Dienstag, 31. März 2009

US-Häuserpreise im freien Fall

Die Preise für Immobilien in den USA sind im Januar so stark wie nie zuvor gefallen. Dem heute vorgelegten Pressebericht zufolge ist der Standard & Poor’s Case/Shiller Index im Jahresvergleich um 19% abgesackt. Das ist der stärkste Index-Einbruch seit 2000. Im Vergleich zu dem im Sommer 2006 erreichten Spitzenwert sind die Häuserpreise in den USA um 29% zurückgegangen. Alle vom Index erfassten 20 Ballungsräume (Metro-Areas) berichten monatliche und jährliche negative Preisveränderungen.


S&P/Case-Shiller Index, Graph: Standard & Poor’s

Der S&P/Case-Shiller Index zählt zu den wichtigsten Indizes zur Messung der Preisentwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt. Der Preisverfall am US-Immobilienmarkt gilt als Auslöser der Kreditmarktkrise. Zugleich ging auch ein Mythos in der Öffentlichkeit zugrunde, dass die Immobilienpreise wegen des Wirtschaftswachstums, des Bevölkerungszuwachs und der begrenzten Verfügbarkeit der Grundstückressourcen unweigerlich kräftig klettern müssten, hält Robert Shiller in seinem spannenden Buch „The Subprime Solution fest. Aber in Wirklichkeit passiert das nicht. „Die steigenden Einkommen schlagen sich nicht in steigenden Immobilienpreisen nieder, sondern in der steigenden Menge des Wohnraumverbrauchs“, so Shiller weiter.

Türkische Wirtschaft schrumpft im IV. Quartal um 6,2 Prozent

Die türkische Wirtschaft ist im IV. Quartal 2008 real um 6,2% geschrumpft. Das ist die erste Kontraktion seit sieben Jahren. Das BIP ist Angaben des türkischen Schatzamtes zufolge im Gesamtjahr um 1,1% gewachsen. Unternehmensinvestitionen waren bereits im III. Quartal 2008 um 10% auf Jahresbasis zurückgegangen. Der Rückgang der Kapazitätsauslastung, der Kreditvergabe durch die Banken und der ausländischen Direktinvestitionen haben nun zu einem Einbruch des BIP im IV. Quartal geführt.

BIP Wachstumsrate
2007 IV. Q.: 4,2%
2007: 4,7%
2008 IV. Q. : -6,2%
2008: 1,1%.

Die türkische Wirtschaft ist mit der globalen Wirtschaft eng verflochten. Der weltweite Nachfrageausfall hinterlässt daher tiefe Spuren auch in der verarbeitenden Industrie der türkischen Wirtschaft. Eine schwere Krise wie im Jahre 2001 ist nicht zu erwarten. Aber dennoch ist von einer anhaltenden Rezession auszugehen. Ein Silberstreifen am Horizont ist die Abnahme des Leistungsbilanzdefizits. Angesichts des signifikanten Rückgangs der Energiepreise hat die Leistungsbilanz im Januar erstmals wieder einen Überschuss aufgewiesen. Eine ausgeglichene Leistungsbilanz dürfte mittlerweile auf eine unterbewertete Landeswährung hindeuten. Die Inflation ist rückgängig. Das Haushaltsdefizit hat sich vom 12% des BIP 2001 auf indes 1,8% im Vorjahr zurückgebildet. Staatsverschuldung hat am BIP einen Anteil von rund 41%.

Montag, 30. März 2009

CDS-Prämien für Länder

Die Risikoaversion der Investoren bleibt hoch. Nachdem die US-Regierung die Sanierungspläne der Autokonzerne GM und Chrysler abgelehnt hat, sind die jüngsten Kursavancen an den Aktienmärkten schnell wieder verpufft. Anleger ziehen nach wie vor sichere und liquide Anlagen vor. Dennoch verharrren die CDS-Prämien für Staaten auf hohem Niveau. Grund: Spekulative Investoren traden mit CDS wie mit Aktien.

USA: 60 Basispunkte,
Grossbritannien: 116 Basispunkte,
China: 162 Basispunkte,


Sovereign CDS, Graph: Markit.

EZB: Die letzte Bastion des Monetarismus

Die Europäische Zentralbank (EZB) trifft sich am Donnerstag, um über die Leitzinsen zu entscheiden. Wird die EZB die Zinsen senken? Manche Volkswirte rechnen fest damit. Manche Marktbeobachter gehen sogar davon aus, dass die Währungshüter des Euro-Raums darüber hinaus signalisieren dürften, demnächst mit den Aufkauf von Anleihen beginnen zu wollen. Ist es eine realistische Erwartung? EZB-Vize Präsident Lucas Papademos sagte vergangene Woche in Brüssel, dass eine „mengenmässige Lockerung“ der Geldpolitik eine Möglichkeit sei.


Euro-Zone Inflation, Graph: bloomberg.com

Wird sich aber die EZB der Strategie der britischen (quantitative easing) und der amerikanischen Notenbank (credit easing) oder der schweizerischen Nationalbank (SNB) annähern? Die Fed und die SNB kaufen im offenen Markt im grossen Stil Staats- und Unternehmensanleihen, um die Kreditwirtschaft anzukurbeln. Auch die BoE erhöht die Geldmenge, um sich gegen die Rezession zu stemmen.

Die EZB ist die letzte Bastion des Monetarismus, der inzwischen sang- und klanglos untergegangen ist. Noch im Sommer 2008 hat die EZB im Vorfeld der grössten Wirtschaftskrise seit Menschengedenken, die Zinsen erhöht, anstatt zu senken. Es gab davor nicht einmal Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale. In den vergangenen fünf Jahren sind die Arbeitskosten im Euro-Raum jährlich nicht mehr als um 2,5% gestiegen.

Fazit: Die EZB dürfte am 2. April ihren Leitzins auf 1,0% senken. Weitere unorthodoxe Massnahmen sind aber höchst umstritten. Denn die EZB ist nur auf die Fixierung der Inflationsrate eingerichtet und hat keinen Auftrag als „lender of last resort“. Eher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Banken sich bei der EZB in Zukunft längerfristig Gelder leihen können als bisher.

Samstag, 28. März 2009

Was heisst Liquidität?

Seit dem Ausbruch der Krise hat sich die Bilanzsumme der amerikanischen Notenbank (Fed) verdoppelt. Sowohl die Fed als auch die Regierung versuchen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, sich gegen die anhaltende Rezession zu wehren. An der aktiven Ausweitung der Geldmenge scheitern sich aber allmählich manche Geister. Grund: Langfristig aufkeimende Inflationsgefahr, da die Notenbanken die Geldpresse anwerfen. Öfters ist die Rede von einer massiven Liquidität. Was bedeutet aber Liquidität? Wenn es an den Finanzmärkten zu einer sog. „Flucht in Sicherheit oder Qualitätspapiere“ kommt, ist es ein Zeichen davon, dass sich der Stellenwert der Liquidität erhöht, weil im Markt ein „Schock“ (welcher Art auch immer) vorherrscht. Illiquide Wertpapiere werden mit grossem Abschlag verkauft. Die Risikoaufschläge (Spreads) klaffen weit auseinander.

In Zeiten hoher Liquidität hingegen sind Investoren bereit, langfristige Engagements einzugehen. Die Spreads sind eng. Die implizierte Volatilität ist niedrig. Banken sind gewillt, Kredite mit einem geringeren Risikoaufschlag über Treasuries zu gewähren.

Es gibt drei Aspekte der Liquidität: 1) Das Risikopremium im Hinblick auf langfristige Verpflichtungen. 2) Die Verfügbarkeit der liquiden Vermögenswerte, die leicht in neue Anlagen investiert werden können und 3) Die Geld- und Brief-Spanne.

Liquidität hat also damit zu tun, wie schnell Investoren ihre Anlagen umschichten können. Liquidität hat aber auch mit dem Geldangebot und den Leitzinsen der Zentralbanken und den Kreditkosten zu tun. Im allgemeinen ist unter Liquiditätsrisiko folgendes zu verstehen: Das Risiko, wenn ein Investor seine Aktiva (Vermögenswerte) nicht rasch in Barmittel (cash) konvertieren kann. Kreditrisiko ist hingegen das Risiko, wenn ein Investor seinen vertraglichen Verpflichtungen (Obligationen) nicht nachkommen kann.

TIPS: Inflationsgeschützte Anleihen

Die Ankündigung der Fortsetzung des „Credit Easing“-Ansatzes durch die US-Notenbank (Fed) hat diese Woche dazu beigetragen, dass sich die pessimistische Stimmung über die Aussichten der Finanzmärkte spürbar gedämpft hat. Die Aktien, gemessen am S&P-500 Index legten in den vergangenen fünf Handelstagen um 6,2% zu. Die Performance der Aktien beträgt im ganzen Monat sogar ca. 13%. Die Bonds hingegen weisen eine negative Wertentwicklung in den ersten drei Monaten des Jahres auf:

US-Treasuries: -1,91%
Unternehmensanleihen: -1,42%


Breakeven Rate, Graph: bloomberg.com

Was auffält, ist die Performance der TIPS, der inflationsgeschützten Anleihen mit 4,74% seit Jahresbeginn. Die Inflationsrate ist seit vier Monaten rückgängig. Eine Deflationsgefahr lauert in jeder Ecke. Aber die TIPS legen zu. Wie kommt das? Die Differenz („breakeven rate“) zwischen der Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen und der Rendite der inflationsgeschützten Treasuries belief sich Ende 2008 auf rund 0,50%. Inzwischen notiert die Breakeven Rate 1,43%. Die Inflationserwartungen, die zu Jahresbeginn bei nahe Null Prozent lagen, kletterten erheblich. Verantwortlich dafür sind technische Gründe. Die TIPS gewähren Anleger einen garantierten Ertrag, da der Preis der Anleihe an die Veränderung der Inflation angepasst wird. Die düsteren Konjunkturaussichten, der starke Anstieg der staatlichen Schuldenaufnahme und der anhaltende Bailout-Bedarf im Finanzsystem veranlassen Investoren, die Flucht zu ergreifen. Die TIPS gelten, nachdem die Renditen für Treasuries mit 2,56% (am 18. März) auf das tiefste Niveau seit 1962 gesunken sind, als Hort der Sicherheit. Im Vorjahr lag die Performance der TIPS mit Minus 5% hinter der der Treasuries. Vor diesem Hintergrund wird es interessant, am 6. April die nächste Auktion der 10-jährigen TIPS zu beobachten.

