Montag, 28. April 2014

Euro-Aufwertung und Wettbewerbsfähigkeit Europas

Christian Noyer, Chef der französischen Zentralbank hat heute laut Reuters gesagt, dass die Euro-Aufwertung die Deflation fördert und die Niedriginflation in der Euro-Zone wahrscheinlich eine Zeitlang anhalten werde.

Noyer, der zugleich ein Mitglied des EZB-Rates ist, erwartet nach eigenen Angaben keine Gefahr einer Abwärtsspirale in Preisen oder Deflation. Aber die Euro-Stärke verschimmere das Problem der unangenehmen niedrigen Inflation. Der Aufwertungseffekt der Einheitswährung sei ein Machtfaktor in Bezug auf die Deflation.

Das ist eine bemerkenswerte Aussage. Noyer stellt damit die gegenwärtig vorherrschende Politik der EU in Frage. Brüssel und Berlin bestehen nämlich darauf, dass Frankreich über Lohnsenkung seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert.

Wenn aber alle Länder im Euro-Raum dem deutschen Beispiel folgen würden, die Wettbewerbsfähigkeit mittels „interne Abwertung“ wiederzubeleben, kann der Aussenwert des Euro nur steigen. Die Euro-Aufwertung läuft aber allen Versuchen zuwider, Europas Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Ein starker Euro bedeutet (1) höhere Löhne, z.B. ausgedrückt in US-Dollar. Und die deflationäre Entwicklung schmälert (2) die zur Zeit ohnehin limitierte Wirksamkeit der europäischen Geldpolitik.

Sonntag, 27. April 2014

Vollgeld-System versus fraktionales Reserve-System

Martin Wolf will Banken die Geldschöpfung unterbinden. Der Mitherausgeber und Chef-Kommentator von Financial Times (FT) aus London plädiert in einem Meinungsartikel („Strip private banks of their power to create money“) in FT für den Aufbau von „100% reserve banking“.

Zur Erinnerung: Die Banken schöpfen Geld, indem sie Kredite vergeben. Die Kredite werden i.d.R. nicht von den Einlagen der anderen Bankkunden finanziert. Das heisst, dass die Banken das Geld „aus dem Nichts“ (out of thin air) schaffen. Nimmt jemand Kredit auf, wird ihm der entsprechende Betrag seinem Konto auf der Bank gutgeschrieben.

Wolf will mit dem Vollgeld-System den Banken übermässige Kreditvergabe verunmöglichen. Beim „100% reserve system“ können die Banken nur dann Geld ausleihen, was ihnen als Einlagen zur Verfügung gestellt wird. 

Da die private Buchgeldschöpfung durch die Banken Instabilität in der Wirtschaft verursache, soll laut Wolf die Notenbank die Aufgabe der Geldschöpfung übernehmen, um für einen ausgeglichenen Konjunkturzyklus zu sorgen.

Mit Bezugnahme auf Wolfs Kommentar rufen Atif Mian und Amir Sufi in ihrem Blog den in den 1930er Jahren unterbreiteten und als „Chicago Plan“ bekannten Vorschlag zur Unterbindung der Geldschöpfung mit einem Mindestreservesatz von 100% in Erinnerung. Irving Fisher hatte damals im Sog der Great Depression die Idee tatkräftig unterstützt. Eine „lockere Schraube“ im gegenwärtigen amerikanischen Geld- und Bankensystem ist die Anforderung von nur „fractional reserves“, lautete damals eine Bemerkung unter einigen Ökonomen.

Die Autoren deuten darauf hin, dass sie in ihrem neuen Buch auf das Thema „fractional reserves versus 100% reserve banking“ ausführlich eingehen.


Financial Stress Index, Graph: FRED, Fed St. Louis

Samstag, 26. April 2014

FDIC schliesst am Freitag die sechste Bank in diesem Jahr

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag eine kleine Bank in South Carolina geschlossen.

Damit ist 2014 die sechste Bankverstaatlichung vollzogen worden, nachdem im Vorjahr insgesamt 24 Banken gescheitert waren. 

Die Zahl der Bankschliessungen im Jahr 2012 markiert mit 51 einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Dennoch ist die Zahl ungewöhnlich hoch, da in einer wachsenden Wirtschaft jährlich i.d.R. nur vier oder fünf Banken im Durchschnitt geschlossen werden.

Die gestern verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen (assets) von insgesamt 54,5 Mio. $ und Einlagen (deposits) von 51 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank betragen für die öffentliche Hand schätzungsweise 17,1 Mio. $. 

Bankpleiten:

2014: 6
2013: 24
2012: 51
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 25. April 2014

Wie unterbezahlte deutsche Arbeitskräfte Euro-Krise verschlimmern

Da die Produktionsfaktoren im Euro-Raum unterausgelastet sind, besteht eine Produktionslücke (output gap). Die Preise können kaum steigen. Und sie haben allmählich begonnen, zu fallen.

Einige Ökonomen auf beiden Seiten des Atlantiks hatten bereits vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass das Ergebnis der von der EU-Kommission verordneten Politik der „internen Abwertung“ (sprich Lohnsenkung) Deflation sein werde.

Mittlerweile mehren sich Anzeichen auch für die Mainstream-Medien, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage fehlt, sodass sie anfangen, über die negativen Auswirkungen der drohenden Deflationsgefahr zu berichten.

Ohne eine klare Veränderung der Lohnpolitik können die deflationären Risiken in Europa nicht abgewehrt werden, schreibt Friederike Spiecker in einem lesenswerten Blog-Eintrag in flassbeck-economics.

Sie vertritt die Ansicht, dass die Löhne v.a. in einer Währungsunion wie der EWU dem Produktivitätswachstum plus der von der EZB angestrebten Inflationsrate im Euro-Raum steigen müssen, damit die Lohnstückkosten in den einzelnen Ländern nicht auseinander laufen und keine grosse Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit entsteht.

Da die Lohnsteigerung in Deutschland zu schwach war, wurde die Voraussetzung für den erfolgreichen Aussenhandel in der EWU nicht geschaffen. Folglich wurden die Länder an der EU-Peripherie gegen die Wand gedrückt, woraus mit der Zeit hohe Haushaltsdefizite erwachsen sind.




