Freitag, 5. April 2013

Die Wirtschaft ist keine Moralfabel


Paul Krugman macht sich in seiner lesenswerten Kolumne („The Urge to Purge“) am Freitag in NYTimes Gedanken über die verrottete Wirtschaftspolitik aus den 1930er Jahren, die auch heute in gewissen Kreisen Anziehungskraft entfaltet.

Als die Great Depressison die Wirtschaft heimsuchte, warnten viele einflussreiche Menschen davon, dass der Staat es nicht einmal wagen sollte, den Schaden zu begrenzen. Herbert Hoover hat erzählt, wie er damals von Andrew Mellon, seinem Finanzminister gedrängt worden sei, die „Arbeit, die Aktien und die Bauer zu liquidieren“. Damit werde die Fäulnis aus dem System gelöscht. Der berühmte Ökonom Joseph Schumpeter hat damals davor gewarnt, die Erholung der Wirtschaft nicht zu beschleunigen, weil der künstliche Stimulus einen Teil der Arbeit der Depression rückgängig machen würde.

Wie viele Ökonomen habe auch Krugman gepflegt, mit einer gewissen Selbstgefälligkeit diese alten Koryphäen zu zitieren.Immerhin hat die moderne Makroökonomie gezeigt, dass die gefeierten Stars falsch lagen und wir die Fehler in den 1930er Jahren nicht wiederholen würden.

Wie naiv waren wir, bemerkt Krugman weiter. Es stellt sich heute heraus, dass der Drang, die Depression als eine notwendige ja sogar irgendwie eine wünschenswerte Strafe für die vergangenen Sünden zu sehen, so stark ist wie eh und je. In der Tat ist Mellonismus in diesen Tagen überall: von CNBC bis WSJ-Leitartikel. Und die Chancen sind gross, dass Sie niemanden sehen, der argumentiert, dass die Regierung und die Fed zu wenig tun, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Ganz im Gegenteil: Sie treffen vielmehr auf Experten, die über die angeblichen Übel Haushaltsdefizite und Geldschöpfung schimpfen und Keynesianismus als die Wurzel allen Übels darstellen.

Die Tatsache ist nun, dass diese Schimpfer über allle Themen falsch liegen, und zwar auf allen Ebenen der Krise, während die Keynesianer zumeist Recht hatten. Aber die Anhänger von Mellon (Mellonites) kommen weiter. Das jüngste Beispiel ist David Stockman.

Was ist zu tun? Wir brauchen geldpolitischen und fiskalpolitischen Stimulus, um der Krise entgegenzuwirken und zu veranlassen, dass diejenigen, die nicht zutiefst verschuldet sind, Geld auszugeben, während die Kreditnehmer sich zurückhalten.

Dieses Rezept ist aber für die Mellonites natürlich ein Gräuel, die ja das Ganze zu Unrecht als dieselbe Politik betrachten, die die Wirtschaft in diese Falle habe geraten lassen. Und das wiederum zeigt laut Krugman, warum Liquidationismus (liquidationism) eine solch zerstörerische Doktrin ist: weil die Probleme in eine Moralfabel von Sünde und Vergeltung umgewandelt werden, was die Wirtschaft zu einem tieferen und längeren Abschwung verdammt.

Die schlechte Nachricht ist, dass das Argument in Sachen Sünde populär ist. Obwohl Mellonites falsch liegen, und zwar über alles, was die Makroökonomie betrifft, hat die Vorstellung von der Wirtschaft als Moralfabel sogar eine intuitive Zugkraft, welche schwer zu bekämpfen ist, legt Krugman dar: Wird die Idee mit ein wenig politischem Cross-Dressing verschleiert, glauben sogar Anhänger der Demokratischen Partei daran. Sie sollten es aber nicht tun. Mellon lag damit völlig falsch in den 1930er Jahren und seine Avatars liegen heute völlig falsch. Es ist die Arbeitslosigkeit, die uns heute plagt, nicht die Geldschöpfung. Und die Politik sollte viel mehr unternehmen, nicht weniger.

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