Sonntag, 25. April 2010

Derivate und ihr Gewicht in Bank-Bilanzen

Es ist Banken inzwischen gelungen, wieder so viel Geld zu verdienen wie vor der Krise, wie die Abbildung deutlich vor Augen führt. Es ist ein offenes Geheimnis, welche entscheidende Rolle die Derivate dabei spielen. In der grauen Welt der Derivate mit undurchsichtigen Strukturen werden versteckte Risiken aufgrund der fehlenden Transparenz an die Endkunden übertragen. Finanzinnovationen haben Vermögenswerte geschaffen (v.a. Asset-backed Securities), die für eine lange Zeit fälschlicherweise als sicher empfunden und dementsprechend bewertet wurden, schreibt Paul Krugman. Das hohe Wachstum des Finanzsektors hat zu einem Aufwärtstrend der Preise von Vermögenswerten geführt, wobei die tatsächlichen Risiken versteckt bleiben, bemerkt Krugman weiter.


Durchschnittliche Vergütung im Vergleich : Finanzsektor vs. Nicht-Finanzsektor, Graph: Courtesy of James Kwak, „13 Bankers

Wie zum Beispiel die Immobilienblase die wahren Risiken von Subprime-Krediten maskiert hat. Das ist ein zentrales Element, aber nicht einzigartig. Früher oder später platzt eine Blase und das Ganze bricht zusammen. Krugman geht ferner davon aus, dass zwischen 1980 und 2008 das Finanzsystem, indem Gewinne aufgrund mangelnden Wettbewerbs generiert wurden, durch ein Finanzsystem ersetzt wurde, indem Gewinne durch Fehlinformationen und Fehleinschätzungen in einem grossen, nicht ganz unbeabsichtigten „Ponzi-Scheme“ (d.h. Schneeball-System) erzeugt wurden, welches schliesslich geplatzt ist. Ohne strenge Regulierung wird es wieder passieren, warnt Krugman.

Auch James Kwak befasst sich in einem lesenswerten Essay in Huffington Post mit dem Thema Derivate. Und zwar in der Bilanz der Banken. Die Frage ist, wie gross Grossbanken sind? Zählt man Derivate nicht, wissen wir in der Tat nicht, wie gross Grossbanken sind. Kwak plädiert in seinem Buch „13 Bankers“ (mit Simon Johnson) dafür, die Grösse der Banken zu deckeln. Kein Finanzunternehmen soll über Vermögenswerte verfügen, die mehr als 4% des BIP betragen. Das Problem hat jedoch zwei Dimensionen: (1) Vermögenswerte. Konventionell gemessen spiegelt die Summe der Vermögenswerte nicht alle Exposures einer Bank wider, genauso wie die Passiva nicht alle Verpflichtungen einer Bank angemessen reflektieren. Der wichtigste Grund für diese Diskrepanzen sind Derivate und ausserbilanzielle Positionen („off-balance-sheet entities“), wie z.B. Zweckgesellschaften („Structured Investment Vehicles“: SIV). (2) Systemrelevanz eines Finanzinstitutes. Der Schaden, den ein Finanzunternehmen für das System verursacht, hängt zum Teil davon ab, wem die Verpflichtugen geschuldet sind. Das ist der einfache Sinn des berühmten Begriffs „eng vernetzt“ („interconnectedness“). Traditionell fokussiert die Regulierung auf die Aktivseite der Banken, um das relative Risiko verschiedener Vermögenswerte zu beurteilen. Diese werden in „risikogewichtete Aktiva“ konvertiert und dienen dann als Grundlage für Eigenkapitalanforderungen. Kwak schlägt vor, das Gewicht auf die Passivseite der Bankbilanzen zu verlegen. Für jede Klasse von Verpflichtungen soll bestimmt werden, wie viel Anleger oder Gegenparteien verlieren würden, falls das Finanzinstitut ausfallen sollte, so Kwak. Natürlich ist es dabei notwendig, Derivate und ausserbilanzielle Engagements des Finanzinstitutes zu berücksichtigen. Wie sich aber herausstellt, verwenden amerikanische und europäische Banken unterschiedliche Rechnungslegungsstandards. Während US-Banken GAAP als Massstab zu Grunde legen, verwenden europäische Banken IFRS, mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Die Deutsche Bank hat beispielweise Vermögenswerte in Höhe von 1'000 Mrd. Euro unter GAAP, aber 2'200 Mrd. Euro unter IFRS. Der Unterschied ist v.a. auf verschiedene Arten von Bilanzierung von Derivaten zurückzuführen. Daniel Gros zeigt auf, dass Goldman Sachs' Bilanz Ende 2008 Vermögenswerte in Höhe von 900 Mrd. $ aufgewiesen hat. Gemessen nach IFRS wäre die Summe jedoch 4'600 Mrd. $ gewesen. Der Verschuldungsgrad beträgt im ersten Fall: 15, im zweiten Fall 72! Was heisst das also? Es bedarf eines Rechnungslegungsstandards, der das „Netting von Derivaten“ nicht zulässt, damit gezeigt werden kann, wieviel Schaden für das Finanzsystem im Fall einer Krise verursacht werden würde. Kwak vertritt also die Ansicht, dass „wir ein Mass für die Grösse der Banken haben müssen, welches alle Verpflichtungen der Grossbanken gegenüber anderen Unternehmen erfasst, wenn wir die Grösse der Grossbanken beschränken, und zwar unter den Bedingungen, wenn Krise herrscht und ein Gegenpartei-Risiko besteht“, schlussfolgert Kwak.

Keine Kommentare: