Dienstag, 30. Juni 2009

S&P/Case-Shiller Home Price Index: US-Häuserpreise weiter auf Talfahrt

Die Preise für Immobilien in den USA befinden sich weiter auf Talfahrt. Dem heute vorgelegten Pressebericht zufolge sackte der Standard & Poor’s Case/Shiller Index im April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 18,1% ab. Obwohl immer noch negativ, hat sich aber das Tempo des Preisrutsches etwas verlangsamt. Angesichts der zunehmenden Arbeitslosigkeit sind viele Hausbesitzer nicht in der Lage, ihre Hypotheken zu bedienen. Das führt zu Zwangsversteigerungen. Deswegen ist die reduzierte Geschwindkeit in erster Linie eine Funktion des Moratoriums von Zwangvollstreckungen, kommentiert Barry Ritholtz in seinem Blog. Also eine weitere Geschichte der berühmten 2. Ableitung. Die Verantwortlichen des privaten Institutes sind daher mit Prognosen vorsichtig, da die Daten eines einzelnen Monates nicht darauf deuten könnten, ob der Umschwung bereits begonnen hat. Es sehe aber so aus, als würde sich in manchen Regionen eine gewisse Stabilisierung sich abzeichnen, hiess es.


S&P/Case-Shiller Index, Graph: Standard & Poor’s

Im Immobilienmarkt fängt gerade eine saisonal strenge Periode an, sodass es noch eine Weile anhalten dürfte, festzulegen, ob eine Erholung wirklich da ist. Kürzlich schrieb Robert J. Shiller in einem Essay, dass die Leute angesichts der spekulativen Möglichkeiten beim Kauf von Eigenheimen schon wieder anfangen, lüstern anzugeifern. Das kommt daher, dass es eine Menge Missverständnisse über die Eigenheimpreise gibt, urteilt Shiller. Viele Menschen überall auf der Welt glauben, dass die Preise für Häuser und Wohnungen enorm ansteigen würden, weil die Weltwirtschaft schnell wachse und daher das Land ausginge. Dieses Missverständnis verführe die Leute, Häuser und Wohnungen als Kapitalanlage zu kaufen, was ein wichtiger Grund für das Entstehen der Immobilienblase auf der Welt und deren Platzen verantwortlich ist. In Wirklichkeit ist das Land freilich nicht knapp, hält Shiller fest. „Die steigenden Einkommen schlagen sich nicht in steigenden Immobilienpreisen nieder, sondern in der steigenden Menge des Wohnraumverbrauchs“, so Shiller in seinem empfehlenswerten Buch „The Subprime Solution“.

Der S&P/Case-Shiller Index zählt zu den wichtigsten Indizes zur Messung der Preisentwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt. Der Preisverfall am US-Immobilienmarkt gilt als Auslöser der Kreditmarktkrise.

Türkei: BIP schrumpft um 13,8 Prozent

Die türkische Wirtschaft ist im ersten Quartal dramatisch geschrumpft. Das BIP ist zwischen Januar und März um sage und schreibe 13,8% eingebrochen. Das ist der stärkste Wachstumseinbruch seit 1945. Damals war die Wirtschaftsleistung um 15,3% zurückgegangen. Der private Verbrauch schrumpfte im ersten Quartal annualisiert um 9,2%. Die Staatsausgaben sind zwar um 5,7% auf Jahresbasis gestiegen, aber der Einzel- und Grosshandel kam zum Erliegen: Minus 25,4%. Die Aktivitäten im Bausektor sind um 18,9% zurückgegangen. Das verarbeitende Gewerbe ging um 18,5% ein.


Turkish Interbank Rate, Graph: Bloomberg.com

Der kräftige Rückgang des realen BIP kam nicht als überraschend. Die Frage betrifft eher die Grössenordnung des Fiskalstimulus. War die Fiskalpolitik expansiv genug oder nicht? Der geldpolitische Kurs dürfte hingegen beibehalten werden. Die türkische Zentralbank (CBT) könnte sogar nicht abgeneigt sein, demnächst die Zinsen weiterzusenken.

Die türkische Wirtschaft war 2008 insgesamt 1,1% gewachsen. Das BIP ging im IV. Quartal 2008 um 6,2% zurück.

US-Notenbank: Neues Mandat für finanzielle Stabilität

Die US-Notenbank (Fed) hat gemäss Federal Reserve Act folgende Aufgaben: (1) Preisstabilität, (2) hohes Beschäftigungsniveau und (3) nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Stephen S. Roach, Chairman of Morgan Stanley Asia schlägt nun in einem Essay („Leadership Imperatives for a Post-Crisis World“) vor, dass Fed’s Mandat um „finanzielle Stabilität“ erweitert werden soll. In Anbetracht der Kosten der fehlgeleiteten Geldpolitik des vergangenen Jahrzehnts, schreibt Roach, muss der US-Kongress nun das Mandat für die Fed-Politik ändern, um ausdrücklich auf die finanzielle Stabilität Bezug zu nehmen. Der Zusatz dieser beiden Worte würde die Zentralbank nicht nur darauf abzielen lassen, den Schaden von Asset-Blasen zu mildern, sondern es auch für die Regulierungsbehörde erforderlich machen, ein solideres Risikomanagement zu fördern.


New Mandate for the Fed, Graph: Stephen S. Roach, Chairman of Morgan Stanley Asia

Die Obama-Administration hat bekanntlich angeregt, dass die Federal Reserve (Fed) ermächtigt wird, als neue US-Regulierungsbehörde systemisches Risiko zu bekämpfen. Die Ausweitung der Macht sollte laut Roach nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Sie sollte nämlich nicht ohne eine stärkere Rechenschaftspflicht gewährt werden. Die ausdrückliche Einbeziehung der finanziellen Stabilität in das geldpolitische Mandat der Fed würde in Bezug auf die Besorgnisse über systemische Risiken mit destabilisierenden Ungleichgewichten und Spekulationsblasen für eine Angleichung sorgen. Das wäre eine begrüßenswerte Entwicklung nach Jahren der Vernachlässigung und Exzesse, so Roach.

Die Fed müsste daher laut Roach ihre Taktik anpassen: (1) Die Geldpolitik hat sich vom Greenspan-Bernanke Ansatz der „Nach-Blasen-Sanierung“ (post bubble cleanup approach) zu trennen, und zwar in Richtung „preemptive Vermeidung von Blasen“ (pre-emptive bubble avoidance). (2) Das neue Mandat würde erfordern, dass die Fed ihre regulatorische Rolle strenger wahrnimmt. Die Fed verfügt über Instrumente, Exzesse im Finanzsystem direkt anzugehen. Beispielsweise: Mindestanforderung für Aktienbeleihungen, Überwachung der Ausgabe von exotischen Hypothekeninstrumenten usw.

Montag, 29. Juni 2009

Bilanzsumme der US-Notenbank schrumpft

Die Bilanzsumme der Fed hat sich vergangene Woche angetrieben durch die Liquiditätsfazilitäten um 47 Mrd. $ auf 2’070 Mrd. $ verringert. Das TAF ging nach Angaben von Analysten von Morgan Stanley um 54 Mrd. $ auf 283 Mrd. $ zurück. Auch die Devisen-Swap-Kreditlinien bildeten sich um 30 Mrd. $ auf 119 Mrd. $ zurück. Die Kreditvergabe über das Discount Window legte jedoch um 12 Mrd. $ auf 49 Mrd. $ zu.

Die US-Notenbank hat am vergangenen Donnerstag laut Reuters ein Liquiditätsprogramm für den Geldmarkt auslaufen lassen und die Grösse von einer Handvoll anderer Kreditfazilitäten gekürzt. Diese Notprogramme, die zum Einsatz kommen, wenn das Marktumfeld „ungewöhnlich und kritisch“ wird, waren gestützt auf das „Federal Reserve Act“ eingeführt worden.

US-Dollar: China lässt wieder Muskeln spielen

Die chinesische Zentralbank (PBOC) hat gestern mitgeteilt, dass es keine plötzlichen Veränderung gebe. "Unsere Fremdwährungsreservepolitik ist immer recht stabil", sagte Zhou, PBOC-Gouverneur an einer Sitzung der Notenbanken in Basel. China verfügt über amerikanische Staatsanleihen im Wert von 763 Mrd. Dollar . Insgesamt beläuft sich das Volumen der ausstehenden US-Treasuries auf 6'450 Mrd. $. Die chinesischen Behörden legen die Einnahmen aus den Ausfuhren gern in die US-Staatsanleihen an. Peking hat aber in den vergangenen Monaten mehrmals den Status des Dollars als Weltreservewährung öffentlich in Frage gestellt. Die Zentralbank Chinas scheint es nun aber nicht eilig zu haben.


Dollar Index, Graph: Bloomberg.com

Warum dieses hin und her? Will Peking die Dominanz des Greenbacks untergraben? Oder steckt hinter den Überlegungen, die Währungsreserven zu diversifizieren, andere Gründe? Die Chinesen könnten nächstes Jahr auf eine Revision des SZR-Korbs hinwirken, erwartet Nouriel Roubini. China rechnet allem Anschein nach mit einer ausufernden Inflation in den USA und einem kräftigen US-Dollar-Absturz . Die Angst vor einem anhaltenden Dollar-Verfall rührt daher, dass das steigende Budgetdefizit in den USA nach chinesischer Lesart mit der Erhöhung des Zahlungsmittelumlaufs (Monetarisierung) anstatt durch Staatsschulden finanziert werde. Wie gross ist aber die Verführung, dass die US-Regierung auf eine Politik von Inflation und Abwertung setzt, um sich der Schuldenproblematik im privaten und öffentlichen Sektor zu entledigen? Wie realistisch sind die Annahmen, dass die USA eine zweistellige Inflationsrate in Kauf nehmen würden, um den Wert des Überhangs der öffentlichen und privaten Verschuldung real zu verringern?