Freitag, 27. März 2009

Produktionslücke und Inflation

In der geldpolitischen Lagebeurteilung vom 12. März hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) festgehalten, dass die wirtschaftliche Lage sich seit Dezember 2008 deutlich verschlechtert hat und für die drei nächsten Jahre das Risiko einer Deflation besteht. In der Tat ist die Auslastung der technischen Kapazitäten in der Schweiz rückläufig. In der verarbeitenden Industrie liege die Auslastung bereits einen Prozentpunkt unter dem langfristigen Durchschnitt von 84%, berichtet die SNB in ihrem Quartalsheft 1/2009. Der drastische Einbruch in der Kapazitätsauslastung zeigt sich auch in der Entwicklung der Produktionslücke („output gap“), die im IV. Quartal mit einem Wert von 0,2% fast geschlossen wirkt.


Produktionslücke, Graph: SNB, Quartalsheft 1/2009

Produktionslücke bedeutet eine Abweichung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) vom Ouptput, der bei Vollauslastung aller Kapazitäten möglich wäre (d.h. Produktionspotenzial). Während der potenzielle Output von den Varibalen der Angebotsseite abhängt, wird der tatsächliche Output hauptsächlich von der Nachfrageseite bestimmt. Fällt die Nachfrage kürzer aus als der potenzielle Output, dann ist das tatsächliche Wirtschaftswachstum kleiner als das potenzielle Wachstum. Folglich bleibt ein Teil der Produktionskapazität ungenutzt. Das löst Arbeitslosigkeit aus. Die Produktionslücke ist zugleich ein Mass für den mit der Kapazitätsauslastung zusammenhängenden Inflationsdruck. Die Outputlücke deutet in der Schweiz auf eine abnehmende Inflation hin. Diese Tendenz werde sich laut SNB in den kommenden Quartalen noch verstärken. Für das Gesamtjahr 2009 geht die SNB von einem Rückgang des Schweizer BIP um 2,5% bis 3% aus. Die Outputlücke wird also im Verlauf des Jahres deutlich negativ.

Staatsanleihen: Mangelnde Nachfrage?

Die Nachfrage für eine Auktion einer 30-jährigen Anleihe von 1,75 Mrd. £ fiel in Grossbritannien zu kurz. Bei der Versteigerung ergab sich eine bid-to-cover Ratio von unter 1. Das Verhältnis zwischen dem Zuteilungsbetrag und dem Gebot der Banken betrug 0,93. Investoren zeigten also nur Interesse für Anleihen im Wert von 1,63 Mrd. £. Die Gilt-Auktion gilt deshalb technisch als gescheitert. Es wäre jedoch vermessen, davon zu reden, dass das Angebot derzeit den Markt überschwemmt und daher Angst vor hoher Schuldenaufnahme besteht. Regierungen nehmen wegen der anhaltenden Krise Kapital am Anleihenmarkt auf, um Konjunkturprogramme und Bankenrettungshilfen zu finanzieren.


GDP/US-Dollar, Graph: yahoo.finance.com

Für den Fehlschlag ist eine Reihe von unglücklichen Umständen verantwortlich. Der britische Notenbankchef Mervyn King hat gesagt, dass die Bank of England (BoE) vielleicht weniger Anleihen erwerben werde als geplant. Die BoE hatte kürzlich angekündigt, 75 Mrd. £ an Staatsanleihen am offenen Markt aufzukaufen. Ferner fand die Auktion Ende Monat statt, was zugleich Ende Quartal ist. Da gibt es für Händler öfters gewisse Restriktionen, wie Zinsmarktanalysten von Morgan Stanley urteilen. Die Versteigerung ist zwar auf niedriges Interesse gestossen, aber es gab andererseits keinen Verkaufsdruck. Schliesslich tendierten die CDS-Prämien auf britische Staatsanleihen unverändert. Es lässt sich also keine Schlussfolgerung daraus ziehen, dass die britische Regierung nicht mehr in der Lage ist, Geld zu leihen.

Donnerstag, 26. März 2009

Geithner-Plan: Das PPIP und die Frage des Preises

Das Finanzministerium stellt für private Investoren Kapital („leverage“) und Kredit („non-recource loan“) zur Verfügung. Ziel der US-Regierung ist, auf diese Weise private Investoren zum Kauf von maroden Wertpapieren bei den Banken zu bewegen. Der Kaufpreis wird also vom Staat jeweils massiv subventioniert. Der private Investor kann dabei nur seinen Kapitaleinsatz verlieren. Steigt der Wert der besagten Papiere, profitiert der private Investor. Der Gewinn wird mit dem Staat geteilt. Fällt aber der Wert der Papiere, muss der private Investor den Kredit nicht zurückzahlen.

Das „Public-Private Investment Program“ hat zwei Beine:

1) Legacy Loans: Das sind bad assets, also „Altlasten“. Es handelt sich dabei um Kredite an Haushalte und/oder Unternehmen, die Verluste erlitten haben. Die Preisfindung ist hier verhältnismässig einfach.

2) Legacy Securities: Das sind die sog. „toxic assets“. Die Preisfindung ist sehr schwer, weil es keinen Markt dafür gibt. Es handelt sich dabei um intransparente Produkte des „Schattenbanken Systems“. Die Preise der besagten Ramschpapiere wurden bis zum Ausbruch der Kreditmarktkrise anhand eines theoretischen Modells errechnet. Zum Beispiel basierend auf den ABX-Index.

Ferner: Die Teilnahme am PPIP ist für Banken freiwillig. Das sieht Prof. Willem Buiter als Manko des ganzen Plans. Citigroups und Bank of America geniessen z.B. bereits Staatsgarantie für ihre maroden Wertpapiere in ihren Bilanzen. Diese Banken haben keinen Anlass, mitzumachen. Zumal der Verkauf von giftigen Wertpapieren eine neue Runde von Abschreibungen auslösen wird, die kapitalverzehrend auswirken. Nach ersten Schätzungen wollen Geldinstitute die besagten Papiere nicht unter 60% des Nennwertes verkaufen. Die Käufer beabsichtigen aber nicht, mehr als 30% des Nennwertes zu zahlen. Die ersten Auktionen dürften bald darüber Aufschluss geben, wie die Stimmungslage ist.

Bank of Israel stockt Volumen zum Ankauf von Staatsanleihen auf

Bank of Israel (BoI) gehört zu den Zentralbanken (wie der USA, Japans, Grossbritanniens und der Schweiz), die gegenwärtig den unkonventionellen geldpolitischen Ansatz „quantitative easing“ (QE), d.h. mengenmässiger Lockerung" anwenden. Es geht darum, dass die Notenbanken, weil die Leitzinsen nahe bei Null Prozent liegen, am offenen Markt Staatsanleihen und Devisen (FX) aufkaufen, um sich gegen die anhaltende Wirtschaftskrise zu wehren. Dabei wird die monetäre Basis ausgeweitet. Die Bank of England (BoE) hat angekündigt, ab dem 5. März Staatspapiere (Gilts) in einer ersten Tranche im Wert von 75 Mrd. £ (von insgesamt 100 Mrd. £) zu kaufen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am 12. März begonnen, am offenen Markt Unternehmensanleihen und Devisen zu erwerben. Die Fed kauft bekanntlich seit dem 18. März vermehrt MBS (von bis zu 1'250 Mrd. $) auf. In Kürze folgt der Kauf von Treasuries im Volumen von 300 Mrd. $.

Die Zentralbank Israels (BoI) hat mit der monetären Expansion im September 2008 begonnen und kauft seit dem 17. Februar Staatsanleihen unterschiedlicher Laufzeiten am sekundären Markt auf. Die BoI hat gestern angekündigt, den Betrag für den Kauf von Staatsanleihen zu erhöhen. Von jetzt an will die BoI dafür täglich im Durchschnitt 200 Mio. ILS ausgeben. Zugleich wollen die israelischen Währungshüter am Devisenmarkt täglich Devisen im Wert von 100 Mio. $ kaufen, um die Höhe der Devisenreserven des Landes zu steigern.

Mittwoch, 25. März 2009

Japans Exportwirtschaft

Japans Ausfuhren sind im Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 49,4% (auf 3,5 Billionen Yen) eingebrochen. Die Exporte der zweitgrössten Wirtschaft der Welt gingen damit den 5. Monat in Folge zurück. Das ist der schärfte Einbruch seit Januar 1980. Die Zahlen zeigen, wie stark die Wirtschaftskrise weltweit auf exportabhängige Länder auswirkt. Die Lieferungen in die USA, den grössten Exportmarkt Japans, sind sogar um 58% zurückgefallen.


USD/Yen Exchange Rate (1 Y), Graph: yahoo.finance.com

Rechnet man die Daten der vergangenen Monate auf das Jahr hoch, kommt man auf einen Rückgang der japanischen Wirtschaftsleistung von 12 Prozent.

Credit Default Swaps (CDS) für israelische Staatsanleihen

Die Risikoprämien der CDS auf Staatsanleihen Israels kletterten zu Wochenbeginn auf 245 Basispunkte. Es handelt sich dabei um die Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte. Das heisst, dass Investoren 2,45% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 245’000 Euro zu zahlen, um israelische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern.

Die Rendite der 10jährigen Staatsanleihen beläuft sich derzeit auf rund 4,63%. Die Devisenreserven der israelischen Zentralbank (BoI) betragen per Ende Februar 40'627 Mio. $.

Dienstag, 24. März 2009

Bilanzsumme der US-Notenbank

Die Bilanzsumme der Fed ist im Vergleich zur vergangenen Woche um 169 Mrd. $ auf 2'100 Mrd. $ gestiegen. Die Zunahme ist hauptsächlich auf die MBS-Käufe zurückzuführen.


Reserve Bank Credit, Graph: Fed St. Louis, March 2009m Financial Data

Geithner Plan und die Frage der Bewertung der „toxic assets“

Die Obama-Administration will keine Verstaatlichung. Finanzminister Tim Geithner setzt daher auf den freien Markt. Mit einem einfachen Versteigerungsmodell soll der Preismechanismus zum Lauf gebracht werden.

