Freitag, 16. November 2012

Double-dip Rezession in der Euro-Zone


Die Euro-Zone rutscht in die Rezession. Die Wirtschaftsleistung ist im dritten Quartal um 0,1% geschrumpft. Bereits im zweiten Quartal 2012 hat das BIP in den 17 Euro-Ländern um 0,2% abgenommen.

Der erneute Rückgang der Wachstumsraten der Wirtschaft in der Euro-Zone hat die Wirkung, dass die Haushaltsdefizite sich automatisch erhöhen. Damit wächst der Druck auf die nationalen Regierungen, eine Zunahme der Defizite zu verhindern. Folglich wird die Fiskalpolitik gestrafft, schreibt Paul De Grauwe in einer gestern vorgelegten Forschungsarbeit („How to avoid a double-dip recession in the eurozone“)

Das Risiko ist, dass pro-zyklische Haushaltspolitik die Wachstumsraten des BIP fester in das negative Terrain treibt, was zu einer vollwertigen Double-dip Rezession führt.

Warum steuert aber die Euro-Zone auf eine double-dip Rezession an? Der an der London School of Economics lehrende Wirtschaftsprofessor bemerkt, dass es mit der asymmetrischen Struktur der makroökonomischen Anpassungen in der Euro-Zone zu tun hat.

Es wäre nicht übertrieben, zu sagen, dass die makroökonomische Politik im Euro-Raum viel durch „animal spirits“ an den Finanzmärkten getrieben wird. Während die südeuropäischen Länder (einschliesslich Irland) hohe Leistungsbilanzdefizite aufweisen, verfügen die nordeuropäischen Länder über hohe Leistungsbilanzüberschüsse.


Wirtschaftswachstum (BIP) in der Euro-Zone, Graph: Paul De Grauwe in: „How to avoid a double-dip recession in the eurozone“, Nov 15, 2012

Die erst beste Wirtschaftspolitik wäre gewesen, dass die Schuldner-Länder ihre Defizite verringern, und die Gläubiger-Länder ihre Ausgaben erhöhen. Doch hat die Europäische Kommission die Schuldner-Länder gezwungen, eine enge Austeritätspolitik zu verfolgen, während die Gläubiger-Länder auf einen ausgeglichenen Haushalt abzielen.

Dies hat laut De Grauwe zu einem asymmetrischen Anpassungsprozess geführt, wo die Schuldner-Länder die meiste Last der Anpassung tragen. Und diese Länder werden zugleich gezwungen, Löhne und Preis im Verhältnis zu den Gläubiger-Ländern zu senken („internal devaluation“), ohne dass die Gläubiger-Länder Löhne und Preise im Verhältnis zu den Schuldner-Ländern erhöhen („internal revaluation“).

Die interne Abwertung, die bisher nicht abschlossen ist, hat auf Kosten von Output und Beschäftigung in den Schuldner-Ländern stattgefunden. Gibt es aber Beweise dafür, dass ein Prozess der internen Neubewertung in den Ländern mit Leistungsbilanzüberschuss erfolgt? Die Antwort liefert die folgende Abbildung:


Relative Lohnstückkosten in der Euro-Zone, Graph: Paul De Grauwe in: „How to avoid a double-dip recession in the eurozone“, Nov 15, 2012

Deutschlands Position sticht ins Auge. Deutschland hat während der Zeit 1999-2007 eine starke interne Abwertung entwickelt, was zu einer Erholung der Wirtschaft beigetragen hat. Diese internal devaluation ist 2007/08 zu Ende gekommen. Seither hat in Deutschland keine interne Abwertung stattgefunden, hebt De Grauwe hervor.

Aus der Analyse geht hervor, dass die Last der Anpassung der Ungleichgewichte in der Euro-Zone zwischen den Ländern mit Überschuss und den Ländern mit Defizit in der Leistungsbilanz fast ausschliesslich durch die Defizit-Länder an der Peripherie getragen wird. Diese Asymmetrie erzeugt eine deflationäre Tendenz in der Euro-Zone als Ganzes. Doch es könnte anders gemacht werden: eine mehr symmetrische makroökonomische Politik, die die deflationäre Ausrichtung verringert, kann implementiert werden, erläutert De Grauwe.


Leistungsbilanz Überschüsse (und Defizite) in der Euro-Zone, Graph: Paul De Grauwe in: „How to avoid a double-dip recession in the eurozone“, Nov 15, 2012

Die Gläubiger-Länder, die das Verhältnis der Schulden zum BIP stabilisiert haben, sollten jetzt damit aufhören, ihre Haushaltsdefizite weiter abzubauen, damit die Euro-Zone nicht in eine double-dip Rezession gerät. Stattdessen sollten sie das Verhältnis der Schulden zum BIP auf dem im Jahre 2012 erreichten Niveau stabilisieren. Die Folge ist, dass diese Länder kleine Haushaltsdefizite haben können, während sie gleichzeitig die Staatsverschuldung konstant halten.

Insbesondere Deutschland könnte heute sein Haushaltsdefizit bis auf 3% erhöhen, während es die Verschuldungsquote unverändert halten kann. Andere Gläubiger-Länder wie Belgien, Niederlande, Finnland und Österreicht könnten damit aufhören, weitere austeritätspolitische Massnahmen zu treffen, ohne das Verhältnis der Staatsschulden zum BIP zu erhöhen.

Ob eine solche Politik umgesetzt wird, hängt viel von der EU-Kommission ab, fasst De Grauwe als Fazit zusammen.

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