Solange aber das Defizit mit Schulden finanziert wird anstelle mit der Druckpresse, werden die fiskalpolitischen Kosten nicht inflationär. Zumal die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes um das Ausmass, wie sich die Geldmenge ausweitet, verringert. Ausserdem ist damit zu rechnen, dass später die Steuern erhöht werden müssten und/oder die Staatsausgaben gekürzt werden, um den Anstieg der öffentlichen Verschuldung im Zaum zu halten. Der Anteil des US-Dollars an den globalen Währungsreserven fiel laut IWF von 73% im Jahre 2001 auf 65% Ende 2008. Der Anteil des Euros ist inzwischen von 17,9% auf 26,5% gestiegen.

Boom am Rohstoffmarkt: Wie entwickeln sich aber Preise für Agrarland?

Am Rohstoffmarkt herrscht inzwischen wieder Friede, Freude, Eierkuchen Stimmung. Hoffnungen auf eine Aufhellung der konjunkturellen Lage gegen Ende des Jahres stimmen Marktteilnehmer erneut mit Zuversicht. Die Rohstoffpreise sind in den vergangenen Wochen deshalb kräftig gestiegen. Wie verhält sich aber der Preis für landwirtschaftliche Flächen? Der Preis für Agrarland hat in den USA im Verlauf des gesamten 20. Jahrhunderts real lediglich 0,9% zugelegt, schreibt Robert J. Shiller in einem lesenswerten Essay. Der Durchschnittspreis für einen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche lag 2008 laut US-Landwirtschaftsministerium bei lediglich 6'800 $.

Das ist eine Fläche, worauf zwischen 10 und 20 Einfamilienhäuser mit grossem Garten gebaut werden könnten, erklärt Professor an der Uni Yale. Natürlich liegt so ein Land nicht in attraktiven Gegenden. Aber durch städtische Planung lassen sich erstrebenswerte Gegenden erschaffen, betont Shiller. Schliesslich ist weniger als 1% der Landmasse der Erde dicht verstädtert.

Fazit: Für die Agrarunternehmen ist der Preisanstieg des Landes nicht entscheidend. Die Anleger profitieren aus dem Gewinn, den die Agrarunternehmen aus der Bewirtschaftung des Landes erzielen.

Sonntag, 28. Juni 2009

Bailout Nation

Buchbesprechung:

Barry Ritholtz: Bailout Nation. How Greed and Easy Money corrupted Wall Street and Shook the World Economy. John Wiley & Sons, New Jersey, 2009.


Das Buch handelt von der Geschichte, wie Gier und billiges Geld Wall Street korrumpiert und die Weltwirtschaft ins Wanken gebracht haben. Wie ist es möglich, dass die USA sich von einer robusten, unabhängigen Nation zu einer weichen „Bailout Nation“ entwickelten? Eine „Bailout Nation“, in der Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden, schreibt Bill Fleckenstein im Vorwort dazu. Was hat uns zu einem Kindermädchen für gut bezahlte Banker gemacht? So beginnt Barry Ritholtz mit seinem hochgeschätzten Buch, um eine kurze Historie der Bailouts zu erzählen. Wussten Sie schon, dass es, bevor die heutige Federal Reserve (Fed) 1913 gegründet wurde, drei andere Versuche gegeben hat, in den USA eine Zentralbank auf nationaler Ebene einzurichten? Im ersten Abschnitt behandelt Ritholtz in Reihenfolge zunächst die Ära „Pre-Bailout Nation“ (1860-1942) und dann die „Industrial-Era Bailouts“ (1971-1995). Im zweiten Abschnitt geht der Autor auf die Bailouts im Aktienmarkt (1987-1995) ein, um anschliessend vor dem Hintergrund der zinsgesteuerten Wirtschaft die „Irrational Exuberance Era“ (1996-1999) sowie den Schiffbruch von HighTech Boom (2000-2003) zu erläutern.


Barry Ritholtz führt heute eines der beliebtesten Blogs über die Wirtschaft. Seit dem Start seines Blogs hat Ritholtz über 50 Mio. Seitenzugriffe verbucht. Er ist CEO und Direktor von Equity Research bei FusionIQ, einer online quantitativen Research Firma. Ritholtz ist ein häufiger Gast bei CNBC und der Autor der beliebten „Apprentices Investor“ Spalte bei TheStreet.com. „Eat what you kill“ ist die klassische Haltung in Wall Street gegenüber Risiken und Erfolgen, Gewinn und Verlust. Es gibt aber mittlerweile Market Player, die gescheitert sind, zu leben oder von ihrer eigenen Schwerter zu sterben. Sie erwarten, durch andere gerettet zu werden, und zwar von ihrer eigenen Torheit. Sie verkörpern einen Schön-Wetter-Glaube an freier Marktwirtschaft, der nur während guter Zeiten gilt. Das ist „eine höchste Form der moralischen Feigheit“, urteilt Ritholtz. Darauf basiert der rote Faden in seinem Buch. Es ist hinlänglich bekannt, dass übermässige Gier, Rücksichtslosigkeit und dumme Spekulationen vom Markt bestraft werden. Das gegenwärtige System hat jedoch seinen Auto-Korrektur-Mechanismus verloren, hält Ritholtz fest. Die einer Kreditvergabe zugrunde liegende Prämisse ist seit jeher die Fähigkeit des Kreditnehmers zur Rückzahlung des Darlehens. Es ist der grundlegende Aspekt der Finanzierung. Seit Beginn der 2000er Jahren ist jedoch die fundamentale Basis aller Kredittransaktionen auf den Kopf gestellt worden. Es zählt nicht mehr die Fähigkeit des Kreditnehmers, das Darlehen zu tilgen, sondern die Fähigkeit des Kreditgebers, das Darlehen für Verbriefungszwecke weiter zu verkaufen. Das ist laut Ritholtz ein Paradigmenwechsel. Die US-Notenbank (Fed) hat die Leitzinsen von Dezember 2001 bis September 2004 bei 1,75% oder sogar darunter behalten. Ungefähr drei Jahre lang! Die Immobilienpreise haben sich innert 10 Jahren verdoppelt. Es kam in diesem Umfeld nur noch auf die Fähigkeit des Kreditgebers an, den Hypothekenkredit zu verbriefen und wiederzuverpacken. Dadurch wurde ermöglicht, einen zutiefst fehlerhaften Prozess der Darlehenstätigkeit zu tarnen. Die Kreditmärkte wurden folglich wie eine Kaskade in Richtung Katastrophe verschickt, so der Autor. Es ist konsequent, dass die Fed und die Ratingagenturen in diesem Buch am stärksten ihr Fett abbekommen. Der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan hat die Zinsen 33 Monate lang auf einem historisch niedrigsten Niveau gehalten und die neuartigen Instrumente wie Collateralized Debt Obligations (CDOs) als „Finanzinnovation“ hochgelobt. CDOs, die von Ratingagenturen mit der besten Bonität „AAA“ bewertet wurden, weisen bekanntlich einen signifikanten Risikoaufschlag (Spread) gegenüber den US-Staatsanleihen auf, die ebenfalls ein „AAA“-Rating haben. Wie ist es aber möglich? Entweder das war ein brillanter, bis jetzt nicht realisierter Einblick oder es war ein massiver Betrug, schlussfolgert Ritholtz zu Recht. Nicht nur, dass die Marktteilnehmer nicht immer rational waren, sondern sie handelten oft unbeabsichtigt gegen ihre eigenen Interessen. Ein frappierendes Beispiel: Die SEC (US Aufsichtsbehörde) hatte eine kurz als „net capital rule“ bekannte Regel eingeführt, um sicherzustellen, dass die Wall Street Firmen über genügend Eigenmittel verfügen: Ein Verschuldungsgrad (debt-to-net capital ratio) von 12 zu 1. Das heisst, dass die Finanzinstitute auf 1 $ EK höchstens 12 $ FK aufnehmen dürfen. Im Jahre 2004 ging die SEC auf den Wunsch der 5 führenden Investmentbanken (GS, ML, Lehman, Bear Stearns und Morgan Stanley) ein. Unter der Führung des damaligen Goldman Sachs CEO Hank Paulson (den späteren Finanzminister und Bailout-König) erhielten die Investmentbanken eine spezielle Ausnahme, die damals ironischer Weise die „Bear Stearns-Rule“ genannt wurde. Die Firmen, die eine Marktkapitalisierung von mehr als 5 Mrd. $ hatten, haben sich nicht mehr an die Regel „net capital rule“ halten müssen. Der Verschuldungsgrad der erwähnten Investmentbanken kletterte prompt auf 30, 35, ja sogar 40 zu 1. Nur 4 Jahre später brach Bear Stearns zusammen. Lehman ging pleite. Und die restlichen Investmentbanken haben ihren Status verloren. Dieses mit zahlreichen anschaulichen Abbildungen optimal konzipierte Buch ist ein Hammer. Ein genialer Lesestoff. Didaktisch und kognitiv ein Hochgenuss.

Samstag, 27. Juni 2009

USA: Sparquote steigt auf 6,9%

Nach Angaben der Bureau of Economic Analysis ist die Sparquote in den USA im Mai weiter gestiegen. Der Anteil der Ersparnisse der amerikanischen Haushalte am Einkommen kletterte auf 6,9%. Das ist der höchste Stand seit 15 Jahren. Die Sparquote hat im März 4,3% und im April 5,6% betragen. Bis vor ein paar Jahren (während des Booms am Immobilienmarkt) verlief sie sogar negativ. Sparen stellt eine Verminderung der Nachfrage dar. In China wird weltweit am meisten gespart. Deutschland ist nach China Vizeweltmeister im Sparen. Das Sparverhalten (S=Y-C; d.h. Einkommen minus Konsum) der Haushalte ist von der Konjunktur abhängig. Die Sparquote hingegen tendiert zu steigen, wenn die Zeiten schlecht sind.