Geithner will mit dem Public-Private Investment Program die Bilanzen der Banken von Hypothekendarlehen bereinigen, weil sie eine grosse Belastung für die Finanzinstitute darstellen. Die Immobilienpreise sind bekanntlich drastisch gesunken, sodass das Ausfallrisiko (default) der verbrieften Kredite massiv gestiegen ist. Der Handel mit diesen verbrieften Krediten (RMBS und CMBS) ist deshalb inzwischen zum Erliegen gekommen. Geithner will aber diesen Markt nun wiederbeleben, indem er den öffentlich-privaten Investmentfonds motiviert, „toxic assets“ aufzukaufen.

Der Käufer kann die Wertpapiere bis zum Ende der Fälligkeit halten, oder in den kommenden Monaten mit Gewinn verkaufen, falls der Preis inzwischen steigt. Der Ertrag wird zwischen dem Finanzministerium und dem privaten Investor geteilt.

Nun agiert der Staat als Käufer, Kreditgeber und Versicherer der letzten Instanz. Das Problem war jedoch von Anfang an ein fehlerhafter Markt. Es gab keinen Preismechanismus. Denn die Preise der besagten Ramschpapiere wurden anhand eines theoretischen Modells errechnet.

Wie kann man ferner von Marktpreisen reden, wenn die Regierung den Kaufpreis von toxic assets bis zu 85% subventioniert? Die Produkte sind intransparent. Es gibt keinen Marktmechanismus. Es feht an Vertrauen. Kein Wunder, dass man das Ganze „Schattenbanken System“ jenseits von Regulierung und Aufsicht genannt hat. Läuft das alles aber nicht auf eine Verstaatlichung hinaus? Der Eindruck drängt sich, als ob man um eine vorübergehende Nationalisierung nicht herumkommt. Wie es aussieht, muss am Schluss der Steuerzahler wieder einspringen.

Non-recourse loan

Es handelt sich dabei um unwiderrufliche Darlehen. Das heisst eine Art projektgebundes Darlehen: Kredite, die nur durch den Wert der Vermögenswerte, die damit gekauft werden, gedeckt sind. Das Collateral ist i.d.R. das Eigentum, d.h. Immobilien. So werden Immobilienkredite in den USA gehandhabt.

Non-recourse bedeutet regresslos.

Wenn der Kreditnehmer nicht mehr zahlungsfähig (Verzug) ist, kann der Kreditgeber auf die Sicherheit als Entschädigung zurückgreifen. Das ist das unbewegliche Vermögen (Immobilien). Selbst wenn das Collateral nicht den vollen Wert des Ausfalls deckt, kann der Kreditgeber vom Kreditnehmer keine weitere Entschädigungen fordern. Der Kreditnehmer hat also keine persönliche Haftung für den Kredit. Aber er hat die Immobilie der Bank zu übergeben. Der Hausschlüssel wird der Bank zumeist per Brief geschickt. Die Bank kann dann die Immobilie versteigern lassen und den Erlös behalten.

Nun kommt das „non-recourse loan“ auch im Rahmen des Geithner Plan zum Einsatz. Die Regierung subventioniert den Kaufpreis

von „Altlasten“ (Darlehen-Bündel, also mit Hypotheken besicherten Wertpapieren) im Verhältnis 6 zu 1 (debt-to-equity ratio),

und

von „toxic assets“ (Wertschriften) im Verhältnis 2 zu 1 (equity funding).

Montag, 23. März 2009

Israel: Die Zentralbank senkt Zinsen weiter

Die israelische Zentralbank (BoI) hat heute ihren geldpolitischen Kurs weiter gelockert. Der Leitzins wurde um 25 Basispunkte auf 0,50% gesenkt. Damit hat die BoI seit September 2008 die Zinsen um insgesamt 375 Basispunkte zurückgenommen. Hauptgründe sind 1) der starke Abschwung der Konjunktur, 2) der weltweite Nachfrageausfall, 3) der Anstieg der Arbeitslosigkeit und 4) der abnehmende Inflationsdruck. Die israelischen Währungshüter gehen davon aus, dass die Inflation unter das Stabilitätsziel von 1-3% fallen wird.

Es ist zu erwarten, dass die BoI demnächst viel mehr die Politik der mengenmässigen Lockerung („quantitative easing“) betonen dürfte. Bereits im Februar hat die Zentralbank begonnen, am Sekundärmarkt Staatsanleihen aufzukaufen, um die Renditen am langen Ende der Renditekurve zu dämpfen.

Israels Zentralbank gab bekannt, dass der Konsumenten-Preisindex (CPI) im Februar um 0,1% zurückgegangen ist. In den vergangenen vier Monaten sind die Verbraucherpreise um 1,3% gesunken. Auf Jahresbasis beträgt die Teuerung 3,4%. In den ersten zwei Monaten des Jahres sind die Ausfuhren im Durchschnitt pro Monat um 8,3% zurückgegangen. In IV. Quartal 2008 ist der private Verbrauch um 3,1% geschrumpft. Die BoI hat ihre Wachstumsprognose für 2009 von Minus 0,2% auf Minus 1,5% revidiert.

Public-Private Investment Program

Das amerikanische Finanzministerium hat heute das „Public-Private Investment Program“ aufgelegt. Es geht um den Aufkauf von faulen Krediten und Schrottpapieren. Die Regierung stellt via FDIC zinsgünstige Darlehen zur Verfügung. US-Finanzminister Tim Geithner will also mit massiven Subventionen, die auch Ausfallgarantien enthalten, bis zu 1'000 Mrd. $ den Kauf von faulen Wertpapieren der Banken anregen. Ziel ist, Banken von den sog. giftigen Wertschriften („toxic assets“) zu befreien, um auf diese Weise die Bücher der Banken zu entlasten. Schätzungsweise befinden sich in den Bilanzen amerikanischer Banken Ramschpapiere im Wert von rund 2'000 Mrd. $. Die Regierung wird 75 bis 100 Mrd. $ aus ihrem früher verabschiedeten Rettungspaket TALF bereitstellen.


Toxic Asset Plan

Geithner will nicht, dass die Regierung alle Risiken übernimmt. Deswegen soll das Risiko gemeinsam mit dem Privatsektor geschultert werden. 820 Mrd. $ soll die amerikanische Einlagensicherungsbehörde FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) beisteuern. Hedge Funds und andere Investoren sollen sich mit 30 Mrd. $ daran beteiligen. Die Teilnahme privater Investoren am Programm soll laut Geithner den Mechanismus zur Preisbildung in Gang setzen.

Die entscheidende Frage ist aber, woher das US-Schatzamt weisst, dass die „toxic assets“ unterbewertet sind. Sind die Schrottpapiere tatsächlich unterbewertet?

Es sieht andererseits so aus, als ob die Investoren, die sich fürs Programm engagieren wollen, nicht viel zu verlieren hätten. Denn diese Investoren können beim Aufkauf fauler Kredite des „nonrecourse loan“ (Darlehen ohne Rückgriffsmöglichkeiten) bedienen, wie Paul Krugman in seinem Blog mit einem Zahlenbeispiel erläutert. Das „nonrecourse loan“ garantiert 85% des Kaufpreises der Vermögenswerte. Bisher haben Pimco und Blackrock angekündigt, an dem Programm teilnehmen zu wollen.

Sonntag, 22. März 2009

Türkei: Wie schlägt die Rezession ein?

Die türkische Zentralbank (CBT) hat in den vergangenen 5 Monaten ihre Leitzinsen um insgesamt 6,25% gesenkt. Die Währungshüter verfügen nach eigenen Angaben nach wie vor über Spielraum für weitere Zinssenkungen. Denn die Inflation bildet sich zurück. Der Konsumenten-Preisindex (CPI) ist im Februar annualisiert auf 7,7% gesunken. Hauptgrund ist der Preisrückgang für Energiegüter und Erdöl. Die CBT ist zudem sichtlich bemüht, die Auswirkungen der globalen Rezession auf die türkische Wirtschaft abzufedern. Wie weit ist aber die Türkei der weltweiten Kreditmarktkrise betroffen?


Inflation and interest rates, 2004-2009, Graph: Nomura Global Economics

Die türkische Wirtschaft ist zwischen 2002 und 2006 im Durchschnitt mit einer Rate von 7,2% gewachsen. Im Jahre 2007 ist das BIP-Wachstum auf 4,8% zurückgefallen. Verantwortlich dafür waren in erster Linie die politische Unsicherheiten in Folge der Wahlen und makroökonomische Normalisierung des Landes. Die wirklich drängende Frage ist daher, ob der Türkei im Sog des schweren Abschwungs der Weltwirtschaft nun eine neue Krise wie 2001 droht oder nicht?

Der weltweite Nachfrageausfall sorgt derzeit für eine signifikante Abnahme der Ausfuhren und den Abfluss der ausländischen Investitionen in der Türkei. Das reale BIP dürfte 2009 um 5% zurückgehen, schätzt Serhan Cevik, Analyst von Nomura Global Economics. „Wir erwarten keine Krise wie im Jahre 2001, aber wir rechnen mit einer tiefen Rezession“, schreibt Cevik in seiner aktuellen Analyse. Der Abschwung hat die Produktionslücke (output gap) ausgeweitet und den Disinflationsprozess beschleunigt. Die Disinflation ist mittlerweile breit fundiert. Infolge der Rezession hat sich ferner auch die Zahlungsbilanz korrigiert. Aufgrund der abnehmenden Einfuhren ist das Defizit der Leistungsbilanz von 49 Mrd. $ im August 2008 auf 41,6 Mrd. $ verringert. Die Entwicklung hebt der Nomura Analyst als „ermunternd“ hervor. Türkische Banken verfügen ausserdem über solide Bilanzen und haben keine Engagements in sog. „toxic assets“.

Freitag, 20. März 2009

A2/P2 Spread

Die Frage, ob es in der Wirtschaft eine Kreditklemme gibt oder nicht, lässt sich u.a. auch anhand der Lage am Markt für Commercial Paper beobachten. Mit A2/P2-Risikoaufschlag bietet sich da ein verlässlicher Indikator. Das ist der Aufschlag zwischen non-financial Commercial Paper (30 Tage) niedriger und hoher Qualität (Rating). Der Aufschlag steigt während einer Rezession, weil das Risiko eines Ausfalls (Default) für Papiere mit niedriger Bonität zunimmt. Der A2/P2-Spread erreichte im Vorjahr Rekordwerte über der 5,00% Marke. Mit dem Abklingen der Krise sollte der Spread sich aber zurückbilden.