Die deutsche Lohnsteigerung war von 2000 bis 2010 zu moderat, Graph: Neil Irwin in NYTimes

Money Talks: Geld regiert die Welt

Das neue Buch „Capital in the Twenty-First Century“ von Thomas Piketty ist eine ernste und Diskur-verändernde Forschungsarbeit, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Piketty Panic“) am Freitag in NYTimes. Und Konservativen sind entsetzt.

Das wirklich Auffällige an der Debatte ist soweit, dass die Rechten nicht in der Lage zu sein scheinen, eine Art Gegenangriff anzubringen. Stattdessen besteht die Reaktion aus Beschimpfungen: „Piketty ist ein Marxist“, erklärt Krugman.

In den letzten Jahren haben Konservative auf die Versuche, das Thema „rasant steigende Einkommen an der Spitze“ als politisches Problem vorzustellen, mit zwei Linien geantwortet: (1) Verweigerung, dass es Reichen eigentlich gut geht wie immer und (2) der Rest es so schlecht hat wie er es verdient. 

Wenn aber die Verleugnung nicht mehr greift, behaupten sie, dass die rasant steigenden Einkommen an der Spitze gerechtfertigte Belohnung für die erbrachten Leistungen sind. Man soll sie ausserdem nicht „1 Prozent“ nennen, sondern „Job-Schöpfer“.

Wie soll aber die Verteidigung aussehen, wenn die Reichen einen grossen Teil ihres Einkommens nicht von der Arbeit, die sie verrichten, sondern aus dem Vermögen, das sie besitzen, ableiten? Und wie ist es damit, wenn grosse Reichtümer zunehmend nicht aus dem Unternehmen, sondern aus der Vererbung stammen?

Was Piketty zeigt, ist, dass diese nicht müssige Fragen sind. Westliche Gesellschaften vor dem Ersten Weltkrieg waren in der Tat von einer Oligarchie mit erebtem Vermögen beherrscht. Und sein Buch präsentiert ein überzeugendes Argument dafür, dass wir auf dem Weg zurück in Richtung dieser Verhältnisse sind.


Einkommensungleichheit in den USA, Graph: Thomas Piketty

Mittwoch, 23. April 2014

Geldbasis ist nicht gleich Geldmenge

Das Lehrbuch legt nahe, dass der Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) und hohe Haushaltsdefizite weder zu einem raschen Anstieg der Zinsen noch zu einer galoppierenden Inflation führen, wenn die nominalen Zinsen nahe null (zero lower bound) liegen.

Der Geldschöpfungsmultiplikator kommt zum Erliegen, wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen ist und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage das Hauptproblem (liquidity trap) darstellt.

Was sich anhand eines einfachen IS-LM-Modells theoretisch abbilden lässt, zeigt sich in der Praxis am Beispiel der Notenbankgeldmenge in der Schweiz. Hier ist eine bemerkenswerte Grafik, die die ZKB in Zürich heute vorgelegt hat.

Der kräftige Anstieg der Notenbankgeldmenge hat sich nicht inflationär ausgewirkt. Die Inflation ist in der Schweiz nach wie vor negativ. Die SNB versucht, deflationären Kräften entgegenzuwirken.


Notenbankgeldmenge und Inflation in der Schweiz, Graph: ZKB

Montag, 21. April 2014

Deflation und wie Schweden sich in Japan verwandelt

Vor drei Jahren wurde Schweden weithin als Vorbild im Umgang mit einer globalen Krise angesehen. Die Washington Post hat Schweden als „the rock star der wirtschaftlichen Erholung“ erklärt, schreibt Paul Krugman in seiner Kolumne („Sweden turns Japanese“) am Montag in NYTimes.

Dann kam der Sadomonetarism. Die Riksbank (Schwedens Notenbank) hat beschlossen, die Zinsen anzuheben.

Lars Svensson, Vizegouverneur zum Zeitpunkt, war lautstark gegen die Zinserhöhungen. Er ist laut Krugman einer der weltweit führenden Experten in Sachen Deflationsfalle im japanischen Stil.

Svensson hat hat davor gewarnt, dass Zinserhöhung in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft das Land einer ähnlichen Gefahr aussetzen würde wie in Japan. Er fand sich aber, wie Krugman weiter beschreibt, isoliert und verliess darauf hin die Riksbank im Jahr 2013.

Die Arbeitslosigkeit ist unmittelbar nach den Zinserhöhungen nicht weiter gesunken. Es hat etwas länger gedauert, bis die Deflation sich einsetzte, aber sie kam. Der Rockstar der Erholung hat sich damit in Japan verwandelt, so Krugman.

Warum hat die Riksbank aber einen solchen schrecklichen Fehler gemacht?



Kerninflation: Schweden versus Euro-Raum, Graph: Prof. Paul Krugman

Schweden, die Schweiz und die Geldpolitik in der Krise

Schweden macht in diesen Tagen die Bekanntschaft mit Deflation. Die Kerninflation ist niedriger als im Euro-Raum.

Wie kommt es? Schliesslich hat Schweden die Finanzkrise und die schweren Folgen daraus relativ gut überstanden.

Die parlamentarische Monarchie in Nordeuropa gehört nicht dem Euro-Raum an und ist daher nicht Restriktionen im Zusammenhang mit einer Währungsunion ausgesetzt. Schweden ist Mitglied der EU, hat aber seine eigene Landeswährung wie Grossbritannien.

Trotzdem ist Stockholm in die Deflationsfalle gerutscht. Wie ist es möglich?  

Die schwedische Zentralbank (Riksbank) hat trotz der niedrigen Inflation und dem schwachen Verlauf der Wirtschaft die geldpolitischen Zügel angezogen, mit der Begründung, dass die Inflation sonst ansteigen würde. Die Verfechter der tight-money-Politik haben die Oberhand behalten.