Personal Saving Rate, Graph: Fed St. Louis, June 2009

Die anhaltende Rezession hat zu einer massiven Schrumpfung der Vermögenswerte (Wealth Effect) der Haushalte geführt. Private Haushalte verbrauchen jetzt weniger. Da Banken weniger Kredite vergeben, stellen Unternehmen Investitionen zurück. Es findet ein Schuldenabbau (Deleveraging) im historischen Ausmass statt. Wenn aber alle Haushalte kollektiv sparen, indem sie weniger Geld ausgeben, verursachen sie einen Rückgang der Einnahmen für Unternehmen. Das führt zu Entlassungen. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Rezession wird verstärkt. Dieses Phänomen wird als „Spar-Paradoxon“ („paradox of thrift“) genannt.


Personal Saving, Graph: Fed St. Louis, June 2009

Besonders schlimm wird es, wenn auch der Staat gleichzeitig beginnt zu sparen, indem er seinen Haushalt saniert, das heisst eine „Schuldenbremse“ einführt. Die Produktionslücke (Output Gap) kann durch die Fiskalpolitik wirksam bekämpft werden. Dass das persönliche Einkommen im Mai um 1,4% gestiegen ist, zeigt, dass das Geld aus dem Stimulus-Programm der US-Regierung durch die Wirtschaft den Weg zu den Konsumenten findet.

Freitag, 26. Juni 2009

SNB haut auf den Putz – UBS besorgt sich Kapital

Am vergangenen Mittwoch hat die US-Regierung ihre Reformvorschläge für die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht präsentiert. Am Donnerstag hat die SNB preaktiv als eine der ersten Zentralbanken die Einhaltung verschärfter Eigenmittelvorschriften für die Grossbanken und einer Limite für den Verschuldungsgrad („leverage ratio“) gefordert. „Das Fehlen eines klar vordefinierten und international koordinierten Liquidationsverfahrens trägt dazu bei, dass für diese Institute ein faktischer Beistandszwang des Staates besteht“, sagte Philipp Hildebrand, der Vize-Präsident der SNB.

Die SNB besteht nicht nur auf die Stärkung der Eigenmittel, sondern auch auf die Stärkung der Liquidität, um die Widerstandskraft der Banken zu erhöhen. Die SNB denkt zudem über alternative Lösungsansätze nach. Es geht darum, im Krisenfall „die für das Funktionieren der Volkswirtschaft wichtigen Teile“ der Grossbanken herauszulösen und die restlichen Teile zu liquidieren. Vor dem Hintergrund des SNB-Vorhabens, bei der Grösse der Banken anzusetzen, hat die UBS heute mitgeteilt, sich frisches Kapital in der Höhe von 3,8 Mrd. Franken beschafft zu haben. Zugleich hat die UBS einen Verlust für das II. Quartal 2009 angekündigt. An der Börse verlor die UBS-Aktie (CHF 13,22) heute mehr als 5%.

Alan Greenspan warnt vor Inflation

Der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan warnt in einem Artikel in Financial Times vor Inflation. Wie bitte? War es nicht Greenspan, der den Tagesgeldsatz (FFR= Fed Funds Rate) von Dezember 2001 bis September 2004 auf 1,75%, einem ultraniedrigen Niveau behalten hat? 33 Monate lang! Die Rezession von 2001 war nämlich ziemlich milde. Die Haushalte hielten sich von nur kurzer Dauer mit Ausgaben zurück. Es waren v.a. Unternehmen, die ihre Kapitalausgaben (capex) gekürzt hatten. Verantwortlich waren dafür das Y2K-Problem (Hard- und Software-Anpassungen um das Jahr 2000) und die Tragödie von 11. September. Die einzige vernünftige Erklärung für die radikale Zinssenkungen durch die Fed war, dass Greenspan die Preise von Vermögenswerten im Blick hatte, wie Barry Ritholtz in seinem Buch "Bailout Nation" hervorhebt. Fed-Chef wollte Aktieninvestoren unter die Arme greifen. Die zu Spekulationen einladende Zinspolitik des ehemaligen Fed-Chefs wurde daher „Greenspan-Put“ genannt. Das heisst, die Fed würde mittels Zinssenkungen in den Markt eingreifen, um einen allgemeinen Absturz der Aktienkurse zu stoppen.

Auch wenn keine Inflation droht, gibt es eine weitere potentielle Gefahr in der aktuellen US-Fiskalpolitik: eine erhebliche Zunahme bei der Finanzierung der US-Wirtschaft durch die öffentliche Verschuldung, schreibt Greenspan heute in FT. Ein solcher Kurs der Finanzpolitik sei ein Rezept für die politische Allokation des Kapitals und eine Aushöhlung des Prozesses der sog. "kreativen Zerstörung" (creative destruction) im Markt, der für den Anstieg des Lebensstandards wesentlich ist. Dieses Paradigma sei schwer befleckt worden, fügt der Maestro hinzu. Verbesserungen bei der Regulierung und der Überwachung, vor allem in den Bereichen Kapitalanforderungen seien erforderlich. Allerdings verlässt sich Greenspan dabei auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. Das ist krass. Flucht aus der Realität in die Illusion und Selbtsttäuschung?

Donnerstag, 25. Juni 2009

SNB und Interventionen am Devisenmarkt

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) versuche eine Linie in den Sand zu ziehen, sagten Händler laut Bloomberg. Grund: Der Franken hat sich gestern plötzlich sowohl gegenüber dem Euro (2,4%) als auch dem Dollar (3,2%) stark abgewertet. Die Interventionen der SNB am Devisenmarkt seien dafür verantwortlich, murmelt es im Handel. Zwischen November 2007 und März 2009 verteuerte sich der Franken (handelsgewichtet) um 10%. Gegenüber dem Euro um 11%. Bereits im März entschied die SNB, eine weitere Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro zu verhindern. Seither hat sich der Franken (1) nicht weiter aufgewertet, und (2) seine Volatilität hat deutlich nachgelassen.


Swiss Frank Exchange Rate, Graph: swissquote.ch

Der Schritt der SNB, am Markt Devisen gegen Franken zu kaufen, wurde im Ausland scharf kritisiert. Die SNB wolle durch künstliche Abwertung der eigenen Währung Handelsvorteile auf Kosten des Auslands erlangen, wurde vorgeworfen. Manche Marktbeobachter sprachen sogar von einem drohenden „Abwertungswettlauf“. Die SNB erläuterte bereits am 2. April in Person von Philipp Hildebrand, Vizepräsident der SNB, dass die Devisenkäufe der Nationalbank „ein ergänzendes Notinstrument zur Bekämpfung der Deflationsgefahr“ sind. Damit die aussergewöhnlichen Massnahmen nicht schnell verpuffen, gilt es für die SNB, eine weitere Aufwertung des Schweizer Frankens zu verhindern. Es geht m.a.W. keineswegs um eine „beggar thy neighbour“ Politik. Eine neuerliche Aufwertung des Franken birgt nämlich die Gefahr einer nachhaltigen deflationären Dynamik in der Schweiz. Auch SNB-Präsident Jean-Pierre Roth sagte in einem Referat am 17. April, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit der Bekämpfung des Franken-Anstiegs gegenüber dem Euro keine wettbewerbsorientierte Abwertungspolitik betreibt. „Das wäre auf die Dauer den Interessen unseres Landes ohnehin nur abträglich“ betonte Roth.

Im übrigen gab die SNB heute bekannt, dass sie weiterhin Liquidität in Schweizer Franken via Euro/CHF-Devisenswaps zur Verfügung stellt. Die SNB, die EZB, die Zentralbanken Polens und Ungarns teilten mit, dass sie bis mind. 31. Oktober 2009 weiterhin Euro/CHF-Devisenswaps mit einer Laufzeit von 7 Tagen durchführen, um Franken gegen Euro zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Massnahme wollen die genannten Zentralbanken weitere Verbesserungen am Franken-Geldmarkt unterstützen.

Finanzmarkt-Regulierung: George Soros’ Grundsätze

Viele Banken dürfen nicht pleitegehen, weil sie „zu gross“ und zu eng mit dem Rest der Wirtschaft verknüpft sind. Jedes Mal, wenn das Bankensystem in eine Schieflage gerät, greifen die Behörden ein, indem sie die gebeutelten Institute retten, um auf diese Weise die Wirtschaft zu stützen. Die „Bailout“-Aktionen der Behörden (z.B. der Zentralbank und des Schatzamtes) bedeuten aber zugleich ein asymmetrischer Anreiz für das Finanzsystem. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff „Moral Hazard“ bekannt. Wie sollen aber die Finanzmärkte reguliert werden? Dazu nimmt George Soros in einem kurzen Essay („No Licenses to Kill“) Stellung.

Soros betont, dass für eine Reform v.a. drei Prinzipien entscheidend sind: (1) Spekulationsblasen: Die Finanzbehörden sollen die Verantwortung dafür übernehmen, Spekulationsblasen nicht zu gross werden zu lassen. (2) Kreditschöpfung: Die Zentralbanken steuern das Geldangebot. Aber das reicht nicht aus. Auch die Kreditschöpfung muss reguliert werden. Die Kreditexpansion wird heute von immer neuen, raffinierten Methoden (Finanzinnovationen) angetrieben. Mit den bekannten Instrumenten wie „Mindesteinschusssätze“ und „Mindestkapitalanforderungen“ kann dagegen gehalten werden. (3) Marktrisiko: Die Finanzmärkte tendieren nicht zum Gleichgewicht. Es gibt kein Marktdisziplin. Die Theorie des vollkommenen Wettbewerbs ist daher in Frage zu stellen. Es gibt ein systemisches Marktrisiko, das durch die unregulierte Verbriefung von Bankaktiva verstärkt wird. Daher: (a) Der Eigenhandel soll mit dem eigenen Kapital der Banken finanziert werden. (b) Die Vergütungspakete der Eigenhändler sind zu regeln, um sicherzustellen, dass Risiken und Renditen verhältnismässig bleiben. (c) Hedge Fonds und andere Grossinvestoren müssen ebenfalls scharf kontrolliert werden und (d) Credit Default Swaps (CDS) sind zu verbieten.