30 Day A2/P2 less AA non-financial CP, Graph: Federal Reserve

Die Risikoprämie ist inzwischen unter 90 Basispunkte gesunken. Das markiert das tiefste Niveau seit Juli 2008 und ist eine positive Entwicklung. Der Markt für Commercial Paper schrumpfte aber nach Angaben von Morgan Stanley vergangene Woche um 7,5 Mrd. $ auf 1'470 Mrd. $. Das ist v.a. auf den ABCP-Sektor (Asset Backed Commercial Paper: Geldmarktpapiere, die durch Kreditmarktpapiere besichert sind) zurückzuführen, wo das Volumen (outstanding) um 17,3 Mrd. $ auf ca. 700 Mrd. $ abgenommen hat. Das Wachstum im CP-Sektor für Finanzunternehmen setzte sich jedoch fort. Das Outstandig ist um 10,8 Mrd. $ auf 587 Mrd. $ gestiegen.

Donnerstag, 19. März 2009

Türkische Zentralbank senkt Leitzinsen weiter

Die türkische Zentralbank (CBT) hat heute ihren geldpolitischen Kurs weiter gelockert. Der Tagesgeldeinlagensatz (overnight borrowing rate) wurde um 100 Basispunkte von 11,50% auf 10,50% gesenkt. Die CBT hat zugleich auch den Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) von 14,00% auf 13,00% reduziert.


CBT O/N Borrowing Rate, Graph: CBT

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Weltwirtschaftskrise hat der geldpolitische Ausschuss der türkischen Zentralbank den heutigen Zinsentscheid mit dem Hinweis auf die konjunkturelle Abschwächung weltweit begründet. Zudem gehe die Inflation zurück und die Produktionslücke weite sich aus. Die Nachfrage sei auch im Inland eingebrochen, hielt die CBT fest. Die türkischen Währungshüter betonten ihren Auftrag, für die Preisstabilität zu sorgen. In diesem Zusammenhang sei es auch wichtig, die negativen Auswirkungen der globalen Rezession auf die türkische Wirtschaft möglichst abzufedern.




Tagesgeld (overnight)in %
Einlagensatz10,50%
Ausleihsatz13,00%


US-Dollar/TRY: 1,7098
Euro/TRY: 2,3364
CHF/TRY: 1,521.

Fed-Sitzung vom 18. März: Kauf von Staatsanleihen

Die US-Notenbank (Fed) hat nach der Sitzung ihres Offenmarktausschusses gestern angekündigt, den Leitzins bei 0% bis 0,25% zu belassen und im Rahmen der unkonventionellen Geldpolitik („quantitative easing“) weiter Gelder in die Wirtschaft zu pumpen.

Die Fed will unter den gegebenen Umständen alle verfügbaren Mittel einsetzen, um die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben und Preisstabilität zu gewährleisten. Die Fed habe beschlossen, die Bilanz der Fed weiter zu vergrössern, indem sie


Reserve Market Rates, Graph: Fed St. Louis

1) langlaufende Staatsanleihen im Volumen von bis zu 300 Mrd. $ (in den kommenden 6 Monaten) kauft,
2) den Kauf von MBS (hypothekenbesicherten Wertpapieren) im Wert von bis zu 750 Mrd. $ (Die Totalsumme kommt auf 1'250 Mrd. $) fortsetzt,
3) den Kauf von GSE (Immobilienfinanzierer wie Fannie Mae und Freddy Mac) Anleihen von bis zu 100 Mrd. $ erhöht und
4) die Collaterals für TALF erhöht.

Laut Fed schrumpft die US-Wirtschaft weiter. Die schlechte Lage am Arbeitsmarkt sowie an der Börse und auf dem Immobilienmarkt belasten die Konsumausgaben der Haushalte. Die amerikanische Notenbank versucht, die Liquidität zu erhöhen, um die Zinsen am langen Ende zu senken, v.a. für Immobiliendarlehen. Das Ziel ist also, Kreditkosten zu reduzieren.

Reaktion der Märkte

Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen ist um 50 Basispunkte auf 2,50% gesunken. Auch die Rendite der 30-jährigen Treasuries fiel um einen halben Prozentpunkt auf 3,52%.

Auf dem Devisenmarkt kam es zu heftigen Bewegungen. Der Kurs des Euro legte um ca. 5% auf 1,3647 gegenüber dem Dollar zu.

Die Bilanzsumme der Fed ist seit mehreren Wochen rückläufig. Nachdem diese mit 2'300 Mrd. $ einen Spitzenwert erreicht hatte, beträgt sie heute 1'930 Mrd. $. Die Bilanzsumme dürfte sich jetzt erheblich erhöhen.

Fazit: Keine Entwarnung für die Konjunktur. Das war bestimmt nicht der letzte Pfeil im Köcher der Fed. Die EZB gerät immer stärker unter Zugzwang.

SNB: Keine Käselöcher in Geldpolitik

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat seit dem Ausbruch der anhaltenden Krise die monetären Bedingungen kräftig gelockert. Der Leitzins liegt mittlerweile mit 0,375% nahe bei Null. Über das Repogeschäft stellt die SNB praktisch kostenlos Geld zur Verfügung. Wie die Geldpolitiker am 12. März mitgeteilt haben, will die SNB mit allen Instrumenten, die in ihr Macht stehen,

1) Die Rezession abfedern,
2) Eine Deflation verhindern,
3) Den Franken schwächen.


Swiss Interest Rates, Graph: SNB
rot: repo o/n, grün: 3-Monats-Libor, blau: Rendite der Bundesobligationen

Seit dem Ende der klassischen Geldpolitik versucht die SNB mit aussergewöhnlichen Massnahmen (z.B. Aufkauf von Schweizer Franken Obligationen privater Schuldner) die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu mildern. Es ist ihr gelungen, seit einem Jahr den 3-Monats-Libor von 3% auf unter 0,5% zu senken.

Die SNB rechnet mit einem Einbruch des realen BIP um 2,5 bis 3% in diesem Jahr und betont zugleich das Risiko einer Deflation für die 3 nächsten Jahre.

Die Notenbankgeldmenge hat sich in einem Jahr beinahe verdoppelt. Die SNB unterstreicht ihren Auftrag, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Lage Rechnung zu tragen. Das heisst, dass die SNB sowohl Deflation als auch Inflation vermeiden will.

Es ist daher darauf Verlass, dass die SNB den Willen und die Fähigkeit hat, die Liquidität rechtzeitig wieder abzuschöpfen. Die Rücknahme der Liquidität ist technisch nicht schwierig. Der Grossteil befindet sich ohnehin nur kurzfristig im Markt und läuft gemäss Definition aus.

Die SNB kann zudem, sobald sie Anzeichen einer konjunkturellen Wende erkennt, die Anleihen, die sie am offen Markt aufgekauft hat, wieder verkaufen und/oder bis zum Ende der Fälligkeit zu halten. Es ist SNB-Team weiter zuzutrauen, dass es auch die kurzfristigen Zinsen wieder anheben wird, wenn es soweit ist. Die Nationalbank hat bisher eine sehr gute Arbeit geleistet.

Mittwoch, 18. März 2009

Finanzinnovationen: Fallbeispiel AIG

Die Theorie, die hinter Finanzinnovationen steckt, besagt, dass die neuen Finanzierungsinstrumente 1) die Geldbeschaffungskosten an den Kapitalmärkten senken, 2) zusätzliche Liquidität bereitstellen, und 3) Risiken breit verteilen. Es gibt in dieser Hinsicht grundsätzlich zwei Entwicklungstrend: 1) Verbriefung (securitization) und 2) Swaps.

Der Fall AIG belegt aber in aller Offenheit, dass die Kreditderivate (hier CDS) keineswegs zur Risikostreuung beigetragen haben. Ganz im Gegenteil. Brad Setser verweist in seinem Blog auf einen Beitrag in Financial Times aus London. Es geht dabei um die gewichtige Rolle der AIG im Markt für Credit Default Swap (CDS). Die AIG gehört zu den grössten Anbietern der Versicherungen für Kreditausfälle. Wegen der enormen Verpflichtungen in Sachen Kreditausfall-Derivaten geriet der Versicherungskonzern im September an den Rand des Zusammenbruchs.

Das Unternehmen hat CDS-Versicherungen im Volumen von 441 Mrd. Dollar ausgestellt. Wäre die AIG Konkurs gegangen, wären all diese CDS wertlos gewesen. Deshalb hat die US-Regierung rund 160 Mrd. $ in den Versicherungskonzern gepumpt. Die AIG gehört indes zu 80% dem amerikanischen Staat. Mehr als 90 Mrd. $ der staatlichen Hilfe hat die AIG bereits an diverse Banken fliessen lassen. Unter den Profiteuren befinden sich viele europäische Banken wie Deutsche Bank, Societe Generale, BNP Paribas, Barclays, Royal Bank of Scotland, UBS, Goldman Sachs und Bank of America.

Auf dem Papier haben also all diese Banken ihre Kreditrisiken auf Hypothekendarlehen ausgelagert und sich bei der AIG abgesichert, indem sie CDS gekauft haben. Die AIG hat also praktisch für die gesamte Wall Street (oder besser gesagt Schatten Banken System) CDS-Kontrakte ausgestellt. Ein Kontrakt nach dem anderen. Die Banken haben zwar sowohl den Kredit als auch das Kreditrisiko verkauft, aber sie haben sich alle bei der AIG mit identischen Produkten abgesichert. Das Risiko ist beim Versicherungskonzern konzentriert worden. Das bedeutet keine Risikostreuung, sondern Risikoakkumulation. Die AIG war also laut Setser „the insurer-of-last resort“ für die Finanzwelt.

Fazit: Ist der Finanzmarkt fähig für Innovationen? John Kenneth Galbraith glaubt nicht daran, dass der Finanzmarkt sich für Innovationen eigne. Es geht zumeist um einen neuen Wein in alten Schläuchen.

CDS: Derivate für Zocker

Der legendäre US-Investor Warren Buffet bezeichnete einst die Derivate als Massenvernichtungswaffen der Finanzmärkte. Der amerikanische Buchautor Nassim Taleb sagte neulich, um die Logik dieser Produkte zu beschreiben, dass es so sei, als würde man eine Versicherung für die Titanic kaufen von jemandem auf der Titanic. Paul Krugman fragte kürzlich in seinem Blog zu Recht, ob die Käufer von CDS für US-Treasuries nicht realisieren, dass die Kontrakte im Falle der Zahlungsfähigkeit der USA von den Versicherungsgebern wahrscheinlich nicht beglichen würden.