Lars Svensson hatte die Riksbank mehrmals davor gewarnt, die Zinsen frühzeitig zu erhöhen. Nun ist Schweden das erste Land in Nordeuropa, welches sich ernsthafte Probleme eingehandelt hat. Der ehemalige Wirtschaftsprofessor an der Princeton University legt der Riksbank deshalb nahe, eine „gross angelegte QE-Politik“ vorzubereiten.


Schweden in Deflation, Graph: Statistics Schweden  (SCB)

Sonntag, 20. April 2014

Warum handelt die EZB nicht glaubwürdig unverantwortlich?

Die EZB ist so langweilig. Anstatt in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft die Rolle als lender of last resort zu spielen, redet sie gebetsmühlenartig von einer „verdeckten Staatsfinanzierung“, wenn es um Überlegungen in Bezug auf den Einsatz von unkonventionellen Massnahmen wie z.B. der QE-Politik (quantitative easing) geht.

Bereits der EU-Rettungsschirm ESM wurde von den Anhängern der klassischen Lehre als „monetäre Haushaltsfinanzierung“ zurückgewiesen. Während die Inflation im Euro-Raum weiter fällt, wird ein potenzielles Anleihekaufprogramm durch die EZB am offenen Markt weiterhin als Umgehung des Verbots der Staatsfinanzierung bezeichnet.

Laut einem aktuellen Bericht von Spiegel denkt die EZB nun endlich darüber nach, gegen sinkende Preise im Euro-Raum etwas zu unternehmen. Anleihekäufe gelten aber offenbar immer noch als „ultima ratio“.

Deshalb ist vorerst eine negative Verzinsung der Einlagen der Banken bei der EZB vorstellbar. Falls die EZB Staatsanleihen kauft, soll sie sich auf Anleihen mit bester Bonität fokussieren, so die Forderung der Politik.

Die EZB scheint damit dem Verdacht entgegenwirken zu wollen, dass sie eine Schuldenfinanzierung der EU-Peripherie (Vergemeinschaftung der Schulden) betreibt.



Bilanzsumme der führenden Zentralbanken seit 2007, Graph: Finanz und Wirtschaft

Deflationsgefahr in Europa

Die jährliche Inflation im Euro-Raum ist im März auf 0,5% gesunken. Im Februar 2014 blief sie sich auf 0,7%. 

In acht EU-Ländern wurden negative jährliche Raten verzeichnet. Überall im Euro-Raum liegt die Inflationsrate unter dem von der EZB auf mittlere Sicht angestrebten Zielwert von 2 Prozent.

Das bedeutet, dass es der EZB nicht gelingt, die Zielinflationsrate zu erreichen. Die Inflation wird deutlich unterboten.

Auch die Kerninflation (ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak) liegt mit 0,7% deutlich unter 2 Prozent. Das Problem ist, dass die Inflation in den Kreditgeber-Ländern nicht hoch genug ist. Was die EU-Peripherie betrifft, erhöht die niedrige Inflation die reale Last der Schulden.

Mario Draghi wird nicht müde, zu betonen, dass die Inflationserwartungen im Euro-Raum gut verankert sind. Die Teuerungserwartungen gemessen an Inflationsswaps (3 und 5 Jahre) deuten aber darauf hin, dass die Aussage des EZB-Präsidenten zweifelhaft ist, wie die folgende Abbildung darlegt.



Inflationserwartungen in der Eurozone gemessen an Inflationsswaps, Graph: Finanz & Wirtschaft in:“ Das Risiko einer Deflation in Europa steigt“

Samstag, 19. April 2014

Flash Boys

Buchbesprechung:

Michael Lewis: A Wall Street Revolt. Flash Boys. W.W.Norton, New York, London 2014



Warum gibt es eine Differenz zwischen dem Aktienmarkt, den man im Bildschirm an seinem Computer verfolgt, und dem tatsächlichen Markt draussen? Das ist der Ausgangspunkt. Ein junger Aktienhändler aus Kanada gab Michael Lewis den Anstoss, dieses Buch über das sog. High Frequency Trading (HFT) zu schreiben.

Das High Frequecy Trading ist eine etwas besondere Art von Electronic Trading. Damit ist bereits gesagt, dass der Markt nicht mehr derselbe ist, den man bisher zu kennen glaubte. Und auf diesem „neuen“, von dem elektronischen Hochfrequenzhandel geprägten Markt herrscht eine dubiose Praxis. Michael Lewis spricht sogar von Manipulation.

Dazu kommt, dass nach und nach auch die Grenzen zwischen den Wall Street Brokers und Aktienbörsen verschwimmen. Die grossen Banken an der Wall Street führen heute ihre eigenen privaten Börsenplätze (z.B. Dark Pools). Und die grossen Aktienbörsen versuchen, die Broker zu überzeugen, die Aktienmarkt-Aufträge an die ausserbörslichen Handelsplattformen mit den welt-schnellsten Routers zu leiten. Gelockt werden die Broker mit Vergütungen (kick-backs und fees), während sie früher für die Aufträge, die sie ausführten, Gebühren zahlen mussten, bekommen die Broker heute Provisionen.

Es gibt in den USA 13 offizielle Börsen und mehr als 50 ausserbörsliche Handelsplattformen. Wie ist es aber überhaupt möglich, dass das Null-Summen-Spiel an der Börse derart pervertiert wird?

Die Protagonisten sind zum Teil unsichtbar. Auf der einen Seite steht aber der Mensch: Das tief verwurzelte Problem ist moral inertia. Die Technologie ist auf der anderen Seite angesiedelt: Algorithmus und Routers tragen in den automatisierten Aktienmärkten das Entscheidende dazu bei, dass ahnungslose Investoren über den Tisch gezogen werden. Der Schnellere gewinnt, dank einem Informationsvorsprung, der nicht öffentlich zugänglich ist, während der technisch Langsame verliert, ohne es wahrzunehmen.

Freitag, 18. April 2014

Geldmultiplikator und Nullzinsgrenze

Die auf die Finanzkrise von 2008 folgende schwere Rezession ist in gewisser Hinsicht mit der Great Depression in den 1930er Jahren vergleichbar, weshalb viele Ökonomen heute von Great Recession sprechen, was langanhaltende hohe Arbeitslosigkeit und aussergewöhnlich niedrige Nominalzinsen auch nahelegen.

