Dienstag, 27. Juli 2010

US-Arbeitsmarkt: Nimmt die strukturelle Arbeitslosigkeit zu?

The Economist fragt wieder eine Reihe von renommierten Ökonomen nach ihrer Meinung, ob die USA einem Zuwachs der strukturellen Arbeitslosigkeit gegenüber stehen, und wenn ja, was zu tun ist? Zu den befragten Volkswirten zählen u.a. Daron Acemoglu, Scott Sumner, Richard Koo, Mark Thoma. Eine der Standard-Antworten auf die Frage beruht auf Bildung als Schlüssel für die guten Arbeitsplätze in Zukunft, bemerkt Thoma. Er ist zwar mit der Botschaft mit Vorbehalten einverstanden, aber er möchte die Aufmerksamkeit auf einen anderen Aspekt der Produktionsfunktion lenken: Kapital. Eine Standard makroökonomische Produktionsfunktion setzt voraus, dass die Wirtschaftsleistung (output) eine Funktion von zwei Hauptklassen von Inputs ist: Kapital und Arbeit. Die Technologie bringt diese Inputs zusammen, um Güter und Dienstleistungen herzustellen.

Y = F (K, L)

Y=Output, K=Kapital, L=Arbeit,
Technologie ist in der Funktion F eingebettet.

Das Produktionswachstum hängt dann vom Wachstum von Arbeit, Kapital und Technologie ab, erklärt Thoma. Der Standard-Schwerpunkt, der auf Bildung beruht, ist ein Versuch, um eine Einheit Arbeit produktiver zu gestalten und das Wachstum der Technologie zu maximieren. Das Wirtschaftswachstum hängt aber auch vom Wachstum des Kapitals ab. Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik ist so viel wie möglich mit der Zunahme des privaten Kapitals verbunden und die Wirtschaftspolitik war im letzten Jahrzehnt sicherlich in diese Richtung gekippt. Was vernachlässigt wurde, ist das Kapital der öffentlichen Hand, erklärt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor.

Wenn wir die guten Arbeitsplätze hier ansiedeln wollen, brauchen wir die Infrastruktur, um sie zu unterstützen. „Wenn wir nicht über ausreichende Investitionen in digitale Technologie, Transport-Infrastruktur und andere öffentliche Investitionen verfügen, welche uns erlauben sowohl intern effizient Güter zu liefern als auch auf globaler Ebene zu konkurrieren, dann werden wir verlieren“, hält Thoma fest. „Wir werden nicht in der Lage sein, gut bezahlte Arbeitsplätze als Ersatz für die Jobs, die wir in der Vergangenheit wegen Faktoren wie Technologie und Outsourcing verloren haben, bereitzustellen und Arbeitsplätze anzubieten, die für eine wachsende Bevölkerung erforderlich sind, wenn wir mit zu geringen Investitionen in den öffentlichen Kapitastock fortfahren“, so Thoma.

Öffentliche Investitionen sind zu lange ignoriert worden, selbst in einer so schlechten Rezession wie in dieser, argumentiert Thoma weiter. Eine Rezession, die Investitionen in Infrastruktur günstiger macht als in normalen Zeiten durch alle ungenutzte Ressourcen, die verfügbar sind, eine Rezession, die Gründe für Arbeitsplätze wie Investitionsausgaben liefert. Wenn wir für Amerika die bestmögliche Zukunft bereitstellen wollen, muss sich das ändern“, fasst Thoma als Fazit zusammen.

Richard Koo vertritt die Ansicht, dass es keinen Grund für einen Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit im Anschluss an eine gewöhnliche Rezession oder Finanzkrise gibt. „Doch die USA leiden heute unter Bilanz-Rezession (balance sheet recession), einer sehr seltenen Krankheit, welche erst nach dem Platzen einer landesweit fremdfinanzierten Asset-Preis-Blase geschieht, erklärt der Chefökonom von Nomura Research Institute, Tokio. In dieser Art von Rezession minimiert der private Sektor die Schulden, anstatt den Gewinn zu maximieren, weil der Zusammenbruch der Vermögenswerte die Bilanzen in einem ernsten Zustand von übermässigen Verbindlichkeiten hinterlässt, die dringend einer Reparatur bedürfen. Wenn der private Sektor mit dem Schuldenabbau (deleveraging) beginnt, während die Zinsen bei Null liegen, dann gerät die Wirtschaft in eine deflationäre Spirale, weil die aggregierte Nachfrage gleich der Summe der nicht-geliehenen Einsparungen und Schuldenrückzahlungen abhanden kommt, erklärt Koo. Unbeaufsichtigt gelassen schrumpft die Wirtschaft weiter, bis entweder der private Sektor repariert ist, oder der private Sektor zu arm wird, um überhaupt Geld (= Depression) zu sparen. Das letzte Mal ist diese deflationäre Spirale während der Grossen Depression in den USA passiert, so Koo als Fazit.

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