Börsianer kaufen und verkaufen Aktien, weil sie denken, dass die einschlägige Aktie im Kurs steigen oder sinken wird. Dasselbe gilt auch für die CDS. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Misstrauen, dass Schuldner nicht zahlen könnten, im Zuge der anhaltenden Krise massiv zugenommen hat. Die Kosten für die Absicherung von Kreditrisiken (CDS) für Staaten und Privatunternehmen sind durch die Decke geschossen. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Käufer von CDS nicht daran glaubt, dass die entsprechenden Staatsanleihen tatsächlich ausfallen („Credit Event“) würden.

US-Dollar Swaps

US-Staatsanleihen gelten mit einem Rating von „AAA“ weltweit als risikolose Wertpapiere. Zur Zeit liegt aber die Rendite der 30-jährigen US-Treasuries mit 3,802% höher als die Rendite der 30-jährigen Swaps (3,459%). Das heisst, dass die Marktteilnehmer den amerikanischen Staatspapieren derzeit mehr Kreditrisiko beimessen als den Swaps. Das ist bizarr! Welche Fundamentaldaten stecken aber dahinter? Gar keine. Es sind nur technische Gründe, die im Sog der anhaltenden Krise zu dieser sonderbaren Situation geführt haben.

Swaps sind Vereinbarungen zwischen zwei Vertragsparteien über den künftigen Austausch von Cash Flows. Der Swap-Satz ist der Preis, zu dem die Banken untereinander feste in variable Zinszahlungen tauschen.

Dienstag, 17. März 2009

Risikoaufschläge am Geldmarkt

TED-Spread: 1,0653%,
(Jahreshoch: 4,64% im Okt.),
Im lfr. Durchschnitt (5 J): 0,31%.

LIBOR-OIS-Spread: 1,1550%,
(Jahreshoch: 3,640% im Okt.),
Im lfr. Durchschnitt (5 J): 0,11%.

Der TED-Spread (Spread für unbesicherte Kredite) ist auf 1,065% gestiegen.

Der Libor-OIS-Spread (Spread für besicherte Kredite) kletterte etwas kräftiger auf 1,1550%.


TED-Spread, Graph: bloomberg.com

Die beiden Spreads, die als Stressausmass am Geldmarkt gelten, sind vor rund 2 Monaten erstmals seit der Lehman-Pleite unter die Marke von 1,0% gesunken. Das deutet zwar auf eine Entspannung hin. Aber die Risikoaufschläge sind dennoch von der Normalisierung weit entfernt. Seit der vergangenen Woche notieren sie jedoch erneut über die Marke von 1 Prozent. Das Problem ist, dass der Bedarf an fiskal- und geldpolitische Stimulation bestehen bleibt, solange die Kreditmärkte nicht auftauen.

Montag, 16. März 2009

Fed-Chef Ben Bernanke: Ende der Rezession noch in diesem Jahr möglich

US-Notenbankchef Ben Bernanke sagte, dass ein Ende der schweren Rezession in den USA bereits in diesem Jahr möglich ist. „Nächstes Jahr werden wir dann eine Erholung erleben“, bekräftigte Fed-Chef in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CBS.

Hier ist der Link zum Interview: watch video.


Die Gesundung der Wirtschaft hänge jedoch von einer Stabilisierung des Finanzsystems ab, betonte Bernanke.

Schweizer Franken Abwertung:
Osteuropa erfreut

Der Schweizer Franken hatte sich in den vergangenen sechs Monaten um ca. 8% gegenüber dem Euro aufgewertet. Grund: Die anhaltende Wirtschaftskrise. Da der Franken im allgemeinen als Hort der Sicherheit gilt, suchen internationale Investoren in Krisenzeiten besonders gern Schweizer Franken. Am vergangenen Donnerstag hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) mitgeteilt, dass die wirtschaftliche Lage sich seit Dezember 2008 deutliche verschlechtert hat und für die nächsten 3 Jahre das Risiko einer Deflation besteht. Deswegen kündigte die SNB eine „kräftige Lockerung der monäteren Bedingungen“ an. Die SNB habe zudem beschlossen, eine weitere Aufwertung des Franken gegenüber dem Euro zu verhindern.


€/CHF Exchange Rate (1 Month), Graph: swissquote.ch

Nachdem die Schweizer Währungshüter am Devisenmarkt interveniert haben, hat der Franken in der vergangenen Woche gegenüber dem Euro 5% an Wert verloren. Die Abwertung wurde in Osteuropa mit Freude wahrgenommen, da sich Unternehmen und Haushalte in dieser Region wegen der niedrigen Schweizer Zinsen in Franken verschuldet hatten. Die überschuldeten osteuropäischen Konzerne haben gewaltige Mühe, ihre Kredite zurückzuzahlen. Und die Banken Osteuropas stecken in grossen Refinanzierungsschwierigkeiten.

Shareholder-Value: Die blödeste Idee der Welt

Jack Welch, der frühere Chef des US-Elektrokonzerns General Electric (GE) sagte in einem Interview mit Financial Times (FT), dass Shareholder Value die blödeste Idee der Welt sei.

Welch galt bislang als einer der Verfechter dieses ideologischen Konzeptes, welches in den 1990er Jahren als „tragendes Element in der Wirtschaft“ hemmungslos befolgt wurde. Die Äusserungen des 73 alten Mannes, der einst zu den härtesten Managern der Welt zählte, klingen heute zwar reumütig, aber sie kennzeichnen eigentlich das Ende einer Ära („Nepper, Schlepper und Bauernfänger“), in der die Gesellschaft als Teil der Wirtschaft betrachtet wurde. Es gilt aber umgekehrt. Nicht der Mensch ist für die Wirtschaft da, sondern die Wirtschaft für den Menschen. Deswegen will die Obama-Administration das soziale Kapital pflegen.

Sonntag, 15. März 2009

BoE und SNB mit QE

Die Bank of England (BoE) hat diese Woche begonnen, am offenen Markt britische Staatsanleihen zu kaufen. Ziel ist, Geschäftsbanken Liquidität zuzuführen, und zugleich dafür zu sorgen, dass die Renditen fallen. Damit die Refinanzierungskosten der Banken sinken. Es geht um Renditen am langen Ende. Denn mit der herrkömlichen Zinspolitik können die Notenbank die Zinsen am kurzfristigen Ende beeinflussen. Die Kreditzinsen am Markt orientieren sich aber am risikolosen Zins der Staatsanleihen. Sinkt die Rendite der Staatspapiere, sinken mit der Zeit i.d.R. auch die Zinsen am Kreditmarkt, z.B. für Hypotheken. Deshalb wird die aktuelle Geldpolitik, die im Sog der gegenwärtig anhaltenden Krise zur Anwendung kommt, „quantitative easing“ (d.h. "mengenmässige Lockerung“) genannt.


Total Borrowing of Depository Institutions from the Fed, Graph: Fed St. Louis

Die BoE hat als erste in Europa begonnen, Staatsanleihen am Sekundärmarkt aufzukaufen. Am Donnerstag hat auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) angekündigt, auf die Politik der „mengenmässigen Lockerung“ einzuschwenken. Kauft die SNB Staatspapiere und/oder Franken-Obligationen privater Schuldner, steigt der Kurs der Anleihen. Und die Renditen fallen, was dämpfend auf den Kreditmarkt auswirken soll. In den USA kauft die Fed bereits seit geraumer Zeit Commercial Papers (kurzfristige Schuldverschreibungen von Unternehmen) auf, um die Rezession abzumildern. Die EZB bleibt bisher gegenüber diesem Ansatz einer „alternativen Geldpolitik“ skeptisch.

Kontroverse Punkte der unkonventionellen Geldpolitik: 1) Die Auswirkungen die Inflation, da die monätere Basis sich ausweitet. 2) Das Fehlen von Erfolgskriterien. Es ist ein metrisches Problem: Was heisst das, wenn die Fed ankündigt, für 500 Mrd. $ MBS der Agenturen (GSE) zu kaufen? Oder wenn die BoE Gilts für zuerst 75 Mrd. £ kaufen will? In Bezug auf die Transparenz, was die Bilanz der Fed betrifft, besteht kein Problem. Aber wie ist die „mengenmässige Lockerung“ in Form des Leitzinses (z.B. Fed Funds Rate) zu messen? Anders gefragt: Bedeutet der Aufkauf von MBS im Wert von 500 Mrd. $ am Markt durch die Fed eine Zinssenkung um 50 Basispunkte? Oder mehr? Die Fed will nicht nur das verfügbare Kreditvolumen erhöhen, sondern zugleich auch dessen Kosten senken. Goldman Sachs rechnet z.B. aus, dass der Aufkauf von Anleihen im Volumen von 1'000 bis 1'600 Mrd. $ einer Fed Funds Rate Senkung um 100 Basispunkte entspricht. Es geht also um die Frage des Multiplikators. Am Ende kommt es also darauf an, wie schnell die Zentralbanken anfangen, die Liquidität abzuschöpfen. Die Rücknahme der Liquidität ist aber technisch nicht schwierig. Der Grossteil davon ist kurzfristig am Markt und hat eine beschränkte Laufzeit. Die Notenbanken können die Bilanzsumme wieder reduzieren, indem sie die Anleihen, die sie aufgekauft haben, verkaufen und/oder bis zum Ende der Fälligkeit halten.

Samstag, 14. März 2009

China fordert Garantie für US-Staatsanleihen

China hat weltweit den grössten Bestand an US-Staatspapieren. Die chinesische Regierung legt die Einnahmen durch die Ausfuhren in die US-Treasuries an. Warum? Weil die amerikanischen Staatsanleihen weltweit die sichersten und die liquidesten Anleihen der Welt sind. Zu Verlusten kommt es nur, wenn 1) der US-Dollar sich abwertet und 2) die Anleihenpreise zurückgehen. Der Fall 2) ist nicht so schlimm, wenn der Investor (hier China) die Anleihen bis zum Ende der Laufzeit hält. US-Staatsbonds stellen im allgemeinen einen Hort der Sicherheit dar. Dennoch hat Wen Jiabao, Chinas Ministerpräsident Bloomberg zufolge verlauten lassen, dass er um seine Investitionen in US-Staatsanleihen besorgt sei. Er fürchtet Verluste. Jiabao erwarte, dass die USA die Sicherheit der chinesischen Vermögenswerte garantiere. China ist der grösste Gläubiger der USA. Der Bestand an US-Treasuries ist 2008 um 46% auf 696 Mrd. $ gestiegen. Chinas Devisenreserven belaufen sich laut Bloomberg auf 1'950 Mrd. $.