Wenn die Nullzinsgrenze (zero lower bound) erreicht wird, kann die Notenbank die Geldpolitik mit konventionellen Mitteln nicht mehr weiter lockern. Extremsituationen erfordern ausserordentliche Massnahmen.

Die führenden Notenbanken haben daher auf unkonventionelle Instrumente wie z.B. QE-Politik (quantitative easing) zurückgreifen müssen, um die Finanzstabilität zu gewährleisten und umfangreiche Liquiditätshilfe zu gewähren.

Weltweit wurden neue Werkzeuge entwickelt und sog. makroprudenzielle Massnahmen getroffen.

Der Einsatz der neuen Instrumente (wie z.B. mengenmässige Lockerung der Geldpolitik durch Anleihe-Käufe am offenen Markt) hat u.a. zu einem massiven Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) geführt.

Die Anhänger der neoklassischen Lehre wurden in den vergangenen fünf Jahren trotzdem nicht müde, mit Hinweis auf die massive Ausdehnung der Notenbank-Bilanzen einen kräftigen Anstieg der Inflation vorauszusagen.



Geldmultiplikator kommt zum Erliegen, wenn die nominalen Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) prallen, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 17. April 2014

Einkommensungleichheit und Amerikas Gilded Age

Wir sind einem neuen Gilded Age („Vergoldetes Zeitalter“) von Reichtum und Macht ähnlich wie das erste Gilded Age, schreibt Robert Reich in seinem Blog.

Damals wurden Anti-Trust Gesetze erlassen, um die Konzentration von wirtschaftlicher Macht zu verhindern, die nicht nur Konsumenten schadete, sondern auch die Demokratie untergrub.

Die ausstehende Übernahme von Comcast durch Time Warner löst heute Assoziationen aus, hält der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

In vielerlei Hinsicht ist Amerika heute wieder zurück zu der Zeit der riesigen Konzentrationen von Reichtum und wirtschaftlicher Macht, die vor einerm Jahrhundert die Demokratie gefährdeten.

Man denke daran, dass das in Amerika’s neuem Gilded Age passiert, ähnlich wie im ersten Gilded Age, wo ein junger Teddy Roosevelt die „Missetäter des grossen Reichtums“ geisselte, die gegenüber arbeitenden Männern, die sie unterdrückten und gegenüber dem Staat, dessen Existenz sie gefährdeten, ebenso sorglos waren.

Mittwoch, 16. April 2014

Inflation und reale und nominale Variablen

Jürgen Stark bricht in einem wunderlichen Artikel („Doomsayers risk a self-fulling prophecy“) in FT eine Lanze für die Niedriginflation.

Der ehemalige Chefvolkswirt (von 2006 bis 2012) und Mitglied im Direktorium der EZB schreibt, dass die niedrige Inflation das real verfügbare Einkommen erhöhe und damit den privaten Verbrauch fördere.

Inflationserwartungen seien gut verankert und es gebe keinen Hinweis darauf, dass die Verbraucher und Unternehmen die Ausgaben in Erwartung von weiter fallenden Preisen hinausschieben. Warnungen vor Deflation und Forderungen, dass die EZB etwas unternehmen soll, seien irreführend.

Mit dieser Aussage würde Stark an der Uni durch die Bachelor-Prüfung durchfallen, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog dazu.

Stark scheint aber davon auszugehen, dass die Preise weniger stark steigen als das Wachstum des Einkommens. Was aber der deutsche Ökonom vergisst, ist, dass auch das Einkommen von den Preisen abhängt.

Die Niedriginflation mag schon dafür sorgen, dass der Zuwachs aus dem Einkommen steigt, und zwar bei einer bestimmten Wachstumsrate des nominalen Einkommens. Aber die Niedriginflation verringert zugleich auch die Wachstumsrate des nominalen Einkommens, und zwar eins zu eins.

Dienstag, 15. April 2014

Zusammenhang zwischen Lohnstückkosten und Inflation

Die Länder in der Europäischen Währungsunion (EMU) haben die Möglichkeit aufgegeben, eine nationale Geldpolitik zu betreiben, um stattdessen ein gemeinsam festgelegtes Inflationsziel zu verfolgen.

Wer aber versucht, seine Wettbewerbsfähigkeit durch Lohnsenkungen zu erhöhen, unterläuft das gemeinsame Inflationsziel. Und der Druck auf die Löhne löst mit der Zeit disinflationäre Kräfte aus.

Die Inflation lässt sich aufgrund der Entwicklung der Lohnstückkosten sehr gut erklären. Es gibt nämlich einen eindeutigen statistischen Zusammenhang, wie in den von Heiner Flassbeck neulich im Rahmen eines Referats in Washington vorgelegten Abbildungen zu sehen ist.




Druck auf Löhne (Lohn-Dumping) erzeugt im Euro-Raum Deflation, Graph: Prof. Heiner Flassbeck, April 2014, Washington

Montag, 14. April 2014

Die drei Millisekunden im HFT und der Rest der Gesellschaft

Spread Networks hat vor vier Jahren die Bohrarbeiten durch die Allegheny Berge von Pennsylvania abgeschlossen. Es handelt sich dabei um einen Tunnel, wo Glasfaberkabel verlegt wurden. Das Ziel war, 3 Millisekunden zu sparen. Das heisst 3 Tausendstel einer Sekunde, die zwischen den Futures-Märkten von Chicago und den Aktien-Märkten von New York „ruhen“.

Wen kratzen eigentlich 3 Millisekunden? Die Antwort ist Hochfrequenz-Händler (high-freuquency traders), die Geld verdienen, indem sie Aktien in einem winzigen Bruchteil einer Sekunde schneller als andere Marktteilnehmer kaufen oder verkaufen.

Man denke darüber nach, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Expensive Milliseconds“) am Montag in NYTimes, dass man Hunderte von Millionen Dollar ausgibt, um 3 Millisekunden zu sparen.