SNB: Notenbankgeldmenge wächst um 132 Prozent

Die Notenbankgeldmenge ist im Mai laut SNB um 132% gestiegen und beträgt nun rund 105 Mrd. Franken. Die mittel- und langfristige Inflationsgefahr ist dennoch begrenzt, wie Jean-Pierre Roth, SNB-Präsident vergangene Woche bemerkt hat. Weil die SNB in der Lage ist, die Liquidität rasch abzuschöpfen, indem sie (1) die Kreditvergabe einschränkt und (2) SNB Bills emittiert. Der Vertrauensverlust zwischen den Banken hält nach wie vor an. Auf dem Interbankenmarkt hat die Nachfrage nach Liquidität in den vergangenen 18 Monaten stark zugenommen. Deswegen versorgt die SNB den Markt grosszügig mit Liquidität.


Swiss Interest Rates, Graph: SNB
rot: repo o/n, grün: 3-Monats-Libor, blau: Rendite der Bundesobligationen

Zusätzliche Liquidität wird geschaffen durch: (1) Fremdwährungskäufe auf den Devisenmärkten, (2) den Kauf von Anleihen privater Schuldner und (3) die Bereitstellung von Schweizer Franken mittels Swapabkommen mit der EZB und den Zentralbanken Polens und Ungarns.

Die Teuerung lag im ersten Quartal bei Null Prozent. Die SNB erwartet, dass die Inflationsrate für den Rest des Jahres negativ bleiben wird.

Fed-Sitzung von 24. Juni

Die US-Notenbank hat den Tagesgeldzielsatz (FFR=Fed Funds Rate) unverändert in der Spanne zwischen 0 Prozent bis 0,25 Prozent (seit Dezember 2008) belassen. Das Zinsniveau werde für eine ausgedehnte Zeit bestehen bleiben. Die Währungshüter gaben sich verhalten optimistisch. Im Einzelnen:

Das Tempo des Abschwungs hat nachgelassen.
Inflation ist keine Bedrohung.
Die Staatsanleihenkäufe werden nicht ausweitet.
Die Konditionen an den Finanzmärkten haben sich in den vergangenen Monaten im allgemeinen verbessert.
Die Konsumausgaben stabilisieren sich.
Die Preise für Energiegüter und andere Rohstoffe sind zwar gestiegen, aber die wesentliche „Resource-Flaute“ werde die Kosten wahrscheinlich drücken.


Fed Funds Future Contracts, Graph: Fed St. Louis, June 2009

Fazit: Das Wort „Exit-Strategie“ kommt in der Erklärung zum Zins-Entscheid nicht vor. Die Fed dämpft die Hoffnungen, dass sie gegen Ende Jahr beginnen würde, die Zinsen zu erhöhen. Die Fed ist vorsichtig, die Zinsen „zu früh“ zu straffen und damit die Erholung abzuwürgen. Mittelfristig überwiegt Deflationsgefahr das Inflationsrisiko eindeutig. Langfristig muss die Fed in der Lage sein, die geldpolitische Expansion („quantitative easing“) zurückzuführen, um einen Anstieg der Inflation zu verhindern. Angesichts der anhaltenden Wachstumsschrumpfung, negativer Produktionslücke und der stockenden Kreditmärkte dürfte die Fed jedoch nicht vor 2010/2011 zu einem restriktiveren Kurs übergehen.

Mittwoch, 24. Juni 2009

EZB bietet Refinanzierungsgeschäfte auf 12 Monate

Dem aktuellen Global Financial Stability Report des IWF zufolge haben die Zentralbanken der USA, des Euroraums und Grossbritanniens rund 9'000 Mrd. $ (darunter Liquidität, Aufkauf von Wertpapieren und Garantien) in die Märkte gepumpt, um eine Kernschmelze des Finanzsystems zu unterbinden. Allein die Summe der Garantien beläuft sich in den genannten Ländern auf rund 4'500 Mrd. $, wie Martin Wolf heute in seiner Kolumne in Financial Times hervorhebt. Heute wartete die EZB mit einem spektakulären Schritt auf, um die Banken zu Kreditvergabe zu animieren. Die europäischen Währungshüter bieten erstmals Kredite mit einer Laufzeit von 12 Monaten. Das Volumen betrug 442 Mrd. €. Das ist ein neuer Rekord. Der bisherige Höchststand datiert vom Dezember 2007: 348 Mrd. €. Die Nachfrage war rege. 1’121 Banken boten mit. In der Regel nehmen rund 700 Bieter an den Auktionen der EZB teil. Die Banken müssen dafür Wertpapiere bei der EZB hinterlegen.


ECB Refinancing Rate, Graph: Bloomberg.com

To QE or not to QE

Der Beschluss, die Laufzeit des Refinanzierungsgeschäfts auf ein Jahr zu verlängern, war im Mai gefasst worden. Da die EZB sich bisher geweigert hat, den Spielraum für Zinssenkungen rechtzeitig zu nutzen, kann das heutige Refinanzierungsgeschäft als Fortsetzung der lockeren Geldpolitik „mit anderen Mitteln“ gedeutet werden. Die EZB bekennt sich bekanntlich nicht gern zur Politik der „quantitative easing“ (QE=mengenmässige Lockerung). Die Banken im Euroraum befinden sich aber derzeit mitten im Deleveraging-Prozess. Das heisst, die Schulden werden abgebaut, das EK wird erhöht, die Risikopositionen werden abgestossen. Deswegen stockt der Kreditmarkt. Die EZB müsste daher demnächst u.U. dazu übergehen, am offenen Markt Staatspapiere, Unternehmensanleihe und/oder Bankobligationen aufzukaufen.





Zinssatz fürin %
Spitzenrefinanzierungsfazilität1,75%
Hauptrefinanzierungsgeschäfte1,00%
Einlagenfazilität0,25%

Bailout Nation: Wall Street auf dem Holzweg

Wie ist die US-Wirtschaft in diese Situation hineingerutscht? Das Finanzsystem stand kurz vor einer Kernschmelze. Die Börse stürzte ab. Immobilienmarkt ist unter Wasser geraten. Eine Vielzahl von Grossunternehmen hängt am staatlichen Tropf. Wie ist es möglich, dass aus der „Ownership-Society“ eine „Bailout-Nation“ geworden ist, wo Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden? Barry Ritholtz, CEO und Direktor von „Equity Research“ bei „FusionIQ“ setzt sich in seinem neulich erschienenen und mit hervorragenden Abbildungen beschmückten Buch mit diesen Fragen energisch auseinander. Ritholtz liefert im historischen Vergleich eine schonungslose Abrechnung mit dem „Road Map“ davon, wie Gier und das „billige Geld“ die Wall Street korrumpiert und die Weltwirtschaft zum Absturz gebracht haben.



Ritholtz beschäftigt sich in einem kurzen, aber bemerkenswerten Kapitel mit der Entwicklung der Beschäftigung nach dem Ende der letzten Rezession, die in den USA von März bis November 2001 gedauert hat. Der Abschwung fiel eigentlich verhältnismässig milde aus. Die US-Wirtschaft reagierte aber auf massive Stimulus-Massnahmen kaum. Das Wachstum der Anzahl der Beschäftigung ausserhalb der Landwirtschaft verlief kraftlos. Im III. Quartal 2006 gab es lediglich 3,5% mehr Jobs als am Ende der Rezession. Der Zuwachs der um die Inflation angepassten Reallöhne war flach, ja sogar negativ. Die Schaffung von Arbeitsplätzen war im Erholungszyklus zwischen 2002 und 2007 das schlimmste seit dem II. Weltkrieg. Ritholtz zeigt auf, dass zwischen November 2001 und April 2005 43% der neu geschaffenen Jobs auf das Konto des Immobilienmarkts geht. Anhand des sog. „Wealth Effect“ (Vermögenseffekt) erläutert er weiter, welche Relevanz der private Verbrauch, der auf „home equity“ basiert, für die amerikanische Wirtschaftsleistung hat. Ein Anstieg des Hauswertes um 100 $ steigert den privaten Konsum um 9 $. Mehr als doppelt so hoch wie der Wealth Effect, der sich bei Aktien entfaltet. Kurzum dürfte die gegenwärtige Krise noch lange auf Realwirtschaft lasten. Die konjunkturelle Erholung wird allem Anschein nach sehr langsam von statten gehen. Barry Ritholtz bietet heute eines der beliebtesten Economic Blogs (www.ritholtz.com/blog/) auf der ganzen Welt. Das Buch ist empfehlenswert.

US-Staatsanleihen: Hohe Nachfrage bei der Versteigerung

Das amerikanische Finanzministerium hat gestern zweijährige Anleihen im Volumen von 40 Mrd. Dollar versteigert. Bei der Auktion ergab sich eine Bid-to-cover Quote von 3,19. Das ist das höchste Verhältnis seit September 2007. Bei der letzten Versteigerung hatte die Überzeichnung 2,94 Mal betragen. Die sog. „Indirects“ haben einen Anteil von 68,7% (d.h. 27 Mrd. $) am Volumen der Auktion erzielt. Das ist die höchste Beteiligung seit Mai 2003. Die stop-out-Rendite der Auktion war 3,2 Basispunkte.


2 Y Notes, Graph: wsj.com

Die hohe Nachfrage zeigt, dass die Aufnahmefähigkeit des Marktes in Takt ist. Die Ausgabe wurde sehr gut aufgenommen. Das Gebot der sog. "Primary Dealers" legte zu. Vor allem die Nachfrage der sog. „Indirect Bidders“ (d.h. u.a. ausländische Zentralbanken) war robust. Die nächste Ausgabe des Schatzamtes betrifft die Auktion für 5-jährige Notes im Volumen von 37 Mrd. Dollar.

2-jährige US-Treasuries
Rendite: 1,104%
USD-Swaps: 1,565%

Dienstag, 23. Juni 2009

Schuldenbremse – Wachstumsbremse?