CDS für Staatsanleihen

Zunächst einmal gilt es, festzuhalten, dass China in US-Staatsanleihen bisher „nur“ Buchverluste schreibt. Konkret hat der chinesische Staat wegen der Investitionen in die Blackstone Group, eine börsenkotierte US-Investmentgesellschaft mit Sitz in New York City und die Texas Pacific Group (TPG), ein Venture Capital Beteiligungsunternehmen Geld verloren. Das chinesische Engagement in US-Staatsbonds ist offensichtlich auf Sicherheitsüberlegungen zurückzuführen. Es handelt sich dabei also nicht um spekulative Anlagen. Es besteht dennoch die Möglichkeit, die Staatspapiere mit Credit Default Swaps (CDS) abzusichern.

Die Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte auf Treasuries im Wert von 10 Mio. € sind zu Beginn dieser Woche auf rund 100 Basispunkte gestiegen. Das heisst, dass Investoren 1% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben m.a.W. 100’000 Euro zu zahlen, um amerikanische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern. Da Chinas Bestand an US-Treasuries ca. 700 Mrd. $ beträgt, müsste das Land rund 70'000 CDS-Kontrakte kaufen. Der Preis je 100'000 €. Das würde ein Betrag von rund 7 Mrd. € bedeuten. Sieben Milliarden Euro! Peking würde sich dann fragen, ob es sich überhaupt lohnt, so viel Geld für eine Versicherung auszugeben? Die andere ist aber, ob es überhaupt realistisch ist, zu erwarten, dass die CDS-Kontrakte erfüllt würden, wenn die USA in Zahlungsschwierigkeiten geräten. Die Verkäufer der CDS-Kontrakte sind schliesslich private Banken und/oder Versicherungsgesellschaften, die nicht eine bessere Bonität (Rating) haben als der amerikanische Staat. China ist weltweit das einzige Land, das die Sicherheit der US-Treasuries in Frage stellt. China kann froh sein, dass die Zinsen in den USA nicht steigen und der Dollar sich nicht abwertet. China zählt übrigens zu den grössten Gewinnern der Massnahmen, welche die Bush-Regierung ergriffen hat, indem sie die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac unter die staatliche Zwangverwaltung gestellt hat. Peking hat einen Bestand von rund 340 Mrd. $ an den sog. GSE. Wer in der Krise solide Bollwerke sucht, wird bei den Treasuries fündig.

Vor dem Ausbruch der Kreditmarktkrise im Juli 2007 notierten die Risikoprämien für Kreditabsicherungen auf 10jährige US-Staatsanleihen noch unter 2 Basispunkten. Zu Jahresbeginn 2008 lagen sie bei 7 Basispunkten.

Yuan hat sich seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar um 0,2% abgewertet. Gegenüber dem Euro legte die chinesische Währung um 8,6% zu.

Freitag, 13. März 2009

Animal Spirits

Buchbesprechung:

George A. Akerlof and Robert J. Shiller: Animal Spirits. How Human Psychology Drives The Economy, and Why it Matters for Global Capitalism. Princeton University Press, Princeton and Oxford, 2009.


Was für Adam Smith eine unsichtbare Hand“ ist, ist für John Maynard Keynes animal spirits“. Es handelt sich dabei um menschliche Verhaltensweisen, die in die Modellwelt der Wirtschaftswissenschaftler nicht integriert sind. Viele ökonomische Aktivitäten werden aber von „animal spirits“, d.h. von Instinktverhalten gesteuert. Menschen haben nicht wirtschaftliche Motive. Es geht vielmehr um Emotionen und psychologische Faktoren. Die zentrale Annahme der klassischen Wirtschaftstheorie wird also in diesem Werk in Frage gestellt. Robert Shiller ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni Yale. In diesem Buch unternimmt Shiller mit George Akerlof, ebenfalls Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni California, Berkeley den Versuch, Keynes’ Konzept in die Welt der „Verhaltensekonomik“ („behavioral economics“) zu binden. Heute sei eine viel grössere Klarheit über die psychologischen Hintergründe des Instinktverhaltens möglich.

Im ersten Abschnitt des Buches beschreiben die Autoren die 5 Aspekten von „animal spirits“: 1) Vertrauen und dessen Multiplikatoren, 2) Fairness, 3) Korruption und Bösgläubigkeit, 4) „Money Illusion“, und 5) Erzählungen. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise hat zweifelsohne eine Renaissance der Keynes’schen Wirtschaftspolitik hervorgerufen. Die klassische Theorie postuliert, dass die Finanzmärkte stabil sind. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise belegt aber, dass das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes sich als töricht erwiesen hat. Es gibt so was wie „Marktdisziplin“ nicht. Sich selbst überlassen, tendieren Märkte nicht zum Gleichgewicht. Die Folgen sind schwere Exzesse für die Öffentlichkeit. Mittels „Subprime-Sektor“ hat der Markt „Nepp und Unwirksames“ produziert und vermarktet. Der Marktfundamentalismus („Theorie des vollkommenen Wettbewerbs“) hat kläglich versagt. Die Krise hat mittlerweile solche Ausmasse erreicht, dass es nicht anstössig ist, zu fragen, wie sich die freie Marktwirtschaft des kapitalistischen Systems vor den Banken retten lässt. Finanzhäuser dürfen nicht mehr in der Lage sein, die Stabilität des ganzen Systems zu gefährden. Deshalb bedarf es Regulierung für die Wertpapiermärkte, fordern Shiller und Akerlof. Die beiden Autoren halten zudem fest, dass der Staat zweitens die Aufgabe hat, mit Steuer- und Geldpolitik Vollbeschäftigung zu bewahren.

US-Präsident Barack Obama sagte in seiner ersten Rede vor den beiden Kammern des Kongresses in Washington: „Wir lebten in einer Ära, in der zu oft kurzfristige Gewinne höher geschätzt wurden als langfristiges Wachstum“. Überschüsse seien dazu genutzt worden, die Reichen reicher zu machen anstatt darin eine Chance für Investitionen in die Zukunft zu sehen. Regulierungen seien zugunsten rascher Profite und auf Kosten eines gesunden Marktes eingeschränkt worden.
Shiller und Akerlof behandeln im zweiten Abschnitt dieses hervorragenden Buches in Form von „8 Fragen und 8 Antworten“ die praktischen Themen der Wirtschaft im Spannungsverhältnis zum Menschen. „Warum Volkswirtschaften in Depression fallen“, „Warum Zentralbanken Macht über die Wirtschaft haben“, „Was in der aktuellen Finanzkrise zu tun ist“, „Warum es Menschen gibt, die keinen Job finden“, usw. Auch die kurze Beschreibung der beiden Depressionsphasen der US-Wirtschaft (1890 und 1930) ist sehr aufschlussreich.

Die Botschaft des Buches dürfte lauten: Die Märkte in den Dienst der Menschen stellen. Die „Laissez-faire Politik“, die in den 1980er Jahren während der Reagan-Amtszeit in den USA und während der Thatcher-Amtszeit in Europa politisch zu einem beherrschenden Glaubensbekenntnis erkoren wurde, stellte die Gesellschaft in den Dienst der Wirtschaft. Diese Ära („Nepper, Schlepper und Bauerfänger“) ist nun vorbei. Die Menschen dürfen nicht mehr dazu verlockt werden, unter dem Label „innovative Finanzprodukte“, welche mit viel Alphas, Betas und Deltas geschmückt werden, Nepp („snake oil“) zu kaufen. Der Mensch ist nicht für die Wirtschaft da, sondern die Wirtschaft ist für den Menschen da. Schliesslich steht der Mensch im Mittelpunkt der Verfassung eines jeden Rechtsstaates. Ein hochinteressantes Buch, das die herrschende spekulative Zockermentalität in der Finanzwelt gewaltig entlarvt.

Cezmi Dispinar

Ausmass der Krise

Die Auftragseingänge der Industrie sind in Deutschland im Januar gegenüber dem Vorjahr um fast 40% gesunken. Der Rückgang im Vergleich zum Vormonat beträgt 8 Prozent.

Der Index erfasst fest akzeptierte Neuaufträge von Unternehmen. Es wird zwischen Inlands- und Auslandsaufträgen unterschieden. Bei den Auftragseingängen wird nur das verarbeitende Gewerbe berücksichtigt. Beim Auftragseingangsindex handelt es sich um Daten, die der Konjunktur vorweg laufen.

Donnerstag, 12. März 2009

Schweizer Nationalbank senkt Leitzins – Deflation im Anmarsch

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat heute das Zielband für den 3-Monats-Libor mit sofortiger Wirkung um 25 Basispunkte (0,25%) auf 0%-0,75% gesenkt. Die SNB betonte die Notwendigkeit einer kräftigen Lockerung der monetären Bedingungen. Die Schweizer Währungshüter haben dafür im besonderen zwei Gründe hervorgehoben: 1) Die wirtschaftliche Lage hat sich seit Dezember 2008 deutlich verschlechtert. Für die 3 nächsten Jahre besteht Deflationsrisiko. 2) Die SNB will eine weitere Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro verhindern.

SNB Interest Rate, Graph: bloomberg.com

Fazit: Die Nationalbank trägt mit diesen „aussergewöhnlichen Massnahmen“ dazu bei, die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu mildern und schränkt das Risiko einer Deflation ein. Die Zeiten der konventionellen Geldpolitik sind vorbei. Die SNB hat den Konjukturverlauf nicht verschlafen. Die Schweizer Geldpolitiker sind hellwach und sie gehen jetzt dazu über, am offenen Markt Schweizer Franken Anleihen privater Schuldner zu kaufen, um auf diese Weise die widrigen Konditionen am Kapitalmarkt zu lockern.

