Sonntag, 29. Mai 2011

Warum Beschäftigung sich so langsam erholt

Mark Thoma befasst sich in einem lesenswerten Essay (“Unemployment: Why Stimulus Hasn’t Created More Jobs“) in The Fiscal Times mit der Frage, warum die Beschäftigung sich so langsam erholt. Eine Antwort ist, dass ein wichtiger, aber weithin unbekannter Wandel in Sachen Fiskalpolitik stattgefunden hat, erklärt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor.

Weitgehend wegen des Einflusses der angebotsorientierten Republikaner und vieler Demokraten, die die Wachstumspolitik umschliessen, wurde die Wirtschaftspolitik, die einst festgelegt war, Innovation im Privatsektor anzukurbeln, für den Staatssektor und die Ausgaben für Infrastruktur angewendet. Der Wandel in der Politik, welcher das Wachstum an die Spitze gesetzt hat, hat die Ressourcen und Aufmerksamkeit weg von der traditionellen Wirtschaftspolitik, die die Arbeitslosigkeit mit einem schnelleren Tempo hätte reduzieren können, verschoben, legt Thoma dar.

Um den Wandel in Politik zu verstehen, ist es sinnvoll, die fiskalpolitischen Ansätze in zwei Kategorien aufzuteilen: (1) angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, um die Aussichten für das langfristige Wachstum zu verbessern und (2) nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, um die kurzfristigen Konjunkturschwankungen zu stabilisieren.

Die angebotsorientierte Konzeption befürwortet fast immer Steuersenkungen und Steuererleichterungen, um drei Faktoren zu stimulieren, die das Wirtschaftswachstum bestimmen: (a) technologische Innovation, (b) Wachstum des Kapitalstocks und (c) Wachstum der Erwerbsbevölkerung. Beispiele für diese Konzeption sind Steuergutschriften für Forschung & Entwicklung, Steuersenkungen für Kapitalgewinne und Dividenden, um Investitionen zu steigern und Einkommenssteuersenkungen, um das Arbeitskräfteangebot und unternehmerische Aktivitäten zu fördern.

Die nachfrageorientierte Konzeption wird angewendet, wenn die Wirtschaft aus dem optimalen langfristigen Wachstumspfad abweicht. In den vergangenen Jahrzehnten waren wir hauptsächlich auf die Geldpolitik und in zweiter Linie auf Änderungen der Steuersätze angewiesen, um die Schwankungen der Konjunkturzyklen der Wirtschaft zu stabilisieren, hebt Thoma hervor. Aber in der Grossen Rezession (Great Recession) haben die Staatsausgaben eine gewichtigere Rolle gespielt.

Was anders ist, dass die Staatsausgaben zum grossen Teil Ausgaben für die Infrastruktur und anderen Politiken, um das Wirtschaftswachstum zu verbessern, gewidmet sind. In der Tat war 75% der Ausgaben für Güter und Dienstsleistungen im Rahmen des American Recovery and Reinvestment Act (ARRA) Politiken gewidmet, um das langfristige Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Der Schlüsselfaktor bei der Auswahl von Projekten war, was Stimulus Bill betrifft, das langfristige Wirtschaftswachstum.

In den vergangenen Rezessionen funktionierte Fiskalpolitik anders. Das Hauptziel war, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage (aggregate demand) durch den zusätzlichen Kauf von Gütern und Dienstleistungen, Steuersenkungen oder sogar durch von dem Staat geschaffenen Arbeitsplätzen anzukurbeln, damit die Menschen mit dem Einkommen ausgehen, um Güter und Dienstleistungen für sich selbst kaufen. Die Ausgaben für die Infrastruktur waren ein Teil der Massnahmen (policy mix), aber das Hauptziel war, die Nachfrage zu stimulieren, und die Wirtschaft anzukurbeln. Die Auswirkungen auf das langfristige Wirtschaftswachstum waren nicht die wichtige Überlegung.

Aus diesem Grund waren wir in der Vergangenheit viel eher geneigt, „make-work“ als ein Stabilisierungsinstrument in Erwägung zu ziehen, betont Thoma. I.d.R. wird „make-work“ wie folgt definiert: Die Hälfte der Arbeitnehmer werden entlohnt, um Löcher zu graben. Und dann wird die andere Hälfte entlohnt, um die Löcher wieder einzufüllen. Das Ziel ist immer, das Geld dort auszugeben, wo es am meisten gebraucht wird. Zum Beispiel einen baufälligen Stadtpark zu reinigen, auch wenn es keinen direkten Einfluss auf das langfristige Wirtschaftswachstum hat.

Aber wie oben erwähnt wurde die angebotsorientierte Konzeption, die ursprünglich als Mittel zur Stimulierung innovativer Aktivitäten im Privatsektor eingesetzt wurde, in der jüngsten Rezession weitgehend wegen des Einflusses der Republikaner dem Staatssektor und den Ausgaben für Infrastruktur gewidmet. Die Republikaner hätten jeder anderen Art von Wirtschaftspolitik (v.a. „make-work“) zur Bekämpfung von Rezession nicht zugestimmt. Das Ergebnis war, dass die gegenwärtige Politik entgegen der bisherigen Politik angebotsorientierte und nachfrageorientierte Konzeptionen gleichzeitig berücksichtigt.

Es gibt daher Nutzen und Kosten.

Einer der wichtigsten Vorteile des Schwerpunktes für das langfristige Wirtschaftswachstum ist, dass es die Staatsausgaben für die Bekämpfung der Rezession politisch lebensfähig macht. Es ist eine Art von Ausgaben, wo sich beide Seiten einig werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass Infrastrukturprojekte schliesslich zu einem Ende kommen, anders als etwa Steuersenkungen (die eingesetzt werden, um Rezessionen zu bekämpfen), die dazu neigen, dauerhaft zu werden und somit ein dauerhaftes Loch im Haushalt reissen. Und natürlich gibt es auch den Vorteil des zusätzlichen Wachstums, das die Wirtschaftspolitik erzeugt.

Aber es gibt auch Kosten. Die Fokussierung auf das langfristige Wirtschaftswachstum macht es schwierig, das Arbeitslosigkeitproblem anzugehen. Es gibt immer noch 11 Mio. Menschen ohne Job.

Die Geldpolitik ist eine weitere Option. Aber die Wirksamkeit der Geldpolitik ist begrenzt, wenn die Zinsen die Talsohle erreichen. Deshalb sind mehr direkte Methoden des Umgangs mit dem Problem der Arbeitslosigkeit notwendig.

In der Vergangenheit hatten wir dazu nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt, ob die Wirtschaftspolitik, die wir einsetzen, um die Rezession zu bekämpfen, hilft, dem langfristigen Wirtschaftswachstum beizutragen. In der Gegenwart hat sich aber das Pendel zu weit in die andere Richtung geschwenkt. Das langfristige Wirtschaftswachstum sollte nicht der einzige Faktor bei der Auswahl von Stabilierungspolitik sein, hält Thoma fest.

In Zukunft müssen wir eine bessere Arbeit leisten, um das Problem der Arbeitslosigkeit anzugehen, wenn die Rezession die Wirtschaft erfasst, auch wenn es bedeutet, dass die Umsetzung einer Politik keine direkten Auswirkungen auf das langfristige Wirtschaftswachstum hat.

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