Berlin hat neulich ein Limit für die Staatsschulden beschlossen, und zwar als Verfassungsregel. In Zukunft gelten pauschale Grenzen. Das bedeutet eine strikte Schuldenbegrenzung für die Haushalte von Ländern und Bund. In seiner Kolumne in Financial Times am Wochenende schreibt Wolfgang Münchau, dass er daraus zwei Ergebnisse ableitet: (1) Deutschland könnte in einer Abwärtsspirale enden: Schuldenabbau und geringeres Wachstum. In diesem Fall würde die verfassungsmässig vorgeschriebene Regel eines ausgeglichenen Haushaltes immer mehr Haushaltskürzungen zum Ausgleich von Verlusten aus Steuereinnahmen erfordern. (2) Eine positive Wechselwirkung. Sollte Deutschland 2011 wieder zu einem „vor Krise Wachstum“ zurückkehren, wäre alles demnach gut, dass die Konsolidierungsphase in einem zyklischen Aufschwung beginnen würde.

Zum Thema Schuldenbremse nimmt heute auch Peter Bofinger in einem interessanten Interview in der Süddeutschen Zeitung Stellung. Der Autor des neulich erschienenen Buches: „Ist der Markt noch zu retten?“ (Econ Verlag) hält es für ein Unglück: „Weil man damit die unternehmerische Rolle des Staates für immer verbietet. Wenn man sieht, wie wenig die Märkte in der Lage sind, gestaltend zu wirken, finde ich das erschreckend“. Professor Bofinger sieht davon v.a. zentrale Zukunfsbereiche wie Bildung, Infrastruktur, Forschung und Entwicklung und Umwelt vernachlässigt.

Globale Aktienmärkte und „liquidity bubble“

Plötzlich ziehen Konjunktursorgen die Aktienmärkte in ihren Bann. Anleger müssen kräftige Kursverluste in Kauf nehmen, obwohl viele Volkswirte sich seit ein paar Wochen zuversichtlich zeigen, dass Anzeichen für eine Stabilisierung der Weltwirtschaft sich mehren. Was ist passiert? Die Börsen legten weltweit kräftig zu. Der DAX kletterte in den vergangenen drei Monaten um rund 1'500 Punkte. Die Rohstoffpreise zogen stark an. Die Rendite der Staatsanleihen schossen durch die Decke. Nun nehmen aber plötzlich Zweifel über die Markterholung zu. Die Rally war eben nicht ganz von wirtschaftlichen Fundamentaldaten angetrieben. Nur zum Teil war die Erholung der globalen Vermögenswerte vom Allzeit-Tief im März gerechtfertigt, weil die Gefahr einer Kernschmelze im Finanzsystem indes gebannt ist und das Risiko der Depression dank der expansiven Geldpolitik und fiskalpolitischer Stützung unterbunden wurde.


DAX (3 Monate), Graph: finance.yahoo.com

Aber ein grosser Teil des Kursanstiegs ist nicht gerechfertigt, urteilt Nouriel Roubini, da es durch übermässig optimistische Erwartungen einer raschen Erholung des Wachstums in Richtung Potenzialwachstum und durch „liquidity bubble“ (Liquiditätsblase) angeheizt worden ist. Das hat dazu geführt, dass die Aktienpreise "zu schnell, zu früh" gestiegen sind. Ein negativer Ölpreisschock in Verbindung mit steigenden Renditen der Staatsanleihen könnte laut Roubini der Erholung die Flügel brechen und zu einem signifikant weiteren Rückgang der Preise der Vermögenswerte und einem Abschwung in der realen Wirtschaft führen. Eine „double-dip“-Rezession ist also nicht auszuschliessen.

Montag, 22. Juni 2009

Israelische Zentralbank behält Leitzins bei 0,50%

Die israelische Zentralbank (BoI) hat heute ihren Leitzins angesichts der anhaltenden Wachstumsschwäche bei 0,50% unverändert belassen, um die Wirtschaft weiter zu stützen. Die BoI hatte seit Oktober ihren Leitzins um insgesamt 375 Basispunkte auf 0,50% gesenkt. Der Leitzins bleibt nun den vierten Monat in Folge unverändert. Der Rückgang der Inflationsrate und der stabile Verlauf der Inflationserwartungen lassen keine Befürchtungen über einen Preisdruck aufkommen. Vor dem Hintergrund der steigenden Arbeitslosigkeit gibt es für die BoI derzeit keinen Anlass, ihren expansiven geldpolitischen Kurs zu korrigieren.


BoI Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Das BIP ist im ersten Quartal um 3,9% eingebrochen. Der Konsumentenpreis-Index (CPI) kletterte im Mai um 0,4%. Die Inflationsrate beträgt somit seit Jahresbeginn 1,2%. Erstmals seit Dezember 2007 liegt die Inflation in der Zielspanne der BoI. Solange die Inflation innerhalb des Zielbandes (1 bis 3%) der Zentralbank verläuft, will BoI-Chef Stanley Fischer den lockeren Kurs der Geldpolitik fortsetzen.


Israel CPI, Graph: Bloomberg.com

Die BoI begründete den heutigen Zinsentscheid folgendermassen: (1) Die Inflationsentwicklung bleibt in der Zielspanne der Zentralbank. (2) Die Daten deuten darauf hin, dass der negative Trend in wirtschaftlicher Aktivität sich anschickt, zu mässigen. Die Kontraktion dürfte allerdings in den nächsten wenigen Monaten anhalten. Das würde zwar zu einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Der expansive Kurs der Geldpolitik würde aber die Wirtschaft im Hinblick auf das Wachstum weiter stützen. (3) Zentralbanken rund um die Welt behalten Leitzinsen niedrig und fokussieren auf den Einsatz von zusätzlichen geldpolitischen Mitteln.

Die BoI will den Konjunkturverlauf sowohl in Israel als auch in der Welt weiterhin näher beobachten und alle verfügbaren Instrumente einsetzen, um ihre Zielsetzungen im Hinblick auf Preisstabilität, Beschäftigung & Wirtschaftswachstum und die Stabilität des Finanzsystems zu erreichen.

Die Risikoprämien der Credit Default Swaps (CDS) auf Israels Staatsanleihen sind zuletzt leicht angestiegen. Die Risikoaufschläge für 5jährige CDS-Kontrakte sind von 140 Basispunkten auf 170 Basispunkte geklettert.

Die nächste Sitzung der BoI wird am 27. Juli stattfinden.

Rohstoffmarkt: Mittelfristig ungünstige Lage

Der deutliche Anstieg der Rohstoffpreise seit Februar erstaunt insofern, als die Weltwirtschaft sich mitten in einem tiefen Abschwung befindet. Alle beachtenswerten Commodity Indices legten jedoch seit Jahresbegin kräftig zu. Läuft die Konjunktur auf hoch Touren, steigen die Preise der wichtigsten Energieträger. Der Welthandel ist aber im Sog der Finanzkrise eingebrochen. Die Kapazitätsauslastung der Industrie fällt zurück. Es sind daher eher technische (spekulatives Kapital), als fundamentale (Zuwachs der physischen Nachfrage und Produktion) Faktoren, die den Rohstoffmarkt bislang angetrieben haben. Der schwächere US-Dollar und die Hoffnungen auf eine konjunkturelle Wende gegen Ende des Jahres zählen dazu, dass die gegenwärtige Hausse am Rohstoffmarkt nicht von Dauer sein kann.

Welches Land würde jetzt seine Lager auffüllen wollen? Stimmt die These, dass die steigenden Staatsausgaben die private Kreditaufnahme verdrängen („crowding out“), dann müssten die Rohstoffepreise fallen, hält Paul Krugman fest. Das ist aber nicht der Fall. Der Anstieg der Rohstoffpreise ist laut Krugman ein Anzeichen dafür, dass es derzeit keinen Verdrängungseffekt gibt. Das heisst, dass private Nachfrager vom Schuldner Staat aus dem Markt nicht verdrängt werden.

Es gilt in Erinnerung zu rufen, dass die traditionellen Sektoren (v.a. Metalle und Energie) zyklisch geprägt sind. Diese sind mit der Industrie eng verbunden. Die Situation am Agrarmarkt ist jedoch anders. Die Preisentwicklung der landwirtschaftlichen Güter dürfte die der Metalle übertreffen, da die Nachfrage in diesem Sektor weniger elastisch ist.

Fazit: Die Ölpreisrally ist eine Gefahr für die Erholung der Weltwirtschaft. Im vergangenen Jahr hat der Ölpreis wesentlich dazu beigetragen, dass die globale Wirtschaft in eine Rezession abgeglitten ist.

TIPS: Inflationsgeschützte Staatsanleihen

In den USA sind die Preise im März um 0,4%, im April um 0,7% und im Mai um 1,3% gefallen. Jeweils im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Zahlen deuten darauf hin, dass die deflationären Kräfte sich verstärken. Trotz des stärksten Verfalls der Verbraucherpreise in den vergangenen 60 Jahren werfen die inflationsgeschützen Staatsanleihen (TIPS: Treasury Inflation Protected Securities) seit Jahresbeginn eine Rendite von 3% ab. Die US-Treasuries (UST) hingegen weisen seit Dezember eine negative Performance von 5,88% auf. Das ist das schlechteste Ergebnis für die US-Staatsanleihen seit mindestens 1978. Die Differenz zwischen der Rendite der TIPS und der UST beträgt zur Zeit 1,93%. Das ist die sog. Breakeven-Rate. Daran werden die Inflationserwartungen von Anleihenhändlern gemessen. Ende Dezember fiel dieser Wert auf fast Null Prozent.