Credit Default Swaps für Schweizer Staatsanleihen

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat der Schweiz vergangene Woche gute Noten erteilt. Der IWF überprüft seine Mitgliedsstaaten jährlich. Die geldpolitischen Massnahmen der Schweizerischen Nationalbank ( SNB) wurden positiv beurteilt. Auch die Vorkehrungen zur Stabilisierung des Finanzsystems sind zustimmend gewürdigt worden. Die IWF-Delegation fand schliesslich für die bisher geschnürten zwei Konjunkturpakete lobende Worte. Aber es ist klar, dass auch die Schweiz als offene Volkswirtschaft von der Krise erfasst worden ist. Die Ausfuhren gehen zurück. Die Investitionen werden gekürzt. Sollte die Arbeitslosigkeit weiter steigen, dürfe auch der private Verbrauch davon negativ tangiert werden.

CDS-Markt: Kein Herz für Staatsanleihen

Der Schweizer Franken gilt als einen sicheren Hafen in Krisenzeiten. Da das Kursrisiko begrenzt ist, geniessen Investoren weltweit einen gewissen Schutz. Das Vertrauen in Länder wird aber neuerdings v.a. an den Risikoprämien an Derivatenmärkten (wie z.B. für Kreditversicherungen gegen Ausfall von Staatsanleihen) gemessen. Die Risikoaufschläge am CDS-Markt für die „Eidgenossen“ senden zur Zeit Warnsignale. Die CDS-Spreads für die Schweiz sind seit Oktober insbesondere angesichts des UBS-Schlammassels mittlerweile auf 180 Basispunkte geklettert. Das heisst, dass Investoren 1,8% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 180’000 Euro zu zahlen, um Schweizer Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern. Wie gross ist aber die Wahrscheinlichkeit, dass der entsprechende Versicherungskontrakt, wenn der Schweizer Staat bankrott erklärt, bedient wird. Wie realistisch ist es m.a.W., anzunehmen, dass der Versicherungsgeber (das sind zumeist Banken und Versicherungsgesellschaften) noch in der Lage wäre, den CDS-Kontrakt zu erfüllen, wenn nicht einmal der Schweizer Staat zahlungsfähig wäre? Absurde Gedanken, oder? Die CDS-Spreads sind also mit Vorsicht zu geniessen. Auch am relativ neuen CDS-Markt wird nichts so heiss gegessen, wie es gekocht wird.

Mittwoch, 11. März 2009

Staatsbankrott? Risikoaufschläge für Staatsanleihen auf Rekordhoch

Die Weltwirtschaft befindet sich synchron in einer schweren Rezession. Die USA, Euroland und Japan sind von der schlimmsten Krise seit der "Grossen Depression" (1929/30) gleichzeitig erfasst. Staaten wie die USA versuchen, mit milliardenschweren Programmen die Konjunktur zu beleben und die Nachfrage anzukurbeln. Die Geldspritzen bedeuten, dass die Bilanzsumme der Notenbanken anschwillt. Zugleich steigen Staatsschulden. Die Vermögenswerte nehmen ab. Je düsterer aber die Konjunkturaussichten werden, desto mehr verlangen Investoren nach Sicherheit.

Die Credit Default Swaps (CDS), die Prämien für Kreditausfallversicherungen schiessen deshalb durch die Decke. Für Österreich ist der Risikoaufschlag am CDS-Markt so hoch (264,1 Basispunkte), dass in Europa das Gespenst des Staatsbankrotts umgeht. Die Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte auf US-Treasuries sind am vergangenen Freitag erstmals auf 100 Basispunkte gestiegen. Damit liegen sie höher als die CDS auf Staatsanleihen aus Deutschland, Finnland und Norwegen. Die CDS-Spreads für amerikanische Staatsanleihen sind heute siebenmal höher als vor einem Jahr. Die Kosten der Absicherung einer Forderung von 10 Mio. Euro gegen den Ausfall von US-Treasuries kostet gegenwärtig 60% mehr als zu Beginn des Jahres. Der rasante Anstieg der Risikoprämien für Kreditabsicherungen (CDS) unterminieren die Hoffnungen auf eine Erholung der Kreditmärkte. Der CDS-Markt ist jedoch ein relatives neues Phänomen und neue Rekordstände sind daher nicht ungewöhnlich. Da die Risiken, die der Kreditmarktkrise zugrunde liegen, auf die Schultern der Staaten verlagert werden, ist es im besonderen nicht erstaunlich, dass das Länderrisiko in den Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit gerät. Die Regierungen sind derzeit die einzigen Marktteilnehmer, die Geld ausgeben, um die Nachfrage zu stimulieren. Folglich werden die Staatshaushalte belastet. Das Staatsdefizit in den USA wird auf 1'750 Mrd. $ geschätzt. Die Staatsschulden kletterten per Ende Januar 2009 auf 10'600 Mrd. $. Was geschieht nun? Werden die Defizite von den Zentralbanken monetesiert, besteht auf lange Sicht sicherlich eine Inflationsgefahr. Werden die Defizite über Schulden finanziert, steht das Länderrisiko im Mittelpunkt. Gemeint ist die Insolvenzfrage.

Die entscheidende Frage ist aber, ob und wie es möglich sein wird, die Liquidität rechtzeitig wieder abzuschöpfen. Die Rücknahme der Liquidität ist laut SNB technisch nicht schwierig. Denn der grösste Teil ist kurzfristig im Markt und hat per definitionem nur eine beschränkte Laufzeit. Der Interbankengeldmarkt ist ja bekanntlich zum Erliegen gekommen. Ohne die Notenbanken funktionieren heute die Geldmärkte sonst nicht. Die Zentralbanken können also die Bilanzsumme wieder reduzieren. Sie können die Anleihen, die sie angekauft haben, a) wieder verkaufen, b) bis zum Ende der Laufzeit halten und c) die Liquiditätsprogramme (wie z.B. TAF) einstellen.

China: Preisentwicklung signalisiert Deflation

Die chinesischen Verbraucherpreise (CPI) sind im Februar 2009 auf Jahresbasis um 1,6% gesunken. Das ist der erste Rückgang seit mehr als 6 Jahren. Auch die Erzeugerpreise (PPI) sind um 4,5% zurückgegangen. Damit signalisiert die Preisentwicklung tendenziell eine Deflation. Die graduelle Aufwertung der Landeswährung dürfte zudem weiter dämpfend auf die importierte Inflation wirken.

Die sich täglich verschärfende globale Rezession (USA, Euroland, Japan) stellt für China eine grosse Herausforderung dar. China’s Exportanteil am BIP stieg laut Stephen Roach, dem Chairman Morgan Stanley Asia in den vergangenen sechs Jahren von 20% auf 36%. Im Zuge des brutalen Einbruchs der weltweiten Nachfrage legte die chinesische Industrieproduktion im Dezember jedoch um nur 5,7% zu. Weit hinter dem Durchschnitt von 16,5% in den vergangenen 5 Jahren. Das reale BIP-Wachstum betrug 2008 lediglich 6,8%. Roach empfiehlt China, sich von dem exportangetriebenen Wachstumsansatz zu verabschieden, und sich auf die Stärkung der Dynamik der Binnennachfrage zu konzentrieren, um langfristig ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen.

Türkei: Leistungsbilanz-Überschuss - Erstmals seit 5 Jahren

Die Türkei hat in den vergangenen drei Jahren stets gute volkswirtschaftliche Daten geliefert. Die Devisenreserven sind erheblich angestiegen. Das Defizit der Handelsbilanz hat sich signifikant reduziert. Die Inflationsrate ist unter die Marke von 10% gesunken. Das BIP ist allerdings im IV. Quartal im Sog der weltweiten Rezession um ca. 4% geschrumpft. Aufgrund der abnehmenden Energiepreise verfügt die Zentralbank dennoch über Spielraum, um die Geldpolitik weiter zu lockern. Nachdem in den vergangenen zwei Wochen die Währungen Osteuropas brutal unter die Räder gekommen sind, ist nun auch der türkische Devisenmarkt von der Krise erfasst worden. Die türkische Notenbank (CBT) hat vorgestern im Markt interveniert, um eine weitere Abwertung der Lira zu verhindern. Mit Erfolg. Die Lira hat sich von 1,81 Dollar je Lira wieder auf 1,7577 Dollar erholt.

Die Kapazitätsauslastung ist im Februar auf 63,8% zurückgegangen (Febr. 2008: 79,3%). Die Industrieproduktion ist im Januar um 21,3% eingebrochen (Jan. 2008: +11,6%). Verantwortlich dafür ist die weltweit stark eingebrochene Nachfrage. Das sind sicherlich keine erheiternde Zahlen. Dennoch gab es eine positive Entwicklung. Auf Monatsbasis hat die Leistungsbilanz ertsmals seit 5 Jahren einen Überschuss aufgewiesen. Im Januar ergab sich in der Leistungsbilanz einen Überschuss von rund 300 Mio. $. Auf Jahresbasis ist das Leistungsbilanz-Defizit damit auf 37 Mrd. $ zurückgefallen.

Dienstag, 10. März 2009

AIG: Wo Steuergelder versinken

Der Zombie US-Versicherer American International Group (AIG) gehört inzwischen zu 80% dem amerikanischen Staat. Im IV. Quartal 2008 hat die AIG mit 60 Mrd. $ Verlust das grösste Minus, das ein amerikanisches Unternehmen je erwirtschaftet hat, verbucht. Der Jahresverlust betrug rund 100 Mrd. $. Die US-Regierung hat bisher 160 Mrd. $ in die Versicherungsgesellschaft gepumpt. Weitere 60 Mrd. $ an Finanzhilfe sind noch in Vorbereitung.


Die AIG gilt als einer der grössten Netto-Verkäufer von CDS-Versicherungen. Das sind Absicherungen von Kreditderivaten. Die Summe der Credit Default Swaps (CDS) in den AIG-Büchern belief sich vor dem Ausbruch der Krise auf rund 440 Mrd. $. Das war doppelt so hoch wie der Unternehmenswert (gemessen an Marktkapitalisierung). Zu den Kunden zählen europäische Banken und US-Investmenthäuser. Die Sicherungsnehmer fordern jetzt ein Pfand (Collateral), weil der Wert ihrer Positionen fällt. Die Zombie bekommt vom Staat Gelder, um als Sicherungsgeberin ihre Gegenparteien zufriedenzustellen. Damit die Kontrahenten der AIG keine Verluste machen, tragen die Bürger die Verluste. Die Steuerzahler haften also für die Verluste der Gegenparteien der AIG. Nach aktuellen Daten gingen bisher rund 50 Mrd. $ auf das Konto von Gegenparteien. Die Tendenz ist steigend. Fed-Chef Ben Bernanke sagte, dass er „sehr verärgert“ über die Situation bei der AIG sei: „If there is a single episode in this entire 18 months that has made me more angry, I cannot think of one other than AIG“.

