Mittwoch, 31. August 2011

Balanced-Budget: Stimulus ohne zusätzliche Verschuldung

„Es gibt zwei Tatsachen über die aktuelle wirtschaftliche Situation, die nicht geleugnet werden können. Unsere Wirtschaft ist mit einer verzweifelten Notwendigkeit auf staatliche Konjunkturprogramme angewiesen. Und unser politisches System dürfte einen weiteren Anstieg des Haushaltsdefizits nicht zulassen“, bemerkt Robert Shiller in einem lesenswerten Artikel („Yes, We Can Do Stimulus Without Adding Debt. Here’s How”) in The New Republic.

Zusammengenommen lassen die zwei Punkte für die USA nichts Gutes ahnen. Man muss aber nicht schnell einen Widerspruch annehmen, nur weil man Konjunkturprogramme (stimulus) als eine Funktion der Verausgabung von öffentlichen Haushaltsmitteln für die Konjunkturbelebung in Depression (deficit spending) wahrnimmt, muss es nicht bedeuten, wie es funktionieren  muss, hält der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

„Wir müssen zuerst die Tatsache in den Griff bekommen, dass wir ein Konjunkturprogramm (stimulus) brauchen, weil wir einem Problem der unzureichenden gesamtwirtschaftlichen Nachfrage gegenüberstehen. Das ist ein Konzept, welches wir dem Werk von John Maynard Keynes verdanken“, beschreibt Shiller.

Keynes hat darauf hingewiesen, dass eine Volkswirtschaft in einem schlechten Gleichgewicht stecken kann, wo die arbeitslosen Menschen ihre Arbeit an gewisse Arbeitgeber anbieten, aber Arbeitgeber sie nicht anstellen, weil sie nicht denken, dass das zusätzliche Produkt, welches die neuen Arbeitnehmer herstellen würden, verkauft werden könnten. Warum nicht? Weil alle Arbeitslosen, die vergeblich versuchen, angestellt zu werden, es sich nicht leisten können, um etwas zu kaufen. Und warum haben sie keine Arbeit? Weil niemand sie anstellt.

„Das klingt wie Zirkelschluss. Aber es ist genau das Argument von Keynes. Die ganze Depression-Situation ist eine absurde Zirkularität, in der die Wirtschaft von Zeit zu Zeit steckt und eine sehr lange Zeit verharren kann. Die Kernidee von Keynes Theorie ist, dass es keinen fundamentalen Grund gibt, in einer solch schwachen Konjunktur zu stecken, es sei denn, dass wir bereits drin sind“, erklärt Shiller.

Das Problem ist laut Shiller Kommunikation. Ein Teil der Idee von Keynes ist, dass das, was kommuniziert werden soll, nicht objektive Tatsachen oder Informationen sind, sondern eine Intuition, im Sinne von Vertrauen ist, das Gefühl, dass das Schlimmste vorbei ist, sodass die animal spirits von Menschen zurückkehren. „Wenn wir denken, dass das Vertrauen zurückkehrt, dann kommt das Vertrauen zurück“, bekräftigt der Autor des Buches Animal Spirits.

Und „die Art und Weise, wie dies zu tun ist, sind staatliche Konjunkturprogramme. Wir müssen die Staatsausgaben so lange erhöhen, bis wir aus dem Trott kommen“, legt Shiller dar.

In Wirklichkeit kann der Stimulus die Form eines ausgeglichenen Haushalts (balanced-budget) annehmen: Der Staat kann einfach die Steuern erhöhen und die Ausgaben steigern, und zwar um denselben Betrag. Die Idee, dass der Anstieg des ausgeglichenen Haushalts eine Wirtschaft, die in einem schlechten Gleichgewicht steckt, ankurbeln kann, geht auf die Ökonomen Walter Salant und Paul Samuelson in den 1940er Jahren zurück.

Salant und Samuelson argumentieren, dass der Ansiteg der Ausgaben  à la balanced budget sich eins-zu-eins in einen Anstieg des Volkseinkommens übersetzen lässt. In der Tat ist der Ertrag aus einem Stimulus mittels ausgeglichenen Haushalts wahrscheinlich noch grösser. Wenn der Staat die Steuern erhöht, um Arbeitslose anzustellen, dann geben die Arbeitslosen, die jetzt einen Job bekommen, schnell Geld aus, um Konsumgüter zu kaufen, weil sie jetzt festgebunden sind und eine Arbeit haben, schildert Shiller.

Die gegenwärtig angestellten Arbeitnehmer, die nun einem Anstieg der Steuern gegenübersehen, würden wahrscheinlich ihre Ausgaben nicht so viel kürzen, weil sie an ihr aktuelles Konsumniveau gewöhnt sind. Und es ist unwahrscheinlich, dass eine Stimulierung via ausgeglichener Haushalt die privaten Ausgaben an Waren und Dienstleistung durch einen Anstieg der Zinsen nicht verdrängen würde (crowding out). Die Fed hat bereits angekündigt, die Zinsen bis mindestens Mitte 2013 nahe Null Prozent zu halten.

Das grosse Problem mit dem balanced-budget Stimulus ist politisch, nämlich, dass es einen Widerstand gegen Steuererhöhungen gibt, v.a. unter den Republikanern. Aber ihr Widerstand könnte aufgeweicht werden, wenn sie zur Kenntnis nähmen, dass ein balanced-budget Stimulus das durchschnittliche Einkommen nach Steuern nicht verringert.

Jeder Dollar aus der Steuererhöhung stellt für jemanden ein zusätzliches Einkommen dar, obwohl es wahr ist, dass die Leute, die erhöhten Steuern gegenübersehen, nicht die gleichen Leute sein werden, die ihr Einkommen steigen sehen. Darüber hinaus können Bedenken der Öffentlichkeit über die hohe Staatsverschuldung leicht ausgeräumt werden, weil ein Konjunkturprogramm via balanced-budget die Staatsschuldenquote (=Schulden/BIP) durch die Erhöhung des Nenners (d.h. BIP) senkt, ohne den Zähler (d.h. Schulden) zu erhöhen, erklärt Prof. Shiller.

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