Das hört sich wie eine riesige Verschwendung an. Und das ist nur ein Teil eines viel umfassenderen Bildes, wo die Gesellschaft einen stetig wachsenden Anteil seiner Ressourcen an finanzielle Machenschaften steckt, während sie im Gegenzug nur wenig oder gar nichts dafür mitbekommt.

Um wie viel Verschwendung geht es? Eine Analyse („Finance vs. Wal-Mart“) von Thomas Philippon von der New York University deutet auf mehrere 100 Mrd. Dollar pro Jahr hin. Was kriegen wir im Gegenzug für das Geld? Nicht viel, soweit man sagen kann, so Krugman.

Sonntag, 13. April 2014

Mittelstand leidet unter einem stagnierenden Einkommen

Leonard E. Burman hat in einer Anhörung vor dem Finanzausschuss des amerikanischen Senats seine persönliche Ansichten in Bezug auf innovative Ideen und Strategien zur Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen der amerikanischen Haushalte und zur Förderung der Mittelschicht dargelegt.

Der an der Maxwell School, Syracuse University lehrende Wirtschaftsprofessor hat dabei einige der Herausforderungen für den Mittelstand im Jahr 2014 erläutert und politische Optionen erkundet, die helfen sollen, diesen Problemen zu begegnen.

Der Mittelstand leidet seiner Meinung nach v.a. unter einem stagnierenden Einkommen, und zwar seit mehr als einer Generation und es deutet sich keine Besserung an. Das harmlose Wachstum der gesamten Vergütungen wurden weitgehend durch die Kosten der Nebenleistungen verbraucht, so Burman. Das Einkommen der Median-Vollzeitbeschäftigten hat mit Inflation kaum Schritt halten können.

Viele Faktoren trugen dazu bei: Burman nennt z.B. erstens die Rolle der Technologie: Maschinen sind ein ausgezeichneter Ersatz für eine wachsende Liste der Stellen. Eine offensichtliche Antwort darauf ist seiner Auffassung nach ein besserer Zugang zu erschwinglicher Hochschul- und Berufsausbildung.
  



Anteil von Top 1 Prozent und Top 0,1% am Einkommen in den USA, Graph: Prof. Leonard E. Burman in: Policies to Support the Middle Class, March 13, 2014

Ungleichheit Indexierung

Steuern zahlen ist selten angenehm, schreibt Robert Shiller in einem lesenswerten Artikel („Better Insurance Againgst Inequality“) am Sonntag in NYTimes im Angesicht des 15. April, dem Tax Day in den USA.

Das US-Steuersystem ist progressiv und dient einem wenig beachteten aber entscheidenden Zweck: Es mindert einige der schlimmsten Folgen der Einkommensungleichheit.

Aber es ist auch klar, dass das nicht annähernd genug ist, erklärt der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor. Es ist Zeit, eigentlich höchste Zeit, das System zu optimieren, sodass verhindert werden kann, dass die Einkommensungleichheit extremer wird.

In einer Anhörung vor dem Finanzausschuss des Senats im vergangenen Monat hat Leonard Burman eine Version von „Ungleichheit Indexierung“ (inequality indexing) vorgeschlagen, die politisch akzeptabel sein könnte, so Shiller.

Seine Idee war die Ungleichheit Indexierung in die Inflation Indexierung zu integrieren, anstatt Steuerklassen einfach an die Inflation zu verknüpfen.

Wenn die Ungleichheit sich verschlimmert, würde höhere Steuerklassen etwas mehr von der Last tragen und die Menschen am unteren Ende der Einkommenspyramide würden etwas entlastet.



Einkommensteuererklärung in den USA, Graph: NYTimes

Freitag, 11. April 2014

Schweiz und Deflation

Die SNB hat bei der geldpolitischen Lagebeurteilung am 20. März 2014 unterstrichen, dass der Schweizer Franken (CHF) nach wie vor hoch bewertet ist. 

Die Notenbank stehe bereit, den Mindestkurs wenn nötig durch den Kauf von Devisen in unbeschränkter Höhe durchzusetzen, hiess es in der Pressemitteilung.

Das ist eine Ansicht, die auch vom IWF geteilt wird.

Der stärkere CHF und die international rückläufige Teuerung verzögern den Anstieg der Inflation in den positiven Bereich. Vor diesem Hintergrund dürfte die SNB am Mindestkurs (cap on CHF) mindestens noch ein weiteres Jahr festhalten, wenn nicht länger.

Das ist das Ergebnis der aktuellen Bloomberg Umfrage unter Ökonomen (Monthly Survey).




Die Schweiz in Deflation, Graph: Morgan Stanley

Warum ein höheres Inflationsziel gut wäre

Die Warnung vor einem längeren Zeitraum niedriger Zinsen und eine langanhaltende Stagnation (secular stagnation) wurde in den vergangenen Monaten v.a. von zwei der weltweit bekanntesten Wirtschaftsinstitutionen IWF und Larry Summers, dem ehemaligen US-Finanzminister vehement zum Ausdruck gebracht.

Die nominalen Zinsen fallen seit drei Jahrzehnten. Die Ursachen sind jedoch umstritten. Warum ist aber ein längerer Zeitraum niedriger Zinsen ist eine schlechte Sache? Und was kann v.a. dagegen unternommen werden?

Das derzeit niedrige Zinsniveau verleitet Investoren auf der Suche nach Renditen zu einer erhöhten Risikobereitschaft. Die Zentralbanken verfügen über kaum Spielraum, die Geldpolitik weiter zu lockern, weil die Zinsen nicht unter Null fallen können. Das sind symptomatische Zeichen der gegenwärtigen Situation der Weltwirtschaft.

Die Identifizierung des Problems erfordert andererseits die Diagnose der zugrunde liegenden Ursachen, schreibt Barry Eichengreen dazu in einem lesenswerten Artikel („Losing Interest“) in Project Syndicate.

Der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor glaubt hierbei nicht an die These von „global savings glut“ (v.a. in den sog. Emerging Markets) als Ursache.

