Freitag, 6. Mai 2011

Wenn die EZB dichtet

Die EZB, die bereits im vergangenen Monat übereilt in einen Straffungszkylus eingetreten ist, hat auf ihrer Sitzung von gestern die Leitzinsen für die Eurozone vorerst bei 1,25% unverändert belassen. Die Frage, ob die EZB auf eine vorübergehende Höherbewertung der schwankungsanfälligen Preise überreagiert, scheint Marktbeobachter in der Eurozone nicht besonders zu interessieren. Das Augenmerk wird vielmehr nach dem Vokabular des EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet gerichtet. Die „starke Wachsamkeit“ („strong vigilance“) gilt als Schlüsselbegriff für eine unmittelbar bevorstehende Zinserhöhung.

Da Trichet auf der üblichen Pressekonferenz das Codewort „strong vigilance“ nicht verwendet hat, gehen die Akteure an den Finanzmärkten davon aus, dass die nächste Zinserhöhung erst im Juli erfolgen wird. Zumal die EZB im Juni die aktuellen Prognosen im Hinblick auf die Inflation und das Wirtschaftswachstum veröffentlichen will.


Codewörter der EZB für Marktinsider, Graph: Danske Bank via Tracy Alloway, FT Alphaville

Die Very Serious People (VSP) in Europa sehen überall nur das „Inflationsgespenst“, um ja nicht über die Auswirkungen der schmerzhaften Straffung des geldpolitischen Kurses auf die EU-Peripherie zu reden. In Spanien ist die Arbeitslosigkeit mittlerweile auf 21% geklettert. Von Portugal wird verlangt, im Gegenzug für das Hilfspaket die Sozialabgaben radikal zu kürzen und die Arbeitskosten zu senken. Die VSP fordern weiter, mehr zu sparen. Propagiert wird also eine expansionary austerity (expansive fiskalische Sparmassnahmen) mitten in Nachwirkungen der schwersten Rezession seit den 1930er Jahren. Es ist tragisch, dass die EZB sich mit Problemen beschäftigt, die nicht existieren.

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