Samstag, 6. März 2010

Haushaltsdefizit: Grösse hängt vom Zustand der Wirtschaft ab

Nicht nur das Ausmass des Abschwungs, sondern auch das Ausmass der Haushaltsdefizite hat viele überrascht, schreibt Joseph Stiglitz in einem lesenswerten Essay („Die Gefahren einer Defizitreduzierung“) in Project Syndicate. Proteste kommen aber v.a. von den jenigen, die gestern noch für die Deregulierung eingetreten sind. „Die Kurzsichtigkeit der Banken hat die Krise zum Teil hervorgerufen, wir dürfen nicht zulassen, dass die Kurzsichtigkeit der Regierung (angestiftet von den Banken) sie nun verlängert“, bemerkt Stiglitz. Der Finanzsektor hat dem Rest der Gesellschaft riesige externe Lasten auferlegt, hält er fest. Der Sektor sollte deshalb nach dem Verursacherprinzip angemessene Steuern auferlegt bekommen, argumentiert Nobelpreisträger. Probleme sind durch einen zu hohen Fremdfinanzierungsgrad und durch Banken, die zu gross sind, um zu scheitern, hervorgerufen wurden, erklärt Stiglitz. Ohne fortlaufende staatliche Hilfen besteht das Risiko der fortlaufenden Stagnation, warnt er. Wachstum ist zu schwach, um die Arbeitslosenquote in absehbarer Zeit auf ein normales Niveau zu bringen, so Stiglitz. Durch eine verfrühte Kürzung der Defizitfinanzierung entsteht das Risiko, dass die Wirtschaft erneut in die Rezession zurückfällt, betont Stiglitz völlig zu Recht.

Da das Wachstum sowohl in den USA als auch in Europa anämisch ist, rechnet Nouriel Roubini mit einer Erholung in U-Form. Auch er warnt vor einer Gefahr der „double-dip“ Rezession.

Auch James Galbraith befasst sich mit dem Thema Haushaltsdefizit in einem langen, aber lesenswerten Essay („In Defense of Deficits“) in Nation. Die Defizit-Phobie der Wall Street, der Presse, einiger Journalisten und praktisch aller Politiker ist eine der tiefsten Gefahren, vor der wir stehen, schreibt Galbraith. Das Defizit zu kürzen, ohne zuvor den Motor der Wirtschaft, nämlich das private Kreditsystem auf den Vorderman zu bringen, ist der sichere Weg zu einer Stagnation bis einer double-dip recession, ja sogar einer zweiten Weltwirtschaftskrise, erklärt Galbraith. Der obsessive Fokus auf künftige Defizitkürzungen ist der Weg, der verhindert, der nicht unterstützt. Was wir brauchen ist, ein starkes Wachstum und eine hohe Beschäftigung, argumentiert Galbraith, der an der University of Texas Wirtschaftswissenschaften unterrichtet. Grob formuliert gibt es zwei Wege, um einen Anstieg der gesamten Ausgaben zu ermöglichen. Der eine Weg ist, dass der Staat Geld ausgibt. Der andere Weg ist, dass die Banken Kredite vergeben. Staat und Banken sind zwei Organisationen, die die Macht haben, aus dem Nichts etwas zu schaffen, erklärt Galbraith. Wenn Ausgaben angekurbelt werden sollen, dann muss der eine oder der andere dieser beiden Finanzmotoren (öffentliche Verschuldung oder Privatkredite) im Einsatz sein, bemerkt Galbraith.

Paul Krugman verweist darauf, dass die Zinsen nicht nur am kurzen Ende, sondern auch am langen Ende der Renditekurve niedrig sind. Langfristige Zinsen betragen derzeit real weniger als 1,5 Prozent. Macht man also Schulden-Dienst-Arithmetik, stellt man fest, dass die Verschuldung kein Problem darzustellen scheint, erklärt Krugman. Um den realen Wert der Schulden zu stabilisieren, ist alles, was die Regierung tun muss, reale Zinsen dafür zu zahlen. Angenommen die Höhe der Schulden beträgt 100% des BIP. Das ist also höher als der Wert der gegenwärtigen Verschuldung. Dann beläuft sich der Schuldendienst auf nur 1,4% des BIP oder rund 7% der Staatsausgaben. Warum sollte das unerträglich sein, fragt Krugman. Um die Staatsquote (debt/GDP-ratio) zu stabilisieren, muss man (r-g) zahlen, wobei (r) für Real-Zins und (g) für Wirtschaftswachstumsrate stehen. (r-g) ist derzeit negativ, betont Krugman. Das Thema ist politisch. Das Problem ist Vertrauen, schlussfolgert Krugman.

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