Fazit: Das wichtigste Kapital einer Bank ist Vertrauen. Wenn es weg ist, dann kann die Bank nicht weiterarbeiten.

Sonntag, 8. März 2009

US-Arbeitsmarktbericht: Arbeitslosenquote steigt auf 8,2%

Die US-Wirtschaft hat im Februar mehr als 650'000 Stellen verloren. Die Arbeitslosenquote kletterte von 7,6% auf 8,2%. Das entspricht dem höchsten Stand seit 25 Jahren. Die Anzahl der von Unternehmen abgebauten Stellen wurde vom Arbeitsministerium für Januar und Dezember auf jeweils 598'000 und 577'000 Stellen korrigiert. Seit Beginn der Rezession gingen indes 4,4 Mio. Jobs verloren. In den USA leben demnach derzeit so viele Arbeitslose wie die gesamte Bevölkerung von Norwegen.


Civilian Unemployment Rate, Graph: Fed St. Louis

Samstag, 7. März 2009

EZB: Aktuelle Zinssätze und Prognosen

1) Marginal lending facility: 2,5%

Spitzenrefinanzierung: Der Zinssatz, zudem die Geschäftsbanken bei der EZB über Nacht Kredit in Anspruch nehmen dürfen.

2) Main Refinancing Operations (refi rate): 1,50%

Das ist der Mindestbietungssatz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte

3) Deposit facility: 0,5%

Einlagefazilität: Der Zinssatz, zudem die Geschäftsbanken über Nacht Guthaben bei der EZB anlegen dürfen.


ECB Refi-Rate, Graph: bloomberg.com

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen im Verlauf der Kreditmarktkrise „zu wenig“ und „zu spät“ gesenkt. Auf ihrer März-Sitzung hat die EZB ihre Leitzinsen zwar wieder etwas gelockert. Der Refi-Satz wurde auf 1,5% gesenkt. EZB-Chef Jean-Claude Trichet lehnt aber eine Nullzinspolitik (ZIRP) ab.

Der Tagesgeldsatz (Eonia), zudem die Banken einander über Nacht Gelder leihen, notiert derzeit bei 1,277 Prozent. Vor dem Ausbruch der Krise tendierte der Tagesgeldsatz knapp über dem Refi-Satz. Nun verläuft der Eonia (Euro Overnight Index Average) unter dem Zins der Hauptrefinanzierung, aber leicht über dem darunter liegenden Satz der Einlagenfazilität.




EZB-Prognose (5. März 2009)2009(neu)2009 (bisher)2010
BIP*-2,7%-0,5%-0,7% und 0,7%
Inflation**0,4%1,4%1,0%***

*: Die BIP Prognose ist für 2009 und 2010 wurde nach unten revidiert,
**: Die Inflationsprognose 2009 und 2010 wurde kräftig nach unten korrigiert,
***: bisher 1,8%.

Deutsche in der Schweiz

Der grösste Teil der Schweizer Ausfuhren (ca. 9% des BIP der Schweiz) geht heute nach Deutschland. Auch die meisten Einfuhren stammten aus dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Heute besitzen 2,5% (*) der Schweizer Wohnbevölkerung einen deutschen Pass. Ein Achtel der Schweizerbevölkerung hat einen EU-Pass. Rund ein Viertel der Arbeitsplätze in der Schweiz ist von Ausländern besetzt.


SNB-Präsident Roth hat in einem Vortrag in Frankfurt hervorgehoben, dass die Zuwanderung dazu beigetragen habe, dass das robuste Wirtschaftswachstum weder die Lohnforderungen noch die Inflation in die Höhe trieb.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück will hingegen notfalls die Schweiz auf eine schwarze Liste der „unkooperativen Steueroasen“ setzen, um das Schweizer Bankgeheimnis zu bekämpfen.

(*): Aus dem Referat des SNB-Präsidenten Jean-Pierre Roth in Frankfurt am 2. März 2009.

Markit iTraxx Crossover Index: Ein neues Rekordhoch

Die zunehmende Angst vor einem Umschwung der sich verschärfenden Rezession in eine Depression hält den Kreditmarkt im Griff. In Europa geht sogar das Gespenst des Staatsbankrotts um. Die Mehrzahl der Investoren befürchtet, dass Österreich aufgrund der steigenden CDS-Prämien auf osteuropäische Länder, wo hauptsächlich österreichische Banken über massive Exposures verfügen, mit einem Stresstest konfrontiert ist. Allein die Forderungen der „Erste Bank“ und „Raiffeisen International“ belaufen sich auf rund 280 Mrd. €. Das entspricht dem BIP Österreichs. Österreichische Staatsanleihen werden mit einem Risikoaufschlag („Spread“) von 98 Basispunkten (bp) über der deutschen Bundesanleihen gehandelt. Der langfristige Durchschnitt liegt bei 20-25 Basispunkten. Die Versicherungsprämie für Forderungen gegenüber der Republik Österreich kostet derzeit 264,1 Basispunkte.


Die Credit Default Swaps (CDS) für den Markit iTraxx Crossover Index, der 50 europäische Unternehmen mit geringer Bonität (high-risk, high-yield credit rating) umfasst, kletterten am Freitag zum ersten Mal auf 1’170 Basispunkte. Das bedeutet, dass Anleger 1’170’000 Euro zahlen, um Anleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern. Der Index war am 3. Dezember 2008 erstmals auf 1'000 Basispunkte gestiegen. Zu Beginn der Krise hat der Index auf 189 Basispunkten notiert.

Die Ausfallrate für Unternehmensanleihen mit spekulativer Bonität stieg im Februar auf 5,2% von 4,8% im Januar. Die Ausfallrate (default rate) kletterte in Europa auf 22,5% und in den USA auf 13,8% per Ende Jahr. Das sind die höchsten Quoten seit den 1930er Jahren.

Die CDS-Prämien für Staatsanleihen:

Griechenland: 264,7 bp
Italien: 200 bp
Österreich: 264,1 bp.

Freitag, 6. März 2009

US-Staatsanleihen: Fels in der Brandung

Während die Aktienkurse die Rezession widerspiegeln, indizieren Unternehmensanleihen eine Depression. Es liegt auf der Hand, dass Unternehmensanleihen von der lang anhaltenden Rezession negativ tangiert werden. Die Frage, ob eventuelle künftige Ratingsherabstufungen in den Kursen bereits eingepreist sind, ist daher müssig. Die Renditeaufschläge (Spreads) zwischen Staatspapieren und Unternehmensanleihen sind nach wie vor von der Normalisierung meilenweit entfernt. Der Sekundärmarkt ist beinahe ausgetrocknet. Es gibt kaum Umsatz.


Interest Rates, Graph: Fed St. Louis, National Economic Trends

Die eskalierende Wirtschaftskrise in Osteuropa, die sich täglich verschärfende Rezession, der Deleveraging-Prozess, der Refinanzierungsbedarf vieler Marktteilnehmer (Banken, Unternehmen, Hedge Fonds, Private Equity Fonds usw.) und der lange Schatten der Deflation sorgen dafür, dass die Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen, die als sicheren Hafen gelten und liquide sind, in diesem Marktumfeld die erste Wahl darstellt.

Die Volatilität hält aber auch am amerikanischen Anleihenmarkt an. Die Mehrzahl der Händler rechnet seit Jahresbeginn damit, dass die anstehenden Auktionen in hohen Volumen belastend auf die Kurse wirken werden. Dennoch wurden bisher alle Versteigerungen recht positiv aufgenommen. Die Nachfrage aus dem Ausland reisst nicht ab. Ausländische Käufer sind v.a. seit September 2008 am sekundären Markt aktiv. Kein Wunder, dass der Dollar sich seit dem Sommer gegenüber dem Euro um 20% aufgewertet hat.

Fazit: Ein Ende des Abschwungs ist derzeit nicht abzusehen. Die Flucht in die sichere und liquide Staatsanleihen dürfte sich daher fortsetzen. Vorrangig auf Treasuries zu setzen, lohnt sich.

Nullzinspolitik: Mengenmässige Lockerung

Die Bank of England (BoE) ist gestern auf eine Politik der sog. mengenmässigen Lockerung (quantitative easing) eingeschwenkt. Damit ist die BoE nach der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die zweite europäische Zentralbank, die praktisch eine Nullzinspolitik (ZIRP) verfolgt, um die schwere Rezession abzufedern.


Adjusted Monetary Base, Graph: US Financial Data, Fed. St. Louis

In den USA und Japan liegen die Leitzinsen bereits länger bei nahe Null Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich hingegen bis heute geweigert, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Nach Worten von EZB-Chef Jean-Claude Trichet habe ein Nullzins „einige Nachteile“.

Derzeit steht die Weltwirtschaft im langen Schatten einer fatalen Kombination, die aus Rezession, Deflation und einer steigenden Anzahl von Insolvenzen besteht. Inflation erscheint in diesem Marktumfeld kein Risiko darzustellen. Wirtschaft droht in eine Depression zu rutschen. Der Grund, warum die Notenbanken zu einer Politik des „quantitative easing“ übergegangen sind, ist die steigende Gefahr dauerhaft sinkender Preise. Das heisst Deflation. Inflation wird mit steigenden Zinsen eingefangen. Herrscht aber akute Deflationsgefahr vor, müssen die Zentralbanken versuchen, die Zinsen am langen Ende zu senken, indem sie z.B. Anleihen am offenen Markt kaufen. Zur Finanzierung werden die Zentralbankreserven herangezogen. Geld wird geprintet. Ziel ist, mit der anschwellenden Geldmenge („monetäre Basis“) Banken zur Wiederaufnahme des Kreditgeschäfts zu animieren. Geldpolitik wird also nicht mehr über Zinssenkungen, sondern mengenmässig (d.h. quantitative) gelockert (d.h. easing).

Leitzinsen der wichtigsten Notenbanken:

USA: 0,25%
EU: 1,50%
BoE: 0,50%
CH: 0,50%
JAP: 0,10%