Breakeven-Rate, Graph: Bloomberg.com

Obwohl die Inflationserwartungen der Trader seit Jahresbeginn kräftig gestiegen sind, verlaufen sie deutlich unter dem langfristigen Durchschnittswert. Warum steigen aber die Inflationserwartungen, wenn Deflation vorherrscht? Warum hat sich der Erdölpreis in den vergangenen sechs Monaten verdoppelt, obwohl der Welthandel eingebrochen ist und die Kapazitätsausnutzung in der Industrie unausgelastet tendiert? Die Monetarisierung der Staatsschulden hat in den vergangenen zwei Wochen die öffentliche Debatte über die Exitstrategie der Zentralbanken, d.h. die Rückkehr zum konventionellen Kurs der Geldpolitik zusehends angeheizt. Die Hoffnungen auf ein Ende der Krise scheinen daher viele Marktteilehmer zum Aktionismus zu zwingen. Die Wirtschaft befindet sich in der grössten Deflation seit den 1930er Jahren. Die Probleme des Finanzsystem sind noch nicht gelöst. Die Banken, v.a. die grossen darunter leben nach wie vor von den Subventionen des Staats (Rekapitalisierungsmöglichkeiten zum Nulltarif). Es ist zu früh, das Ende der Krise zu rufen.

Performance seit Jahresbeginn:*
TIPS: 3,06%
US-Treasuries: -5,88%
S&P-500 Index: 1,67%
Unternehmensanleihen: 6,29%.
* Angaben: Morgan Stanley, FITnes Report

Sonntag, 21. Juni 2009

Warum Inflation keine Gefahr ist

Der Welthandel ist zum Erliegen gekommen. Alle Indikatoren verweisen derzeit auf einen abnehmenden Preisdruck. Dennoch warnen viele Volkswirte vor einer ausufernden Inflation, weil die Geldmenge sich ausserordentlich ausweitet. Daraus zu schliessen, dass die Fed uns in die Inflation zieht, bezeichnet Alan S. Blinder heute in einem interessanten Essay in The New York Times als „weitgehend inkompetent“. Die klare und gegenwärtig vorhandene Gefahr sei sowohl für heute als auch für das kommende Jahr (sogar zwei Jahre) nicht Inflation, sondern Deflation, schreibt Wirtschaftsprofessor von der Princeton University weiter. Die Verbraucherpreise fallen in den USA den dritten Monat in Folge, bemerkt der ehemalige Vize-Präsident der US-Notenbank.


Welthandel, Graph: OECD: „Policy Responses to the Economic Crisis: Investing in Innovation for Long-Term Growth”, June 2009

Es sei wahr, dass der fallende Erdölpreis den Hauptgrund für die Deflation darstellt. Die Kernrate des Konsumentenpreisindexes (CPI) schwankt seit sechs Monaten in einer Bandbreite von 1,7 bis 1,9%. Die empirische Erfahrung zeigt, dass die konjunkturelle Schwäche die Inflation zurückdrängt. Die Kernrate der Inflation dürfte laut Blinder, der die Politiker der Demokratischen Partei berät, für 2010 oder 2011 auf nahe Null, ja sogar ins Negative fallen. Ben Bernanke und seine Kollegen machen Überstunden, um die Deflation zu bekämpfen. Die Fed hat die Zinsen auf nahe Null Prozent gesenkt und wehrt sich gegen die Rezession mit einem unkonventionellen Kurs, der „quantitative easing“ (mengenmässige Lockerung) genannt wird. Aufgrund der alternativen Geldpolitik wachsen jedoch Bankreserven, die normalerweise zu Inflation führen. Heute seien aber die Zeiten nicht normal. Deshalb sind die Besorgnisse über Inflation fehlgeleitet, hält Blinder fest. Die Fed sei nicht unfehlbar. Es gäbe drei Möglichkeiten, die zu beachten sind: (1) Die Fed kann falsch liegen, indem sie ihren gegenwärtigen Kurs „zu langsam“ zurückfährt, was in Inflation einmünden würde. Die Fed könnte aber die Liquidität „zu schnell“ zurückziehen. In diesem Fall würde die Erholung der Wirtschaft im Keim erstickt und die Deflation würde aufkommen. (2) Die Fed ist sich des Exit-Problems bewusst. Die US-Notenbank arbeite daran und sie sei kompetent genug, das Inflationsziel unter der Marke von 2% zu halten. Sie kann aber ihr Ziel verfehlen und die Inflation könnte am Ende der Krise bei 3 oder 4% landen, aber bestimmt nicht bei 8 oder 10%. (3) Die Fed dürfte mit ihrem Exit-Prozess beginnen, während die Wirtschaft noch unter Vollbeschäftigung agiert und die Inflation unter dem Zielwert verläuft. Auf diese Weise wäre ein moderater Inflationsanstieg nicht unangenehm. Die Fed müsste also nicht scharf vorgehen. Den gegenwärtigen Anstieg der Renditen für US-Treasuries bewertet Blinder als Normalisierung. Er verweist auf die Inflationserwartungen, die als Differenz zwischen der Rendite der US-Staatsanleihen und den sog. TIPS (inflationsgeschützten Treasuries) ermittelt werden. Gemessen an 5-jährigen US-Staatsanleihen betragen die Inflationserwartungen heute rund 1,6%. Die Daten für die 10-jährigen US-Staatsanleihen zeigen Inflationserwartungen um den Wert von ca. 1,9%. Das ist genaue die von der Fed verfolgte Zielgrösse. Alan Blinder hat recht. Tatsächlich handelt es sich bei der heute zunehmenden Angst vor der Inflation eher um eine Ansammlung von fehlgeleiteten Stimmungen, als um harte Fakten.

Samstag, 20. Juni 2009

Aktienanleihen: Ein Schwindel?

Der Richtungsstreit unter den Marktteilnehmern hängt zur Zeit wie das Damoklesschwert über dem Aktienmarkt. Während viele Volkswirte angesichts der Ausweitung der Geldmenge vor einer ausufernden Inflation warnen, weisen andere auf die deflationären Kräfte im Markt hin. Steigen die Aktiekurse weiter oder fallen sie? Ist die seit März anhaltende Rally an der Börse übertrieben oder nicht? Die Stimmung ist derzeit angeschlagen. Infolge solcher Fragen geraten Aktien wieder unter Druck. Sobald die Börse in eine Konsolidierungs- und/oder Korrekturphase gerät, mehren sich „Lösungsvorschläge“ mit raffiniert verpackten „Finanzinnovationen“. Dazu zählen u.a. Wandel- und Aktienanleihen. Sie bieten Schutz vor Inflation und helfen unentschlossenen Anlegern, die kritische Phase des Aktienmarktes ohne Schaden zu überstehen, heisst es öfters. Vergangene Woche hat Felix Salmon (Reuters) in seinem Blog die Aktienanleihen als scam (Schwindel) bezeichnet und damit den Stein ins Rollen gebracht, da er zugleich für deren Abschaffung plädiert hat. Hat Felix recht? Sehen wir uns zunächst mal Aktienanleihen („Reverse Converts“) genauer an.

Es handelt sich dabei um eine Anleihe mit einem über dem Marktzins liegenden Kupon. Die Laufzeit ist i.d.R. kurz. Der Kupon ist dafür ungewöhnlich hoch. Der Anleger bekommt am Ende der Laufzeit entweder eine vorher bestimmte Anzahl von Aktien oder die Anleihe wird ihm zum Nominalbetrag von 100% zurückbezahlt. Der Emittent der Anleihe verfügt über das Wahlrecht und befindet über die Tilgungsmodalitäten. Genau hier liegt das Risiko des Anlegers. Wenn der Basiswert (underlying) eine Aktie ist, spricht man von einer Aktienanleihe („Reverse Convertible Bonds“). Aktienanleihen können jederzeit zum aktuellen Kurs verkauft werden. Allerdings ist es so, dass der Handel im Sekundärmarkt nicht liquide ist und der Kurs der Aktienanleihe zumeist vom Emittenten selbst gestellt wird. Der Spread zwischen dem Geld- und Briefkurs ist daher i.d.R. hoch.

Die Aktienanleihen (auch „Equity-Linked-Bonds“ genannt) beinhalten Termingeschäfte. Es geht dabei um eine Kombination zwischen einer Geldmarktanlage und einer Option. Der Anleger platziert im Prinzip sein Geld am Geldmarkt und verkauft zusätzlich (durch den Kauf einer Aktienanleihe) eine Verkaufsoption. Dafür erhält er eine Risikoprämie.

Wann erzielt aber der Anleger den grösstmöglichen Gewinn? Um diese Frage angemessen zu beantworten, müssen die 4 möglichen Fälle näher betrachtet werden:

Angenommen ist die Rede von einer Aktienanleihe mit der Laufzeit von 1 Jahr und dem Kupon von 8%.

(1) Wenn der Kurs der zugrunde liegenden (underlying) Aktie um mehr als 8% steigt:
Das bedeutet ein Verlustgeschäft, da der Anleger (Käufer) auf einen Teil des Kursanstiegs verzichtet.

(2) Wenn der Kurs der Aktie um weniger als 8% steigt:
Der Anleger würde mit der Anleihe besser fahren.

(3) Wenn der Kurs der Aktie weniger als 8% sinkt:
Der Anleger erhält die Aktie günstiger, als wenn er sie direkt am Markt kaufen würde.

(4) Wenn der Kurs der Aktie mehr als 8% sinkt:
Der Anleger macht effektiv Verlust.

Der Kurs des Basiswertes, das Zinsniveau und die Volatilität usw. zählen zu den Faktoren, die für den Fall „ Gewinn oder Verlust“ eine gewichtige Rolle spielen.

Fazit: Das Verlustpotential ist rein theoretisch unbegrenzt, während die Rendite nach oben begrenzt ist (Maximalgewinn bleibt in diesem Beispiel bei 8%). Das Risikoprofil ist also asymmetrisch. Es gilt zudem als sicher, dass diese „Finanzinnovation“ keinen Wert schafft. Es findet also keine Wertschöpfung statt, sondern das Geld wird umverteilt von den Anlegern zu den Banken. Felix hat recht. Viele Grüsse nach New York.

