Sonntag, 13. Februar 2011

Defizit-Falken und verkannte Fakten

Die Peter G. Peterson Foundation versucht mit der Fiscal Solutions Tour, das Interesse der Öffentlichkeit gegen Haushaltsdefizite und Staatsverschuldung zu wecken, und v.a. um Unterstützung für Massnahmen für drastische Kürzungen von Social Security und Medicare zu gewinnen. Die Tournee („Fiscal Wake-Up Tour“) kam am 9. Februar nach Texas. Die Mitwirkenden waren Robert Bixby, David Walker und Alice Rivlin. Weil Frau Rivlin eine alte Kollegin ist, ging auch James K. Galbraith hin. Der an der University of Texas lehrende Wirtschaftsprofessor fasst die Vorträge in wenigen, prägnanten Sätzen in einem lesenswerten Beitrag in New Deal 2.0 zusammen. Bixby beginnt mit der Beschreibung der öffentlichen Schulden als „das entscheidende Thema unserer Zeit“ und sagt, die Frage sei, „wie gross wir uns verschulden und wie wir sie uns leisten können?“. Er erklärt aber nicht, warum das so ist. Er unterlässt es, zu versuchen, die Verschuldung in Bezug auf die Finanzkrise zu vergleichen, oder die Arbeitslosigkeit, die Zwangsvollstreckungen und den Klimawandel. Seltsamerweise werden keine dieser Fragen von keinem der Referenten erwähnt.

Ein besonderes Merkmal von Bixby’s Präsentation sind seine Charts. Einer davon zeigt deutlich, wie das öffentliche Defizit genau in dem Moment steigt, als die Finanzkrise ausbricht. Die Abbildungen zeigen zudem, wie die Haushaltsübeschüsse von Clinton in der Rezession von 2000 dahinschmelzen. Bixby scheint aber weder das eine noch das andere wahrgenommen zu haben.

Walker räumt zwar ein, dass das Niveau der Staatsverschuldung wirklich nicht hoch ist. Im Vergleich zum BIP ist sie nur ein bisschen mehr als die Hälfte von dem, was sie im Jahr 1946 gewesen ist. Walker bezieht sich dabei auf Schulden, die von der Öffentlichkeit gehalten werden: 63%, nicht 90+%, wie dies von der Presse mit Bezug auf die Bruttoverschuldung berichtet wird. Die relevante Zahl ist heute tiefer als die von Mitte 1950er Jahren und vergleichbar mit der Zahl von frühen 1990er Jahren, hebt Galbraith hervor. Aber Walker bringt ein anderes Argument: „Die Pro-Kopf-Staatsverschuldung ist heute real (d.h. bereinigt um die Inflation) doppelt so hoch wie damals“. Das Problem ist, dass die reale Pro-Kopf-Staatsverschuldung ein Konzept ohne wirtschaftliche Bedeutung oder Wichtigkeit ist, bekräftigt Galbraith. Keine Regierungsbehörde berichtet davon. Und auch in der Privatwirtschaft ist die Verschuldung nur in Bezug auf Einkommen und Vermögen entscheidend. Das reale Pro-Kopf-Volkseinkommen ist heute dreimal so hoch wie 1946. Wie kann es also von Bedeutung sein, dass die „reale Pro-Kopf-Staatsveschuldung“ heute doppelt so hoch ist?

Walker vergleicht ausserdem die USA mit Griechenland, mit der Implikation, dass dieses Land eines Tages Zinskosten gegenübersehen wird. Das ist natürlich Unsinn, betont Galbraith zu Recht. Denn Griechenland ist ein kleines Land, das in einer Währung Kredit aufnimmt, die es selbst nicht kontrollieren kann. Die USA hingegen sind ein grosses Land und fähig, Geld zu drucken. Es gibt also keine Chance, dass die Märkte die USA mit Griechenland verwechseln. Walker warnt ferner davon, dass ausländische Kreditgeber ihren Appetit für neue US-Staatsanleihen zügeln könnten. Die Idee dahinter ist, dass die chinesische Zentralbank die US-Dollar, die sie erwirbt, (also die Export-Überschüsse) nicht mehr in US-Staatsanleihen umwandeln würde, und zwar freiwillig, um US-Dollar bar zu halten, welche im Vergleich zu US-Staatspapieren keine Zinsen abwerfen. Warum das für die chinesische Zentralbank attraktiv sein soll, erklärt Walker nicht.

Hat Frau Rivlin etwas Vernünftiges hinzugefügt? Nein, abgesehen von einigen Plattitüden „ernsthafte Steuerreform“ und „Umstrukturierung von Medicare“ hat sie lediglich Walkers Argument von ausländischen Kreditgebern, die sagen könnten, „wir wollen euch nicht mehr Geld leihen“ wiederholt. Das würde aber darauf hinauslaufen, zu sagen: „wir verkaufen euch keine Waren mehr“. Das ist Rivlin wohl nicht in den Sinn gekommen.


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