Mittwoch, 11. Mai 2011

Ist Inflationsziel von 2% zu niedrig?

In einer von The Economist organisierten Debatte unter ausgewählten Ökonomen geht es um die Frage, ob ein Inflationsziel von 2% zu niedrig ist. In einem lesenswerten Beitrag antwortet Brad DeLong darauf mit einem Hinweis auf den Crash von 1825 von Canal Boom aus Grossbritannien und die nachfolgende Rezession.

John Stuart Mill hat damals die Ursache von Kapazitätsausfall, hohen Lagerbeständen und hoher Arbeitslosigkeit wie folgt beschrieben: In der Zeit nach dem Crash haben Haushalte und Unternehmen den Wunsch gehabt, ihre Bestände an sicheren und liquiden Finanzanlagen wesentlich zu erhöhen. Die Kehrseite ihrer Pläne (Überschussnachfrage nach sicheren und liquiden Finanzanlagen) war ein Mangel an Nachfrage nach gegenwärtig hergestellten Waren und Dienstleistungen. Und die Folgen waren hohe Arbeitslosigkeit, Überkapazitäten und Rezession.

Sobald die Wurzel des Problems bekannt ist, ist die Heilung einfach. Der Markt ist short an sicheren und liquiden Finanzanlagen. Ein Mangel an Vertrauen bedeutet, dass privatwirtschaftliche Unternehmen nicht selbst sichere und liquide Finanzanlagen für Unternehmen und Haushalte erstellen können. Dann soll der Staat durch die Bereitstellung von Finanzanlagen, die der Markt will und der Privatsektor nicht erzeugen kann, für die Stabilität der Wirtschaft sorgen. Eine richtig neutrale Geldpolitik erfordert daher, dass der Staat Anleihen kauft, um sichere und liquidere Finanzanlagen in den Markt zu pumpen, was wir in der Wirtschaft „Geld“ nennen, beschreibt DeLong.

All dies ist Monetarismus 101. Oder vielleicht ist es gerade Monetarismus 1, legt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor dar. Advanced Macroeconomics ist erreicht, wenn die Nomimalzinsen auf Null fallen. Wenn das der Fall ist, kann der Staat nicht extra sicheres und liquides Geld in die Wirtschaft durch standardmässige Offenmarktgeschäfte (open-market operations) pumpen: ein Treasury Bond mit 3 Monaten Laufzeit und Cash werfen beide Null-Rendite (als Verbindlichkeiten des Staates) ab  und der Kauf eines davon für das andere hat keine Auswirkungen auf den Gesamtbestand an Sicherheit und Liquidität in der Wirtschaft.

Wenn die kurzfristigen Nominalzinsen auf Null fallen, hat der Staat alles getan, was durch herkömmliche Geldpolitik gemacht werden kann, um die Ursache der Rezession zu beheben. Die Wirtschaft befindet sich damit in einer Liquiditätsfalle (liquidity trap), erklärt der ehemalige Staatssekretär im US-Finanzministerium (Treasury).

Es ist damit aber nicht gesagt, dass der Staat machtlos ist. Der Staat kann riskante und langfristige Schuldtitel aufkaufen und Garantien für Verbindlichkeiten im Privatsektor abgeben. Aber damit würde der Staat Risiko in die Bücher der öffentlichen Hand aufnehmen. Die Fiskalpolitik hat Vorteile, aber auch Nachteile, beschreibt der wissenschaftliche Mitarbeiter des amerikanischen Wirtschaftsforschungsinstituts National Bureau for Economic Research (NBER).

Wie lässt sich die Wahrscheinlichkeit minimieren, dass eine Wirtschaft bei Null Zinsen hängen bleibt, wenn kurzfristige Treasury Bonds und Cash vollkommene Substitute darstellen und konventionelle Geldpolitik keine Auswirkungen hat? Die offentsichtliche Antwort ist, ein bisschen Inflation im System zu haben: nicht genug, um den Preismechanismus zu stören, aber genug, um Nominalzinsen in normalen Zeiten zu erheben, sodass die Geldpolitik viel Spielraum hat, Schritte zu tun, die erforderlich sind, um die makroökonomische Stabilität zu schaffen, wenn Rezession droht. Was wir wollen, ist „schleichende Inflation“ (creeping inflation), so DeLong.

Wie viel schleichende Inflation wollen wir? Wir dachten, dass etwa 2% pro Jahr genug wäre. Aber in der letzten Generation haben sich grosse Volkswirtschaften zweimal auf dem Felsen der Null Nominalzinsen gefunden, während sie ein Inflationsziel von 2% verfolgt haben: Japan in den 1990er Jahren und die USA heute.

Fazit: Das legt stark nahe, dass ein Inflationsziel von 2% zu niedrig ist. Zwei makroökonomische Katastrophen in zwei Jahren sind zu viel, fasst DeLong zusammen.




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