hypothek abgesichert ist). Eine Rating-Reduktion bedeutet nun, dass in naher Zukunft mit einer Reihe von negativen Ratingsfolgerungen für manche „Junior Bonds“ gerechnet werden muss. In Folge der Subprime-Krise ist der Kreditmarkt zum Erliegen gekommen. Kreditnahme-Kosten waren für Unternehmen laut Bloomberg noch nie so hoch wie zuvor im Jahre 2003. Von Moody’s Rückstufung sind einzig die mit Anleihen aus den sog. Emerging-Marktes unterlegte CDOs verschont geblieben. Dennoch lässt sich fast ein Jahr nach dem Ausbruch der Immobilienmarktkrise schlussfolgern, dass der CDO-Markt keine Überlebenschance hat.

Kreditmarkt: Entspannung bei Libor-OIS-Satz

Die Verstaatlichung der schwer gebeutelten amerikanischen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac wurde v.a. am Aktienmarkt mit Kursfeuerwerk gefeiert. Anleger spekulieren darauf, dass sich mit der Rettungsaktion die Lage am Kreditmarkt entspannen würde. Kurzfristig erhoffen sich Marktteilnehmer etwas Ruhe in der Immobilienbranche. Die LIBOR-OIS-Spreads Forwards zogen sich im Zuge der Verstaatlichung von GSEs zusammen. Die Erwartung, dass die US-Notenbank (Fed) Zinsen nicht mehr senken dürfte, führte laut Morgan Stanley zu Straffung bei 2009 Forwards um 3-4 Basispunkte.

3-Monats-OIS Satz


Die Spot Risikoaufschläge verharren jedoch auf hohem Niveau. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor (2,8169%) und dem Overnight Index Swap (OIS) Satz (2,0125%) notiert zum Wochenbeginn bei 0,8044%. Der Spread liegt höher als vergangene Woche. Kritische Marktakteure haben darauf hingewiesen, dass die Verstaatlichungsaktion die Hypothekenkrise etwas beruhigen, aber nicht schnell überwinden kann. Die Sanierung der Immobilienfinanzierer erfolgt schliesslich mit dem Geld der Steuerzahler. Die Konjunkturschwäche sei noch nicht gezähmt. Der Abbau von Arbeitsplätzen hält noch an.