Schweizer Immobilienmarkt

Die Spekulationsblase auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt zählt zweifelsohne zu den Hauptursachen der anhaltenden Wirtschaftskrise. Der Boom am Immobilienmarkt hat von 1997 bis 2006 zu einem realen Anstieg der Häuserpreise um 85% geführt. In der Schweiz hingegen stiegen die Preise zwischen 2000 und 2006 laut SNB im Durchschnitt um 20-40% an. Überhitzung gab es nur in einigen Regionen, z.B. im Kanton Genf, wo sich die Häuserpreise in den letzten 10 Jahren verdoppelt haben. Der Schweizer Immobilienmarkt war aber alles in allem durch Stabilität geprägt, sagte Thomas Jordan, Mitglied des SNB-Direktoriums in einem Vortrag gestern. Die SNB ist sich aufgrund der aktuellen Erfahrungen in den USA und der Schweiz in den 1990er Jahren des Einflusses der Immobilienmärkte auf die Finanzstabilität bewusst. Deshalb hat die SNB laut Jordan das Monitoring der Immobilienmärkte in der Schweiz und im Ausland weiter ausgebaut.


Schweizer Immobilienpreise im internationalen Vergleich, Graph: Thomas Jordan, SNB, June 19, 2009

Nach Angaben der SNB sind (1) die Preise seit dem letzten Sommer annähernd stabil geblieben. (2) Die Wohnbauvolumen gingen etwas zurück. (3) In der Schweiz sind derzeit keine Anzeichen einer Kreditklemme für Wohnhypotheken zu erkennen und (4) Die ausstehenden Hypothekenvolumen stiegen im I. Quartal 2009 weiter an.

Der Immobilienmarkt spielt für die Geldpolitik wegen der Gewichtung der Mietpreise im Index der Konsumentenpreise eine wichtige Rolle. Die Entwicklungen am Immobilienmarkt können die wirtschaftliche Aktivität indirekt über den Konsum beeinflussen. Das hat man v.a. in der US-Wirtschaft deutlich beobachten können. Die SNB hat den Leitzins seit dem vergangenen Herbst praktisch auf Null gesenkt. Die expansive Geldpolitik hat folgende Vorteile für den Immobilienmarkt: (1) Ein starker Rückgang der Hypothekenzinsen, die zu einer Entlastung der Zinszahlungen für die Haushalte führen. (2) Tiefere Zinsen bedeuten ferner mehr Spielraum für Konsum und Investitionen und (3) Die Milderung der Rezession und die Abfederung der Deflation helfen, einen deutlichen Rückgang der Hauspreise zu vermeiden.


Starker Rückgang der Hypozinsen, Graph: Thomas Jordan, SNB, June 19, 2009

Tiefere Zinsen bergen aber mittelfristig auch Gefahren: (1) Überinvestitionen, da die Bauaktivitäten unverhältnismässig stark ausgeweitet werden und/oder am falschen Ort erfolgen. (2) Unausgewogene Entscheide beim Häuserkauf und (3) Zu lockere Kreditvergabe im Sektor. Die SNB will aber ihre Geldpolitik wieder normalisieren, sobald sich die Wirtschaftsaussichten verbessern und die Deflationsgefahr gebannt ist. Dies kann zu einem „raschen und deutlichen Anstieg“ der Hypothekenzinsen führen. Deswegen appeliert die SNB an Wohneigentümer und Banken: Die ersteren sollen eigenverantwortlich handeln. Die letzteren sollen mit der Kreditvergabe diszipliniert umgehen.

Freitag, 19. Juni 2009

Finanzmarktregulierung

Präsident Obama hat einen umfassenden Plan zur Regulierung der Finanzmärkte vorgelegt. Im Hinblick auf das Ausmass sind die Vorschläge zur Verbesserung der Kontrolle des Finanzsystems sicherlich so vielschichtig wie die Reformen, die im Sog der Grossen Depression in den 1930er Jahren eingeleitet worden sind. Nun zeichnet sich eine lebhafte Debatte über die Neuordnung der Marktaufsicht. Hier ist eine gute Übersicht über die pro- und contra-Positionen. Während in den USA über die Eckpunkte einer neuen Finanzmarktregulierung hitzig debattiert wird, macht das Euroland keinerlei Anstalten, das eigene Finanzsystem zu reformieren.

Das Euroland hatte auch zu Beginn der anhaltenden Krise eine klare Linie nicht erkennen lassen. Die EZB hatte sogar die Dreistigkeit, die Zinsen anzuheben. Erst nach dem die Krise sich zugespitzt hat, wurden von den einzelnen Regierungen im Euro-Raum zaghaft erste Massnahmen zur Konjunkturstützung ergriffen. Welche Lehren zieht aber das Euroland aus der Krise? Bisher sind keine konkrete Vorhaben bekannt. Welche Chancen haben die Reformpläne der Obama-Administration, das Finanzsystem umzukrempeln? Paul Krugman vermerkt heute in seiner Kolumne in the The New York Times, dass der Plan die grossen Lücken in der mangelhaften Finanzaufsicht plombieren, aber die verdrehten Anreize, welche die gegenwärtige Krise unvermeidbar gemacht haben, nicht abschaffen kann. Die Finanzreform soll v.a. die Nicht-Bank Banken aus dem Schatten bringen. Gemeint ist das bisher unreguliert agierende Schatten Banken-System. Wie Finanzminister Tim Geithner vermerkt hat, handelte 2007 mehr als die Hälfte der US-Banken im „Parallel Finanzsystem“. Wie die Lehman-Pleite zeigt, hat das anfällige Schatten Banken-System zu einem „Bank-Run“ geführt und folglich eine globale Krise ausgelöst. Dass die US-Notenbank (Fed) von jetzt an für alle „systemrelevanten“ Finanzinstitute zuständig sein wird, findet Krugman gut. Aber die Vorschläge zur Stärkung der Eigenmittel der Banken gehen dem Nobelpreisträger zufolge nicht weit genug. Vor allem solle sich die Regierung auch die Ratingagenturen vorknöpfen und die Art und Weise, wie die Banker entlohnt werden, bedürfe einer spezifischen Regulierung, urteilt Wirtschaftsprofessor, der an der Princeton University unterrichtet.

Donnerstag, 18. Juni 2009

SNB für die Fortsetzung von Devisenmarktinterventionen

Das SNB-Direktorium zeigte sich heute im Mediengespräch entschlossen, die unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen fortzusetzen. Darunter sind v.a. zu verstehen: (1) Abschluss von längerfristigen Repo-Geschäften und (2) Kauf von Devisen und Frankenanleihen am offenen Markt. „Falls nötig werden wir weiter am Devisenmarkt intervenieren, um eine Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro zu verhindern“, sagte Thomas Jordan. Die SNB befinde sich in einer Position der Stärke und müsse bei den Interventionen weder auf ein bestimmtes Zinsniveau Rücksicht nehmen noch die Ausdehnung der Geldmenge neutralisieren.


Euro/CHF und Wechselkursvolatilität, Graph: SNB, June 18, 2009

Es ist der SNB in dieser Krise gelungen, die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro zu stoppen. Die Volatilität des €/CHF-Kurses ist deutlich zurückgegangen, wie die SNB in der Abbildung (Euro/CHF und Wechselkursvolatilität) präsentiert.


Swap Spreads, Graph: SNB, June 18, 2009

Mit dem Kauf von Franken-Anleihen will die SNB die Risikoaufschläge am Kapitalmarkt senken und auf diese Weise die Refinanzierung privater Schuldner erleichtern. Zunächst hat die SNB Pfandbriefanleihen gekauft. Seit Anfang April erwirbt sie auch Unternehmensanleihen. Die Risikoaufschläge sind infolgedessen deutlich zurückgekommen (siehe Abbildung Swap Spreads).

Too Big to Fail-Problem aus Sicht der SNB

Die Too Big to Fail-Problematik berge für die Banken tendenziell auch Anreize zu exzessiver Risikowahl, so im Mediengespräch der Schweizerischen Nationalbank (SNB) von heute. Philipp Hildebrand betrachtet die “Too Big to Fail”-Problematik in der Schweiz angesichts der Bedeutung der Grossbanken für den Schweizer Bankensektor und die Volkswirtschaft als besonders ausgeprägt und in vieler Hinsicht einmalig. Vizepräsident des Direktoriums der SNB vertritt die Meinung, dass „ein klar definiertes und international koordiniertes Liquidationsverfahren dazu beitragen würde, diese Problematik zu mildern“.

Das Zusammenspiel nationaler Rechtsordnungen sei jedoch äusserst komplex. Eine Lösung sei entsprechend aufwändig, so Hildebrand. Deshalb schlägt die SNB alternative Lösungsansätze vor: (1) Vorschriften, die im Krisenfall erlauben, die wichtigen („systemrelevanten“) Teile der Bank herauszulösen und die restlichen Teile zu liquidieren. (2) Massnahmen, die bei der Grösse der Banken ansetzen. Die Grösse einer Bank kann indirekt mittels Eigenkapitalregulierung gesteuert werden. Die SNB will diese und mögliche weitere Optionen mit FINMA (Aufsichtsbehörde) in enger Zusammenarbeit vertieft analysieren.

Schweizerische Nationalbank behält expansive Geldpolitik

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat heute das Zielband für den 3-Monats-Libor unverändert bei 0%-0,75% belassen. Die SNB verfolgt weiterhin das Ziel, den Libor allmählich in den unteren Bereich des Zielbandes auf ein Niveau von rund 0,25% zu führen. Trotz einzelner positive Signale bleibe die internationale Wirtschaftslage ungünstig, und ein erneuter Konjunkturabschwung lasse sich nicht ausschliessen, so die SNB. In der Schweiz sei die Wirtschaftslage schwierig, das Risiko einer Deflation habe sich laut SNB abgeschwächt, bleibe aber bestehen.


SNB Target Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Die Schweizer Währungshüter heben im besonderen drei Eckpunkte hervor: (1) Die grosszügige Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität wird fortgesetzt. (2) Der Aufkauf von CHF-Anleihen wird anhalten. (3) Einem Anstieg des CHF gegenüber dem € wird weiterhin entschieden entgegengewirkt.

