Freitag, 15. November 2013

Warum sind die Zinsen so tief?

Seitdem die EZB ihren Leitzins vergangene Woche auf 0,25% gesenkt hat, sind die niedrigen Zinsen wieder in aller Munde. Das viel zu billige Geld als Stein des Anstosses. Alle schimpfen auf die Billigzinsen. Öfters ist sogar von „Enteignung“ und „Repressions“ die Rede. Die niedrigen Zinsen werden von einer Reihe von Experten längst als die Ursache der Finanzkrise ausgemacht.

Bereits im Fahrwasser der Finanzkrise von 2008 waren aber die kurzfristigen und langfristigen Zinsen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften auf historisch niedrigem Niveau. In Folge der Finanzkrise und sich daraus ergebenden Folgen haben die Zentralbanken weltweit reagieren müssen: 

(1) mit Zinssenkungen und (2) mit unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen.

Die Entwicklung der Zinsen hat aber nicht nur mit der Geldpolitik zu tun; sie reflektiert ökonomische und finanzielle Umstände, wie Jean-Pierre Danthine gestern in einem interessanten Referat („Ursachen und Folgen der tiefen Zinsen“) gestern erklärt hat.

Dahinter stehen laut dem Vizepräsidenten der SNB v.a. zwei Phänomene: (I) Der langanhaltende Abwärtstrend (secular) seit den 1980er Jahren und (II) Der zyklische Rückgang (cyclical) im Sog der Finanzkrise.

Der zyklische Rückgang hat wiederum in den vergangenen Jahren zu extrem niedrigen Zinsen geführt, wobei nicht nur die Geldpolitik, sondern auch die erhöhte Nachfrage nach sicheren Anlagen dazu beitrugen. Als Fazit lässt sich inzwischen festhalten, dass die Zinsen im Allgemeinen wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse und die Antwort der Geldpolitik darauf widerspiegeln.
Warum sind Zinsen tief?


Die tiefen Zinsen das Ergebnis eines langanhaltenden Abwärtstrends und der Rezession,  Graph: Jean-Pierre Danthine, SNB in: "Causes and consequences of low interest rates"


Die Bestimmungsgrössen der nominalen Zinsen sind (a) die realen langfristigen Zinsen und (b) die Inflationsprämie.



Erklärung des langanhaltenden Abwärtstrends: tiefe Inflationsprämie, Graph: Jean-Pierre Danthine, SNB, Nov 14, 2013

Das Lehrbuch besagt, dass der reale Zins der Preis für die Übereinstimmung von Nachfrage und Angebot in Bezug auf das für Investitionen benötigte Kapital ist.

Angebot und Nachfrage für/nach Finanzierung werden wiederum von fundamentalen wirtschaftlichen Faktoren bestimmt. Dazu zählen Zeitpräferenz der privaten Haushalte, Produktivität von demographischen Faktoren usw. Der nominale Zins setzt sich aus dem realen Zinssatz plus einer Inflationsprämie zusammen.

Der Abwärtstrend der nominalen Zinsen hat sich in den 1980er Jahren eingesetzt. Wie haben sich aber in dieser Zeit der reale Zins und die Inflationsprämie entwickelt?

(1) Der langanhaltende Abwärtstrend der nominalen Zinsen ist das Ergebnis der niedrigen und stabilen Inflationsraten in den fortentwickelten Ländern. Es wird angenommen, dass die abnehmende Schwankungsanfälligkeit der Inflationserwartungen dazu viel beigetragen hat. Der Zeitraum wird als „Great Moderation“ bezeichnet. Auch die realisierten Realzinsen sind zurückgegangen. Der reale Zins war in den 2000er Jahren niedriger als in den 1980er Jahren.

Es gibt dazu einige Erklärungen: Die eine davon ist das sog. „Global Savings Glut“-Hypothese, die auf den Anstieg der Ersparnisse in den sog. Entwicklungsländern zurückgeht. Die Begründung lautet so, dass der Trend durch die erhöhten Fremdwährungsreserven getrieben wurde.

Die andere Erklärung betrifft den Rückgang der Wachstumsaussichten, bedingt durch eine Abnahme der Produktivität oder durch den demographischen Wandel, insbesondere den Rückgang der Erwerbsquote.

Keine dieser möglichen Erklärungen kann aber laut Danthine den Rückgang der realen Zinsen vollständig bestätigen. Deshalb kann daraus keine Schlussfolgerung für die künftige Entwicklung der Zinsen gezogen werden.

(2) Der zyklische Rückgang lässt sich im Zuge der Finanzkrise und der schweren Rezession deutlich beobachten. Es gibt dazu drei Beobachtungen: 

(i) Niedriges  oder negatives Output-Wachstum so wie es in Zeiten von tiefen Rezessionen üblich ist. Daraus folgt, dass der Anreiz zum Investieren abnimmt und die Nachfrage nach Finanzierungen sinkt. Die tiefen Zinsen sind also in erster Linie eine natürliche Folge der schwer angeschlagenen der Weltwirtschaft (Depression). 

(ii) Die führenden Zentralbanken haben auch zum Umfeld der fallenden Zinsen beigetragen. Die rasche und entschiedene Antwort der Notenbank auf die Finanzkrise hat die Zinsen nahe Null-Grenze (zero lower bound) gebracht, was auch Auswirkungen auf die Entwicklung der langfristigen Zinsen entfaltet. Dazu zählen die Stichworte wie Quantitative Easing (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) und Credit Easing. Das Ziel war, durch die Ausdehnung der Bilanz-Summe der Zentralbanken, die negativen Effekte der Great Recession abzumildern.

(iii) Die Nachfrage nach sicheren Anlagen ist im Angesicht der wachsenden Unsicherheit auf den Finanzmärkten enorm gestiegen. Und gleichzeitig ist das Angebot an sicheren Anlagen gesunken. Folglich ist der Preis der Anlagen gestiegen und die Rendite ist gefallen.


Entwicklung der Zinsen in der Schweiz, Graph: Jean-Pierre Danthine, SNB, Nov 14, 2013

Fazit: Danthine ist überzeugt, dass die Senkung der Zinsen bis auf die Null-Grenze angesichts der schweren Krise gerechtfertigt ist.

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