Die Daten zeigen kaum Anzeichen für eine Ersparnissschwemme (savings glut), so Eichengreen. Seit 1980 schwanken die globalen Ersparnisse zwischen 22% und 24% des weltweiten BIP, mit wenig Neigung, nach oben und nach unten zu gehen.

Donnerstag, 10. April 2014

Die Rolle des Geldes in der amerikanischen Politik

Jeder denkt, zu wissen, dass das Geld in der amerikanischen Politik wichtig ist. Aber wie wichtig? Mit dem Thema befasst sich Larry Bartels in einem lesenswerten Artikel („Rich people rule!“) in The WaPo.

Seit Jahrzehnten weichen die meisten Politologen dieser Frage aus, argumentiert der an der Vanderbilt University lehrende Professor für Politikwissenschaftler.

Aber jetzt lenken immer mehr Politologen mehr systematische Aufmerksamkeit auf die politische Wirkung von Reichtum. Und ihre Ergebnisse veranlassen uns, über die amerikanische Demokratie nachzudenken, so Bartels.

Ein bevorstehender Artikel („Testing Theories of American Politics“) von Martin Gilens und Benjamin Page verzeichnet einen bemerkenswerten Schritt in diesem Prozess.

Die Autoren folgern, dass die „Wirtschaftselite“ und organisierte Gruppen, die Interessenvertretung für Unternehmen machen, erhebliche unabhängige Auswirkungen auf die Politik der US-Regierung entfalten, während die Masse von Interessengruppen und durchschnittliche Bürger wenig oder keinen unabhängigen Einfluss ausüben können.

Mittwoch, 9. April 2014

Wie gross ist die Bilanz der US-Notenbank?

Die Bilanzsumme der Fed beläuft sich zur Zeit auf 4‘192 Mrd. USD, was rund einem Viertel der US-Wirtschaftsleistung (BIP) im Jahr entspricht.

Mit anderen Worten ist die Fed-Bilanzsumme gleich 56 Bill Gates, dem reichsten Mensch der Welt laut der Bloomberg-Liste mit einem geschätzten Vermögen von 73 Mrd. USD.

Die Bilanz der US-Notenbank hat im Dezember 2013 erstmal die Marke von 4‘000 Mrd. USA überschritten. Damit hat sich die Bilanz der Fed im Sog der Finanzkrise von 2008 vervierfacht.

Der Auslöser ist die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (genannt QE, d.h. quantitative easing).

Es gibt aber keinen Grund zur Sorge, da der Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) nicht zu einem Anstieg der Inflation und der Zinsen führt, solange die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle (liquidity trap) steckt und die nominalen Zinsen nahe Null-Grenze (zero lower bound) verweilen.




Bilanzsumme der US-Notenbank (Fed), Graph: Vincent Reinhart, Chief US Econonist, Morgan Stanley

Dienstag, 8. April 2014

Was der Verlust an Potenzialwachstum für die US-Wirtschaft konkret bedeutet

Es war John Maynard Keynes, der erklärte, warum das Say’sche Gesetz falsch war.

Mangelnde Nachfrage führt über Zeit zu mangelndem Angebot, sagte Larry Summers nun in diesem Zusammenhang vergangene Woche in einem Vortrag in Washington. Richtig!

Die Bilder sprechen für sich: Die US-Wirtschaft ist heute 10% unter dem geschätzten Potenzialwachstum von 2007. Die Hälfte von 10% betrachtet Summers als einen anhaltenden Nachfrageausfall im Verhältnis zum Produktionspotenzial. Und die andere Hälfte gilt als verlorenes Wirtschaftspotenzial.

Die Schätzungen beruhen auf Daten von Congressional Budget Office (CBO), wobei auch die Daten von IWF und der Fed, OECD die Entwicklung in wesentlichen Zügen bestätigen.




US-Produktionslücke (output gap), Graph: Center on Budget and Policy Priorities (CBPP)

Montag, 7. April 2014

Staatsschulden sind keine Belastung zukünftiger Generationen

Larry Summers schreibt in einem lesenswerten Artikel („What the world must do to kick-start growth”) in FT von heute, dass der IWF im aktuellen WEO-Bericht im Wesentlichen die These von „säkularer Stagnation“ (secular stagnation) unterstützt. Die Inflation ist zu niedrig. Die gesamtwirtschafltiche Nachfrage ist so schwach, dass die Vollbeschäftigung ohne Realzinsen nicht wiederhergestellt werden kann.

Der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor fordert eine globale Wachstumsstrategie, um der langanhaltenden Stagnation der Wirtschaft entgegenzuwirken, anstatt sich mit Beschönigung von easy money-Politik, die ja als einzige Massnahme auf der Tagesordnung steht, durchzuwursteln.

Beachtenswert ist v.a. die Bemerkung des ehemaligen US-Finanzministers, dass erhöhte Ausgaben für die Infrastruktur die Last der zukünftigen Generationen reduzieren würde, und zwar nicht nur durch die Ankurbelung des Wachstums, sondern auch durch die Kapazitätserweiterung der Volkswirtschaft und die Verringerung der latenten Unterhaltspflichten.

Damit weist Summers eine der Behauptungen, die im Verlauf der Euro-Krise öfters aufgestellt wird, dass die Staatsschulden eine Belastung zukünftiger Generationen sind, als Trugschluss zurück. Die Behauptung lautet, dass die nächste Generation gezwungen werde, mehr einzunehmen, als sie für den Schuldendienst braucht, wenn die derzeitige Generation mehr ausgibt als sie einnimmt.

Oligarchen und Geldpolitik

Streber der VWL warten immer gespannt auf die nächste Ausgabe des World Economic Outlook (WEO) des Internationalen Währungsfonds (IWF), schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Oligarchs and Money“) am Montag in NYTimes. Es ist immer interessant und sogar provokativ. Auch die aktuelle Ausgabe bildet hierbei keine Ausnahme.

Der kürzlich vorgelegte WEO-Bericht bietet in der Tat ein überzeugendes Argument für die Anhebung des Inflationsziels über 2%, was zur Zeit in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften die Norm ist.