Prognosen (2009):
BIP-Wachstum: Rückgang um 2,5%-3%
Inflation: -0,5%

Fazit: Die SNB hält angesichts der Aussichten für die Preisentwicklung eine expansive Geldpolitik für notwendig.

US-Verbraucherpreise: Der stärkste Rückgang seit 60 Jahren

Auf Jahressicht ist der Konsumentenpreise-Index (CPI) so stark gefallen wie seit fast 60 Jahren nicht mehr. Der CPI ist im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,3% gesunken. Das entspricht laut Bloomberg dem stärksten Rückgang seit April 1950. Die Kernrate (ohne die Preise für Energie und Lebensmittel) stieg annualisiert um 1,8%. Die US-Verbraucherpreise sind im Mai um 0,1% gestiegen, nachdem sie im April unverändert blieben.


CPI, Graph: Fed St. Louis

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Mitteilung des US-Handelsministeriums, dass das Defizit in der Leistungsbilanz der USA sich im I. Quartal verringert hat. Der Fehlbetrag ist auf 101,5 Mrd. $ gesunken. Das Defizit beträgt damit 2,9% des BIP. Das ist der niedrigste Wert seit dem I. Quartal 1999. Grund für die Abnahme ist der deutliche Rückgang der Einfuhren. Der Preisverfall dürfte sich in den kommenden Monaten verstärken. Die sinkenden Lebenshaltungskosten deuten darauf hin, dass das Risiko der Deflation kurzfristig deutlich höher ist als das der Inflation.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Too big to fail – too big to be managed

Welche gesellschaftliche Vorteile bringen die Banken, die zu gross sind, um zu scheitern? Insbesondere im Verhältnis zu den Kosten, die sie verursachen. Darf man weiter zulassen, dass sie wie bisher auf Kosten der Gesellschaft zocken? Nein, schreibt Joseph Stiglitz in einem lesenswerten Essay („America’s Socialism for the Rich“) in Project Syndicate. Sie sind zu gross, um sie scheitern zu lassen, aber zugleich auch zu gross, um saniert zu werden, wenn v.a. die Steuerzahler die Milliarden aufbringen müssen, urteilt Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften.

Es geht eigentlich um das Thema „Reform der Bankenaufsicht“. Die besagten Banken wehren sich derzeit vehement gegen Regulierung. Kein Wunder, das alte System (v.a. das Schatten Banken-System) hat für sie gut funktioniert. Ihre Banker, bzw. Verkäufer haben mittels „originate-to-distribute“-Modell Kunden Produkte aufgeschwatzt, die in keiner Weise dem Risikoprofil dem Sparer entsprochen haben. Die Finanzinnovationen sorgten ferner kaum für eine breite Risikoverteilung. Ganz im Gegenteil entstand eine Risikoakkumulation. Die AIG hat CDS-Versicherungen im Volumen von 441 Mrd. $ ausgestellt. Auf dem Papier haben die besagten Banken ihre Kreditrisiken auf die mit Hypotheken besicherten Wertpapiere ausgelagert. Aber sie haben sich alle bei der AIG abgesichert. Das Risiko ist beim Versicherungskonzern konzentriert worden. Der Staat hat folglich Bürgschaften in Milliarden Höhe bereitgestellt. Die Risiken wurden der Volkswirtschaft aufgebürdet. Das vom Staat fast zinsfrei zur Verfügung gestellte Geld für die Sanierung wird nun von den Banken sogar für die Auszahlung von unverhältnismässig hohen Bonis und Dividenden benutzt. Die Frage, welchen Beitrag das EK-Rentabilitätsziel von 25% zum Wirtschaftswachstum leistet und welche Innovation für die Allgemeinheit daraus resultiert, bleibt unbeantwortet. Heute präsentiert Präsident Obama seine Reformvorschläge für die Regulierung des Finanzsystems. Ob seine Administration dem politischen Druck der Grossbanken nachgibt oder nicht, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

EZB und die Krise

Langfristig gibt es die Gefahr der Inflation. Kurzfristig ist aber das Risiko der Deflation deutlich höher, sagt Nouriel Roubini in einem Interview mit dem Handelsblatt. Wirtschaftsprofessor an der Stern School of Business der New York University erklärt auch, warum Europa von der Krise stärker getroffen ist als die USA. Die EZB sorge sich wie in der Vergangenheit zu sehr um die Inflation allein, hält Roubini fest. Die europäischen Staaten stellen zu wenig Geld bereit. Besonders Deutschland könnte mehr Steuergeld investieren, so sein Fazit.

In diesem Zusammenhang ein lesenswerter Kommentar von Wolfgang Münchau in FT Deutschland: Es muss gehandelt werden, um zu verhindern, dass es für Deutschland noch schlimmer kommt, erläutert er in seiner Kolumne.

Dienstag, 16. Juni 2009

Türkische Zentralbank senkt ihren Leitzins auf 8,75 Prozent

Die türkische Zentralbank (CBT) hat heute auch auf ihrer sechsten Sitzung dieses Jahres ihre Leitzinsen weiter gesenkt. Der Tagesgeldeinlagensatz (overnight borrowing rate) wurde um 50 Basispunkte von 9,25% auf 8,75% zurückgeschraubt. Die CBT hat auch den Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) von 11,75% auf 11,25% reduziert. Damit haben die türkischen Währungshüter die Leitzinsen in den vergangenen 8 Monaten angesichts der anhaltenden Weltwirtschaftskrise und der Nachfrageschwäche um insgesamt 800 Basispunkte gesenkt.


CBT O/N Borrowing Rate, Graph: CBT

Der geldpolitische Ausschuss der türkischen Zentralbank begründete den heutigen Zinsentscheid mit dem Hinweis auf die weltweit anhaltenden Widrigkeiten in wirtschaftlicher Hinsicht, obwohl die aktuellen Konjunkturdaten eine partielle Erholung der Konsumnachfrage im Inland erkennen lassen. Die schwache Nachfrage aus dem Ausland laste nach wie vor auf den inländischen Investitionen. Ein möglicher Anstieg der Teuerungsrate im Sommer sei daher nur von vorübergehender Natur.

Die Wiederbelebung der Wirtschaft werde allmählich und graduell verlaufen. Da die Beschäftigungslage sich kaum verbessern dürfte, sei weiterhin mit einem abnehmenden Preisdruck zu rechnen. Die Unsicherheit über die negativen Auswirkungen der globalen Finanzkrise auf die Realwirtschaft halte noch an.




Tagesgeld (overnight)in %
Einlagensatz8,75%
Ausleihsatz11,25%


US-Dollar/TRY: 1,5499
Euro/TRY: 2,1498
CHF/TRY: 1,4268.

Israel in MSCI-Index

Israel bekommt den Status eines entwickelten Landes. Das bedeutet, dass das Land im kommenden Jahr in einen der wichtigsten Aktienindizes der Welt aufsteigen wird, so die Mitteilung des MSCI. Israel hat damit den Konkurrenten Südkorea abgehängt. Investoren, die weltweit mit einem Vermögensvolumen von 3'000 Mrd. $ die MSCI-Indices nachbilden, werden jetzt umschichten müssen. Die Gewichtung Israels im MSCI-Index für Schwellenländer betrug bislang rund 3%. Im MSCI World Index wird sie jedoch mit 0,39% etwas weniger ausmachen.


Tel Aviv 25 Aktien Index, Graph: Bloomberg.com

Israel’s Börse hat eine Marktkapitalisierung von 134,5 Mrd. $. Der Tel Aviv Aktienindex TA-25 legte seit Jahresbeginn um rund 30% zu. Das KGV für TA-25 Index beläuft sich zur Zeit auf 24,9. Im Vergleich: 9,6 im November 2008.

Gesamte Nachfrage

Die Volkswirtschaft ist in einer Liquiditätsfalle. Das heisst, dass der Zins auf Null gefallen ist und die Zentralbank den Nominalzins nicht mehr durch eine weitere Erhöhung der Geldmenge senken kann. Liegt der Nominalzins bei Null, wird die Geldhaltung attraktiver als die Haltung von z.B. Anleihen. Das zusäztliche Geld wird also liquide gehalten. Denn das Geld ist das liquideste aller Vermögenswerte. Die Gestalter der makroökonomischen Politik sind dann laut Paul Krugman nicht mehr in der Lage, die Konjunktur durch eine konventionelle Geldpolitik zu steuern. Notwendig sind daher unkonventionelle Mittel, um die Rezession zu bekämpfen. Zum Beispiel expansive Geldpolitik („quantitative easing“ oder „credit easing“, wie der Fed-Chef Ben Bernanke nennt), Deficit-Spending (Erhöhung der öffentlichen Haushaltsmitteln zur Konjunkturbelebung) und Offenmarktankauf von Staatspapieren.


Real Output Growth, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends June 2009

Der potenzielle Output einer Volkswirtschaft ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP), das mit den vorhandenen Arbeitskräften, Kapital und Technologie hergestellt werden kann. Da die aggregierte Nachfrage zur Zeit aufgrund der anhaltenden Rezession brachliegt, ist der potenzielle Output höher (Produktionslücke oder „Output Gap“) als der tatsächliche Output. Das bedeutet, dass ein Teil der Produktivitätskapazität ungenutzt bleibt. Dieser Zustand wird durch hohe Arbeitslosigkeit reflektiert. Um die Rezession zu überwinden und die Vollbeschäftigung zu erreichen, muss die Nachfrage gesteigert werden. Nach Keynes bestimmt die Nachfrage das Angebot.

Gesamtnachfrage = Privater Konsum + Investitionen + (Export – Import) + Staatsausgaben

Wenn private Haushalte sich mit Ausgaben zurückhalten, weil sie mit einem lange anhaltenden Preis- und Lohnrückgang rechnen und Unternehmen nicht investieren, weil sie ihre Zukunftserwartungen als düster einschätzen und das Exportgeschäft einbricht, bleibt nur noch die vierte Komponente der gesamten Nachfrage übrig: Staatsausgaben. Hier liegt der Ansatzpunkt.