Freitag, 12. August 2011

Die politisch entführte Krise


Paul Krugman befasst sich in seiner lesenswerten Freitagskolumne („The Hijacked Crisis“) in NYT mit der Frage, warum die Politiker sich um den Abbau des Haushaltsdefizit so viel Sorgen machen als um den Abbau der Arbeitslosigkeit.

„Seit mehr als einem Jahr haben wir eine öffentliche Debatte, die von Sorgen um den Haushalt beherrscht wird, während die Arbeitslosigkeit fast ignoriert ist“, bemerkt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises. „Die angeblich dringende Notwendigkeit um den Abbau des Budgetdefizits dominiert den politischen Diskurs dermassen, dass Präsident Obama am Montag mitten in der Panik am Markt die meisten seiner Bemerkungen dem Thema Defizit gewidmet hat als der eindeutigen und gegenwärtigen Gefahr einer erneuten Rezession“, bekräftigt Krugman.

Wie kommt es, dass Washingtons Diskurs von der falschen Frage beherrscht wird? Hard-line Republikaner haben dabei natürlich eine Rolle gespielt, die herausgefunden haben, dass das Pochen auf Defizit ein sinnvoller Weg ist, um staatliche Programme anzugreifen, legt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor dar.

Aber der Diskurs wäre laut Krugman vom Thema gar nicht so weit abgekommen, wenn andere einflussreiche Leute nicht so weit gegangen wären, die Krise im Namen ihrer bereits bestehenden Agenden zu entführen.

Schauen Sie sich die Meinungsseiten einer grossen Zeitung an oder hören Sie sich die News-Diskussionen an und Sie werden wahrscheinlich einer selbsternannten zentristischen Erklärung begegnen, dass es keine Möglichkeit gibt, die ökonomischen Probleme kurzfristig zu reparieren, dass die verantwortliche Sache ist, sich auf langfristige Lösungen insbesondere auf das Thema „Reform der Sozialansprüche“ zu konzentrieren, d.h. Kürzungen der Sozialversicherungen und Medicare.

„Die Wirtschaft braucht jetzt dringend eine kurzfristige Lösung. Wenn Sie eine offene Wunde haben, die blutet, möchten Sie einen Arzt, der die Wunde sofort bindet, und nicht einen Arzt, der Ihnen Vorträge über die Bedeutung der Aufrechterhaltung einer gesunden Lebensweise mit dem zunehmendem Alter hält“, erklärt Krugman.

Was wäre eine echte Antwort auf die Probleme? Krugman zählt dazu die folgenden drei Punkte:

(1) mehr Staatsausgaben jetzt: Angesichts der Massenarbeitslosigkeit und unglaublich niedrigen Fremdkapitalkosten sollten die USA in den Wiederaufbau von Schulen, Strassen, Wassersysteme usw. investieren.

(2) aggressive Massnahmen zur Verringerung der Verschuldung der privaten Haushalte mittels Hypotheken-Schuldenerlass und Refinanzierung und

(3) die Fed soll aufs Ganze gehen, um die Wirtschaft anzukurbeln, mit dem Vorhaben, etwas mehr Inflation zu zulassen, um die Schuldenproblematik zu lindern.

Die übliche Verdächtigen würden natürlich solche Ideen als unverantwortlich anschwärzen. Aber Sie wissen, was wirklich verantwortungslos ist, fasst Krugman zusammen. Die Entführung der Debatte über eine Krise, um dieselben Dinge durchzudrücken, die die vor der Krise befürwortet haben, wobei sie die Wirtschaft weiter bluten lassen.

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