Donnerstag, 24. Januar 2013

Was passiert, wenn die Schuldengrenze geknackt wird?


Im US-Haushaltsstreit wurde im von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus endlich eine Einigung für eine Verschiebung der gesetzlichen Schuldenobergrenze um drei Monate erzielt. Die Ende Februar drohende Zahlungsunfähigkeit (default) der USA wurde damit vorerst abgewendet. Die Regierung von Präsident Obama kann also bis Mitte Mai Rechnungen weiterhin wie gewöhnlich begleichen.

Vor diesem Hintergrund erläutert Simon Johnson in einem lesenswerten Artikel (“The Debt Ceiling and Playing With Fire“) in NYTimes, was es mit der Schuldengrenze auf sich hat.

Die Entscheidungen im Hinblick auf die Ausgaben und Einnahmen erfolgen in den meisten Ländern mit einem stillschweigenden, automatischen Entscheid im Einklang damit, wie viele Schuldtitel ausgegeben werden sollen. Ausgaben abzüglich Einnahmen in einem Jahr ergeben das jährliche Defizit (flow), während die Schulden der öffentlichen Hand einen Bestand (stock) an ausstehenden Schuldtiteln darstellt.

Das Defizit ist also ein Fluss, und die Verschuldung ist ein Bestand. Man denke an eine Badewanne. Die Ausgaben sind wie das Wasser, das aus dem Wasserhahn kommt und die Einnahmen sind das Wasser, das die Wanne verlässt. Wenn es mehr Ausgaben gibt als Einnahmen, dann bleibt mehr Wasser in der Wanne. Und die Menge an Wasser ist die Verschuldung. In den USA trifft der Kongress aus historischen Gründen zwei separate Entscheidungen: die eine in Bezug auf den Fluss (Ausgaben und Einnahmen) und die andere in Bezug auf den Bestand (die sog. debt-ceiling, Schuldenobergrenze).

Aber sobald man eine Entscheidung trifft, was den Fluss in und aus der Badewanne betrifft, ist der Bestand zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben. Was passiert, wenn der Kongress plötzlich entscheidet, dass das Wasser in der Badewanne gedeckelt werden soll, ohne den Fluss in und out zu ändern?


Index of Economic Policy Uncertainty, Graph: Scott Baker & Nicholas Bloom, in: Economic Policy Uncertainty 

Um die Dinge kompliziert zu machen: Man beachte, dass ein Teil dieses Flusses bereits engagiert ist, in Form von Zinszahlungen für bestehende Schuldtitel, Gehälter für aktive Berufssoldaten und Sozialversicherungsleistungen usw. Man kann also nicht plötzlich mehr Einnahmen aus der Luft schaffen.

Das Hauptproblem ist, dass niemand weiss, was geschehen würde, wenn die Schuldenobergrenze geknackt wird.

Wäre die Regierung gezwungen, Zahlungsunfähigkeit (default) in Bezug auf einige Staatsanleihen zu erklären? Oder kommt es zu einer anderen Art von default, wie z.B. Zahlungseinstellung für Güter und Dienstleistungen, die bereits in Anspruch genommen worden sind? Oder gibt es ein komplettes Chaos in fiskalischen Angelegenheiten, ein Rückfall in die Mitte der 1780er Jahre?

In der Vergangenheit war das Potential für die Verwirrung um die verbindliche Schuldenobergrenze (debt ceiling) gut verstanden. Die Schuldengrenze wurde ohne zu viel Aufregung angehoben. Und die Partei in der Opposition hat es i.d.R. nicht auf einen realen Kampf ankommen lassen, hebt Johnson hervor. Es gibt im Grunde genommen für den Kongress viele andere Möglichkeiten, Einfluss auf die Einnahmen und die Ausgaben (flow) zu nehmen, ohne eine Unordnung zu schaffen, darauf bestehend, dass der Bestand an Schulden mit früheren Verpflichtungen nicht übereinstimme.

Das hat sich jedoch im Sommer 2011 geändert, als einige Republikaner beschlossen, die Obama-Regierung zu default zu zwingen, wenn sie nicht kriegen würden, was sie wollten. Johnson hat damals vor Auswirkungen der Konfrontation im Hinblick auf die Schuldengrenze für den Staatshaushalt gewarnt, weil dadurch viel Unsicherheit ausgelöst würde, was am Schluss die Erholung der Wirtschaft bremsen würde. 

Die Unsicherheit hat weltweit zu einem Anstieg der Risikoaufschläge an den Anleihemärkten geführt und in der Euro-Krise den Druck auf die Peripherie verstärkt. Der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor legt nun nahe, dass aufgrund der politischen Spiele demnächst erneut mit Unsicherheit zumindest in Höhe von Sommer 2011, wenn nicht sogar höher zu rechnen ist.

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