Donnerstag, 24. Februar 2011

Vier Fragen an die Ersparnisschwemme-Hypothese

Ben Bernanke hat am vergangenen Freitag in einem Vortrag seine Ersparnisschwemme-Hypothese (Global Saving Glut: GSG) weiter entwickelt. Fed-Präsident hält die Ersparnisschwemme in den sog. Schwellenländern für die Ursache der niedrigen langfristigen Zinsen in den USA in den früheren und Mitte der 2000er Jahren. Demnach drückte das aus diesen Ländern (v.a. aus China und dem Mittleren Osten) in die US-Wirtschaft strömende Kapital die Zinsen nach unten. Der günstige Kredit hat folglich den Immobilien-Boom in Amerika angeheizt. In einem Vortrag in Paris hat Bernanke danach seine Hypothese von Ersparnisschwemme weiter verfeinert, indem er die Vermögenswerte, die von den sog. Entwicklungsländern gesucht sind, namentlich aufzählte. Die Investoren aus diesen Ländern, aber auch aus Europa haben laut Bernanke einen starken Appetit für Wertpapiere mit AAA-Rating an den Tag gelegt. Angesichts des begrenzten Angebots an US-Treasury Bonds und Agency-Securities (Hypotheken-Bonds von staatlichen Finanzierungsgesellschaften) habe das US-Finanzsystem darauf mit der Umwandlung von riskanten Vermögenswerten in sichere Anlagen reagiert.


Taylor Regel Lücke, Graph: Prof. David Beckworth

M.a.W. hat Fed-Chef eine Theorie präsentiert, die globale wirtschaftliche Ungleichgewichte, die Entwicklung der strukturierten Finanzierungsinstrumente und den Immobilien-Boom in den USA schön miteinander erfasst.

Zusammenfassend basiert die GSG-Hypothese darauf, dass (1) die US-Notenbank keine Verantwortung trägt, und (2) die Misere auf die ausländischen Investoren und den US-Privatsektor zurückzuführen ist. David Beckworth hebt in einem interessanten Beitrag („Four Questions for Ben Bernanke on His Global Saving Glur Hypothesis“) in seinem Blog hervor, dass er dieser eigennützigen Erklärung mit einiger Skepsis begegnet. Geht es bei der GSG-Hypothese um einen Aufschluss über den amerikanischen Immobilien-Boom oder um die Verteidigung der Fed, fragt der an der Texas University in San Marcos lehrende Wirtschaftsprofessor.

(1) War es nicht die Fed, die Ersparnisschwemme aus den Schwellenländern mit ihrer Geldpolitik selbst verwertet hat?

Die Fed ist nämlich eine monetäre Supermacht. Die US-Notenbank steuert die weltweit wichtigste Reservewährung und es ist bekannt, dass viele Emerging Markets formel oder informell ihre Landeswährung an den US-Dollar gekoppelt haben. So werde Feds Geldpolitik in weite Teile der Welt exportiert, argumentiert Beckworth. Damit müssen die EZB und die BoJ darauf achten, dass ihre Landeswährungen im Verhältnis zum US-Dollar nicht zu teuer wird.

In den früheren bis mittleren 2000er Jahren waren die Schwellenländer, die ihre Währungen an den Dollar gekoppelt haben, gezwungen, mehr Dollars zu kaufen, als die Fed dazu überging, ihre Geldpolitik zu lockern. Diese Volkswirtschaften verwenden den US-Dollar, um US-Wertpapiere zu kaufen. Gewissermassen waren auch die EZB und die BoJ gezwungen, als Reaktion auf die amerikanische Geldpolitik mit den Währungsreserven US-Wertpapiere zu erwerben, beschreibt Beckworth weiter. Das bedeutet, dass je lockerer die amerikanische Geldpolitik gestaltet wurde, desto grössere Menge an recyceltem Kredit zurück in die US-Wirtschaft kam.

Das heisst aber nicht, dass der ganze Aufbau von Währungsreserven wegen der US-Geldpolitik geschehen ist. Es gibt sicherlich auch vorbeugende und merkantilistische Gründe für die Anhäufung von Währungsreserven. Die Frage ist aber, wie wichtig die merkantilistischen Motive sind.

(2) Hat die Fed nicht selbst einen Teil des Anstiegs der Nachfrage nach sicheren Anlagen erzeugt, indem sie kurzfristige Zinsen super niedrig gehalten und versprochen hat, sie für eine beträchtliche Zeit dort zu halten?

Das Versprechen der Fed, die Zinsen für einen beträchtlichen Zeitraum niedrig zu halten, hat neue Anreize für das Finanzsystem geschaffen. Über die Erwartungshypothese entwickelten sich auch die mittel- bis langfristigen Renditen nach unten, erklärt Beckworth.

(3) Warum gilt die GSG-Hypothese nicht für die Entwicklung nach 2005?

Die riesigen Leistungsbilanz-Überschüsse aus den Entwicklungsländern haben in der Tat die langfristigen Zinsen in den USA nach unten gedrückt. Aber warum haben die langfristigen Zinsen 2004 aufgehört, zu fallen und dann 2005 wieder begonnen, zu steigen? Wie kommt es, dass die Ersparnisschwemme niedrige Zinsen in den früheren bis mittleren 2000er Jahren angetrieben hat, aber nicht danach?, fragt Beckworth.

(4) War die US-Wirtschaft wirklich ein Sklave der Schwellenländer in den frühen bis mittleren 2000er Jahren?

Die der GSG-Hypothese zugrunde liegende Thematik ist Unvermeidbarkeit. Die implizite Botschaft ist, dass die USA zu einem verschwenderischen Spender berufen war. Stimmt es? Warum konnte die Geld- und Fiskalpolitik während dieser Zeit nicht straffer gestaltet werden?, fragt Beckworth zum Schluss.

Exkurs:
Taylor-Regel Lücke
Die Lücke beschreibt die Differenz zwischen der von der Taylor-Regel vorgeschriebenen „Fed Fund Rate“ und dem „aktuellen Fed Fund Rate“. M.a.W. liefert die Taylor-Regel Lücke eine Messgrösse für den Stand der amerikanischen Geldpolitik. Die Taylor-Regel Lücke entspricht dem amerikanischen Leitzins gemäss Taylor-Regel minus dem aktuellen Leitzins. Ein positiver Wert für die Lücke bedeutet, dass der aktuelle Fed Fund Rate unter dem Wert gemäss Taylor-Regel liegt und damit auf eine lockere Geldpolitik hindeutet. Die Taylor-Regel geht von einem Zielwert von 2% für die Inflation (CPI) aus. Und die Produktionslücke wird anhand von Laubach-Williams gemessen.


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