Montag, 19. November 2012

Twinkie und die alte Zeit


Die Twinkie wird für immer mit den 1950er Jahren in Erinnerung bleiben. Und der Niedergang der Gastgeberin hat eine Welle von Nostalgie durch die Baby-Boomer für eine scheinbar unschuldige Zeit entfesselt, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Twinkie Manifesto“) am Montag in NYTimes.

Es ist unnötig, zu sagen, dass die Zeit nicht wirklich unschuldig war. Aber die 1950er Jahre bieten Lektionen, die im 21. Jahrhundert relevant sind, hebt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) hervor. Man denke an die Frage der Steuersätze für Wohlhabende. Die modernen amerikanischen Rechten und ein grosser Teil der angeblichen Mitte sind von der Vorstellung besessen, dass  niedrige Steuersätze für die Top für das Wirtschaftswachstum wesentlich seien.

In den 1950er Jahren waren die Steuern auf Unternehmensgewinne zweimal so gross. Den besten Schätzungen zufolge hat die Top 0,01% ca. 1960 einen effektiven Steuersatz von mehr als 70% gehabt, das heisst, doppelt so hoch wie heute.

Die hohen Steuern waren nicht die einzige Last für reiche Geschäftsleute, die einer Arbeitskraft mit einem Mass an Verhandlungsmacht gegenüberstanden, die heute schwer vorstellbar ist, unterstreicht Krugman. Im Jahr 1995 waren ein Drittel der amerikanischen Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglieder. In den grössten Unternehmen handelten das Management und Arbeitskräfte als Gleichberechtigte.

Zusammengedrückt zwischen hohen Steuern und einer selbstmächtigen Arbeitnehmerschaft waren die Führungskräfte relativ verarmt nach den Standards der früheren oder späteren Generation. Zwischen den 1920er Jahren und den 1950er Jahren fielen die Einkommen für die reichsten Amerikaner stark zurück, legt Krugman dar.

Heute sind Schlösser, Armeen der Bediensteten und Yachten zurück, grösser als je zuvor und jeder Hinweis von Politik, welche den Plutokraten-Still beeinträchtigen würde, wird mit dem Geschrei „Sozialismus!“ zurückgedrängt. Das viel weniger Plutokratie-freundliche Umfeld der 1950er Jahre müssen ja wirtschaftlich eine Katastrophe gewesen sein, schildert Krugman ironisch.

Im Gegenteil: Die hohen Steuern, starke Gewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg waren in der Tat von spektakulären, weitgehend von geteiltem Wirtschaftswachstum geprägt, was uns nun zu Nostalgie Sache zurückbringt.

Es gibt einige Leute im politischen leben, die nach diesen Tagen sehnen, wo Minderheiten und Frauen ihren Platz wussten, und Gays ihre Homosexualität fest verbergen mussten und Kongressabgeordnete fragten: „Are You Now or Have You Ever Been?“ (*). „Der Rest von uns ist jedoch sehr froh, dass diese Tage vorbei sind. Wir sind heute moralisch ein viel besseres Land“, betont Krugman. Ach ja, und die Ernährung hat sich auch viel verbessert.

Ein langer Weg, aber wir haben etwas wichtiges vergessen, nämlich, dass wirtschaftliche Gerechtigkeit und wirtschaftliches Wachstum nicht unvereinbar waren. Amerika in den 1950er Jahren hat dafür gesorgt, dass die Reichen ihren gerechten Anteil zahlten. Und es gab Arbeitnehmern die Macht für anständige Löhne und Sozialleistungen. Doch im Gegensatz zu Propaganda von Rechtsaussen hat die Wirtschaft floriert. „Und wir können es wieder erreichen“, fasst Krugman zusammen. 


(*) Meine Bemerkung:

Are you now or have you ever been a member of the Communist Party?”, siehe McCarthyism (McCarthy-Ära). Das war eine Frage, die während der Anhörungen im US-Kongress in den 1950er Jahren gestellt wurde, durch den „Kongressausschuss für unamerikanische Aktivitäten“ und durch den Unterausschuss des US-Senats im Zusammenhang mit Joseph McCarthy.

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