Freitag, 26. August 2011

Ist Keynesianismus keine „regular economics“?


Es geht wieder um einen wunderlichen Leitartikel in WSJ (via Mark Thoma). Die Leser wissen, dass er kein Fan von Leitartikeln in WSJ sei, aber selbst er sei nicht auf Robert Barros redaktionellen Beitrag vorbereitet gewesen, bemerkt David Glasner im Blog Uneasy Money. Man braucht nicht ein keynesianischer Ökonom zu sein. Er zähle sich auch nicht dazu, um Barros Artikel einfach seltsam zu finden, betont Glasner.

Barro zieht den Kontrast zwischen Keynesianismus und regelmässigen Wirtschaftswissenschaften (regular economics): „Regelmässige Wirtschaftswissenschaft ist die Ökonomie von Knappheit und Tradeoffs, wo es so was wie einen „free lunch“ nicht gibt, wo man, um etwas zu bekommen, etwas leisten muss“. Keynesianismus ist auf der anderen Seite die Ökonomie des Multiplikators, wo die Staatsausgaben nicht nur auf Kosten des privaten Sektors gehen, sondern auch die Ausgaben des privaten Sektor erstaunlich erhöhen“, argumentiert Barro.

Erstaunt schreibt Barro weiter: „Wenn der keynesianische Multiplikator gültig wäre, wäre das Ergebnis wirklich ein Wunder. Die Empfänger von Lebensmittelmarken bekommen, sagen wir, 1 Mrd. $, aber sie sind nicht die einzigen, die davon profitieren. Eine weitere 1 Mrd. $ taucht auf, was den Rest der Gesellschaft besser stellen kann. Im Gegensatz zur regulären Wirtschaft, ist diese zusätzliche 1 Mrd. $ der ultimative „free lunch“, so Barro.

„Wie kann das richtig sein? Wo war das Marktversagen, was dem Staat ermöglicht hat, die Dinge durch die Kreditaufnahme und die Verteilung an die Menschen zu verbessern? Keynes hat es in seinem Werk „General Theory“ (1936) nicht so gut erklären können. Und die nachfolgenden Generationen (einschliesslich meiner eigenen jugendlichen Bemühungen) der keynesianischen Ökonomen waren nicht erfolgreicher“, behauptet Barro weiter.

„Ein nettes rhetorisches Antippen, etwas selbstironisch mit dem Hinweis auf seine fruchtlosen Bemühungen in jungen Jahren als Ökonom. Aber die eigentliche Botschaft lautet: Ich bin nun älter und weise, so glauben Sie mir, der Multiplikator ist ein Schwindel“, kommentiert Glasner Barros Stellungnahme.

Aber warten Sie eine Sekunde. Was meint Barro mit seiner Frage, wo das Marktversagen gewesen sei? Hallo-o! Das reale BIP steht mindestens 10% unter dem langfristigen Wachstumstrend. Und die Arbeitslosigkeit verläuft seit über zwei Jahren zwischen 9 und 10%. Prof. Barro kann hier kein Marktversagen feststellen? Oder glaubt Barro wie die Theoretiker von Konjunkturzyklen, dass die Schwankungen in Produktion und Beschäftigung optimale Anpassungen an die Produktivitätsschocks sind, mit der intertemporalen Substitution von Freizeit für die Arbeit in Zeiten relativ niedrieger Produktivität?

Auch Paul Krugman geht in seinem Blog auf die Ablehnung des Keynesianismus durch Prof. Barro als „nicht regular economics“ ein. Wie Glasner beschreibt, ist es angesichts der massiven Arbeitslosigkeit und der riesigen ungenutzten Kapazitäten, dass die Wirtschaft heute trotzt Bevölkerungswachstum und dem technologischen Fortschritt weniger als vor 3 ½ Jahren leistet, zutiefts seltsam, zu fragen, wo das Marktversagen ist, bemerkt Krugman. Natürlich gibt es eine Art von Marktversagen, d.h. es gibt nichts Merkwürdiges, zu behaupten, dass eine bessere Wirtschaftspolitik „free lunchs“ hervorbringen kann.

„Ganz allgemein ist die Existenz von Konjunkturzyklen kaum eine triviale Funktion der realen Wirtschaft. Man kann versuchen, diese Zyklen in bezug auf die „regular economics“ zu erklären. Das ist, worum es bei der Theorie der realen Konjunkturzyklen geht. Aber das  Bemühen ist kläglich gescheitert, auch wenn die Praktiker sich verweigern, es zuzugeben. Die verzweifelten Bemühungen, etwas zu finden, was Obama gemacht hat, was den Einsturz der Wirtschaft erklärt, ist in der Tat ein Beweis für die Hohlheit des gesamten Ansatzes“, hält Krugman fest.

Aber der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor möchte etwas mehr dazu hinzufügen: warum genau sollen wir solchen Glauben der „regular economics“ schenken? Was ist der überzeugende Beweis dafür, dass die Vision einer wettbewerbsfähigen, effizienten Wirtschaft zur Allokation der Ressourcen für die richtige Verwendung eigentlich eine gute Beschreibung der Welt ist, in der wir leben?

Es ist ein schönes Modell, welches wie von jedermann auch von Krugman viel verwendet wird. Aber Krugman will nicht gesagt haben, dass es ein mit vielen Beweisen abgestütztes Modell ist. „Wir wissen sicher, dass die Nachfragekurve im allgemeinen eine abwärtsgerichtete Neigung hat. Es ist viel schwieriger, gute Beispiele dafür zu liefern, dass die Angebotskurve eine aufwärtsgerichtete Neigung hat. Und es ist ein sehr langer Weg von dort zu der Vision der Pareto-Effizienz und zu all dem, wo Barro uns als „wahre Wirtschaftswissenschaft“ (true economics) mitnehmen will“, erklärt Krugman: unvollkommener Wettbewerb, Marktversagen und mehr sind realistisch gesehen überall.

Inzwischen gibt es tatsächlich eine Menge Beweise für eine breite keynesianische Sicht der Welt. Nicht, um fair zu sein, für die Fiskalpolitik, v.a. weil reine Experimente selten sind. Aber es gibt grosse Beweise für „sticy prices“ (nach unten strarre Preise, vgl. hier) und jene Menge Beweise dafür, dass monetäre Schocks reale Auswirkungen entfalten“, bekräftigt Krugman. Und es ist schwer, ein kohärentes Modell zu erzeugen, wo das wahr ist, aber auch nicht genügend Spielraum für die Fiskalpolitik übrig bleibt.

Fazit: Es gibt überhaupt keinen Grund, Mikroökonomie als „reale“ Wirtschaft und die Makroökonomie als eine Art exzentrischen Gaukler zu betrachten. Ja, Mikro ist viel strenger, aber wenn es konsequent falsch ist, wen kümmert es?, fasst Krugman zusammen.

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