Viele Menschen sehen ein, dass ein sinkendes Preisniveau eine schlechte Sache ist. Niemand will japanische Verhältnisse erleben. Die japanische Wirtschaft versucht, seit den 1990er Jahren die Deflation zu bekämpfen. Was aber weniger eingesehen wird, ist, dass es auf der Null-Grenze (zero lower bound) keine rote Linie gibt. 

Das heisst, dass eine Wirtschaft mit einer Inflation von 0,5% viele der gleichen Probleme bekommt wie eine Wirtschaft mit einer Deflation von 0,5%. Aus diesem Grund hat der IWF neulich vor „lowinflation“ gewarnt, was Europa in eine Stagnation à la Japan versetzen würde, auch wenn keine vollständige Deflation stattfindet.

Was bedeutet aber in diesem Zusammenhang eine höhere Inflation?

Eine höhere Inflation ist gut für Schuldner und daher gut für die gesamte Wirtschaft mit einem Überhang an Schulden, was zur Zeit das Wirtschaftswachstum und dadurch die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert. 

Eine höhere Inflation veranlasst in der Regel Menschen, zu konsumieren, als auf dem Cash-Bestand zu sitzen. Und darauf kommt es v.a. in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft sehr an. 

Eine höhere Inflation kann zudem als eine Art Schmierstoff in der Wirtschaft die Anpassung von Preisen und Kosten erleichtern, erklärt Krugman weiter.



Realzinsen (für Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit) im Vergleich, Graph: IMF in: Chapter 3: „Perspectives on global real interest rates", April 2014“

Sonntag, 6. April 2014

Geldbasis, Geldmenge und Geldmultiplikator

Die US-Wirtschaft wird wie Simbabwe in eine Hyperinflation abrutschen, sagte Marc Faber im Mai 2009 laut Bloomberg. Begründung: Die US-Notenbank (Fed) weigert sich, die Zinsen zu erhöhen. Er sei sich 100% sicher, dass die Hyperinflation kommt. Begründung: Der massive Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base).

Faber war aber nicht allein. Zahlreiche renommierte Ökonomen haben mit Nachdruck vorausgesagt, dass die Inflation durch die Decke schiessen werde, aus demselben Grund. Die Behauptung wurde sogar auch in Form von offenen Briefen in bekannten Zeitungen eindringlich kundgetan. 

Nachdem die nominalen Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) aufprallten, sahen sich führende Zentralbanken wie z.B. die Fed, BoE und die SNB veranlasst, in ihrer Rolle als lender of last resort auf unkonventionelle Mittel zurückzugreifen.

Die Geldpolitik verliert nämlich an Wirksamkeit, wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle (liquidity trap) steckt und die nominalen Zinsen nicht weiter gesenkt werden können.

Die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik hat zwar zu einem starken Anstieg der Notenbankgeldmenge geführt. Die Fortführung der expansiven Geldpolitik mit unkonventionellen Massnahmen hat aber keinen Anstieg der Inflation oder Zinsen ausgelöst, weil die Wirtschaft wie oben kurz geschildert in einer Liquiditätsfalle steckt und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ins Stocken geraten ist.

Das heisst, dass der Geldmengenmultiplikator (money multiplier) auf der Null-Grenze (zero lower bound) zusammenbricht, wie die Erfahrung der japanischen Wirtschaft in den 1990er Jahren nahelegt.




Notenbankgeldmenge und Geldmultiplikator der britischen Wirtschaft, Graph: Morgan Stanley

M4 ist der weit gefasst Geldmengen-Aggregat (broad money) der Bank of England (BoE) als ein Messwert für die Geldmenge in Grossbritannien (einschliesslich Geldmarkt-Papiere)
M4 für die USA siehe hier

Samstag, 5. April 2014

Technologie ist am Anstieg der Ungleichheit nicht Schuld

Vieles ist zwar bekannt, aber John Quiggin legt Wert darauf, in einem lesenswerten Artikel (“Inequality is caused by ideology, not technology“) auf die originelle Kritik einzugehen, wonach die Technologie, die besondere Geschicklichkeit erfordert, für die steigende Ungleichheit verantwortlich ist.

Die echten Gewinne in diesem Zeitraum gingen zu Gunsten des oberen 1 Prozents, dem die CEOs oder andere Führungskräfte in der Finanzindustrie angehören. Diese Gruppe hat ihr Realeinkommen in den letzten 30 Jahren fast vervierfacht, betont der an der University of Queensland, Australien lehrende Wirtschaftsprofessor.

Das ist ein grosses Problem für die „Race against the Machine“-Hypothese. Ein grosser Teil des Einkommenswachstums im oberen 1 Prozent fand vor dem Jahr 2000 statt, als der Stereotype CEO ein technologischer Analphabet war, der seine e-Mails von seiner Sekretärin hat ausdrucken lassen.

Auch heute noch ist die für eine typische Führungskraft verfügbare Technologie (ein PC mit Zugang zum Internet und Intranet im Unternehmen mit begrenzten Fähigkeiten) nicht mehr als die Kenntnisse eines durchschnittlichen Arbeitnehmers und schlechter als die der Arbeitskräfte in high-tech-intensiven Tätigkeiten.

Freitag, 4. April 2014

Warum ist die linke Wirtschaftspolitik so erbärmlich?

Warum sieht die von den Linken verfolgte oder vorgeschlagene Wirtschaftspolitik so erbärmlich aus, fragt Simon Wren-Lewis in seinem Blog. Als eindeutiges aktuelles Beispiel deutet der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor v.a. auf Frankreich hin.

Die linke (im April 2012 gewählte) Regierung unter François Hollande hat die Gürtel-enger-schnallen-Politik fortgesetzt: Die Staatsausgaben wurden gekürzt und die Steuern erhöht.

Im Januar dieses Jahres hat Hollande dann Steuersenkungen für Unternehmen und Ausgabenkürzungen im öffentlichen Sektor angekündigt. „Wenn Ihre makroökonomischen Aussagen von Deutschlands Aussenminister als mutig gelobt werden, sollten Sie wirklich sehr besorgt sein“, fügt Wren-Lewis ironisch hinzu.

Alle Hoffnungen, dass Hollande einen Kampf gegen die harschen Sparmassnahmen (fiscal austerity) im Euro-Raum ansagen würde, sind damit endgültig verflogen.

Schlimmer ist zudem, dass Hollande öffentlich ein Loblied auf angebotsorientierte Wirtschaftspolitik gesungen hat.

Das ist nicht anti-Links, sondern viel mehr anti-Wirtschaft, so Wren-Lewis. Das sagt uns, dass es in Europa in jeder Hinsicht keine linke Politik gibt, wie Kevin O' Rourke ergänzt.

Kurzum: Wren-Lewis vertritt die Ansicht, dass das Ganze mit Ressourcen und Institutionen zu tun hat, warum die linke Wirtschaftspolitik in Europa so pathetisch ist: Guter Rat ist teuer oder kostet viel Zeit. Eine etablierte Regierung findet ihn viel einfacher als eine Opposition oder eine neue Regierung.

Was genau implizieren langfristig anhaltende Niedrigzinsen?

David Wessel deutet in einem Artikel in WSJ auf einen aktuellen IWF-Bericht (World Economic Outlook) hin, worin die Autoren auf den anhaltenden Rückgang der inflationsbereinigten Zinsen in den fortentwickelten Volkswirtschaften aufmerksam machen.

Es handelt sich dabei um eine Entwicklung, die sich bereits vor dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 abgezeichnet hat, unterstreichen die Verfasser des IWF-Berichts.

Das heisst, dass die Zinsen bereits vor der Umsetzung der mengenmässigen Lockerung (QE: quantitative easing) der Geldpolitik niedrig verlaufen sind.

Warum ist das wichtig?

Zum ersten, weil dadurch die Risikobereitschaft der Investoren auf der Suche nach etwas mehr Rendite steigt, was für die Finanzstabilität eine Gefahr darstellt. Und zum anderen steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirtschaft noch längere Zeit an der Null-Grenze verbringt, was die Arbeit einer Zentralbank erschwert, mit dem Einsatz von Zinsen auf Rezessionen zu reagieren.



Realzinsen (3 Monate und 10 Jahre) in den USA, Graph: David Wessel in WSJ

Donnerstag, 3. April 2014

EZB sagt: Nice to talk to you – Sonst nichts

Die EZB hat heute erklärt, dass sie bereit ist, wenn nötig, die Geldpolitik weiter zu lockern.

Wenn nötig?

Die Inflation ist negativ. Das Wirtschaftswachstum ist mit 0,5% deutlich schwach. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf rund 12% und der Euro wird stärker.

Vor diesem Hintergrund hört sich die heute von EBC-Präsident Mario Draghi unterstrichene Bereitschaft, gegen die niedrige Inflation notfalls entgegenzuwirken, ziemlich pathetisch.

Komisch ist zudem, dass die EZB die Inflation bekämpft, während Deflationsgefahr überwiegt und die Gemeinschaftswährung aus dem Niedergang retten will, während der Euro sich nach und nach aufwertet.

Die einzig neue Aussage auf der Pressekonferenz ist gewesen, dass der EZB-Rat sich einig sei (d.h. einstimmig), gegebenenfalls auch „unkonventionelle Massnahmen“ zu treffen. Draghi hat jedoch im gleichen Atemzug betont, dass er keine Gefahr einer Deflation im Euro-Raum erkennen kann.




Inflation (Konsumentenpreise, CPI und Produzentenpreise, PPI) im Euro-Raum, Graph: ZKB in DMO, April 3, 2014

Die Erzeugerpreise (PPI) der Industrie sind im Februar 2014 gegenüber Februar 2013 um 1,7% zurückgegangen, wie eurostat gestern mitgeteilt hat.

Mittwoch, 2. April 2014

Deflation im Euro-Raum und Troika-Trolls

William K. Black erläutert in drei Blog-Einträgen die schwache Geldpolitik der EZB und eine Reihe von abträglichen Artikeln in den Medien über die Deflationsgefahr im Euro-Raum.

Nach einem vor zwei Tagen in NYTimes veröffentlichten Bericht hält Mario Draghi, EZB-Präsident die Deflation für wünschenswert, weil dadurch die Löhne und Preise fallen, was das europäische Export-Geschäft ankurbele und damit die Wirtschaft wiederbelebe.

Das steht natürlich im krassen Gegensatz zu Richtlinien der EZB und ökonomischen Theorien. Das wird aber im zitierten Artikel verschwiegen, klagt der an der University of Missouri Kansas City lehrende Rechtsprofessor.

Im Übrigen kommen im Bericht nicht einmal die Wörter „Nachfrage“ und „Fiskal“ vor. Das heisst, dass weder die Kausalität noch die effektiven Mittel gegen die Ursache der kritischen wirtschaftlichen Probleme Europas diskutiert werden, ergänzt Black weiter. Es ist die mangelhafte gesamtwirtschaftliche Nachfrage.


Die allgemeine Inflation und die Kerninflation im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 1. April 2014

EZB: QE or not QE

Der Wechselkurs und der anhaltende Rückgang der Inflation sind zur Zeit die am häufigsten zitierten Barometer der Geldpolitik im Euro-Raum.

Nachdem die Anzeichen sich mehren, dass Spanien in eine Deflation abrutscht, braucht es wahrscheinlich nur noch schlechtere Wachstumsraten für die EU, damit die EZB endlich reagiert.

Dennoch stehen die Chancen schlecht, dass die EZB eine mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) ankündigt. In den Medien ist öfter die Rede von hohen politischen Kosten eines Anleihekauf-Programms à la Fed oder Bank of England (BoE), weshalb Mario Draghi sich zurückhält, eine QE-Politik in Angriff zu nehmen.

Bemerkenswert ist ferner, dass die Laufzeitprämien (term premium) für deutsche Staatsanleihen deutlich negative Werte aufweisen. Es handelt sich dabei um einen Massstab für die von den Investoren erwartete Einschätzung des Zinsrisikos.



Laufzeitprämie (term premium) für deutsche Staatsanleihen, Graph: Morgan Stanley