Freitag, 26. September 2014

Die angeberische Gesellschaft

Linke sprechen über Umstände; Konservative über Charakter, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Show-off Society“) am Freitag in NYTimes.

Die geistige Kluft ist am deutlichsten, wenn es um die anhaltende Armut geht, unterstreicht der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor. 

Linke konzentrieren sich auf die Stagnation der Reallöhne und den Abbau der Arbeitsplätze für die Mittelschicht genauso wie auf die ständige Unsicherheit, die damit einhergeht, dass man keinen Job oder Vermögen hat. Konservative hingegen meinen, dass die Menschen es nicht hartnäckig genug anpacken.

Um fair zu sein, betont Krugman, dass es auch einige Konservative gibt, die den Reichen einen Tadel erteilen. Peggy Noonan schreibt über unsere „dekadenten Eliten“. Im Charles Murrays Buch „Coming Apart“ geht es hauptsächlich um den angeblichen Verfall der Werte unter der weissen Arbeiterklasse, wobei auch die „Unschicklichkeit“ der Superreichen mit ihrem aufwendigen Lebensstil und gigantischen Häusern angeprangert wird, so Krugman.

Gab es aber tatsächlich eine Explosion der Prahlerei der Eliten?

Krugman zitiert dazu einen Artikel aus Fortune vom Jahr 1955 mit dem Titel „How top executives live“: Es stellt sich heraus, dass das Leben einer früheren Generation der Eliten in der Tat weit mehr zurückhaltend war, d.h. schicklich bzw. anständig, wenn Sie es so wollen. 

Und warum hat sich die Elite von der Prahlerei und Zurschaustellung der Vergangenheit zurückgezogen? Die grosse Yacht ist im Meer der progressiven Besteuerung gesunken, beschreibt Fortune.

Das Meer ist aber abgeebbt, legt Krugman dar: Und es gibt kein Geheimnis darüber, was mit den guten alten Zeiten der zurückhaltend lebenden Elite geschehen ist: Extreme Einkommensungleichheit und niedrige Steuern an der Spitze sind wieder zurück auf der Tagesordnung. Gibt es aber eine Chance, dass die Regeln der Moral, Mahnungen und Aufrufe, ein besseres Beispiel abzugeben, bei den Reichen auf Gehör stösst, mit der Angeberei aufzuhören? Nein.

Es ist nicht einfach so, dass die Menschen, die es sich leisten können, auf grossem Fuss zu leben, dazu neigen, sich auch so zu verhalten. Wie Thorstein Veblen uns vor einer langen Zeit sagte, dass die Reichen sich in einer sehr ungleichen Gesellschaft verpflichtet fühlen, „Geltungskonsum“ vorzuführen.

Und die moderne Sozialwissenschaft bestätigt die Einsicht: Beispielsweise zeigen die Forscher bei der US-Notenbank, dass die Menschen, die in den im hohem Grade ungleichen Vierteln leben, eher dazu neigen, Luxusautos zu kaufen. Ziemlich klar, dass hohe Ungleichheit eine wahrgenommene Notwendigkeit hervorruft, Geld in einer Art und Weise auszugeben, was auf Status hinweist, argumentiert Krugman.

Der Punkt ist, dass es, während die Reichen für ihre Vulgarität nicht so anzüglich sein mögen wie sie die Armen an moralischen Schwächen belehren, ebenso zwecklos ist. Menschliche Natur ist halt so, wie sie ist; es ist dumm, Demut von einer weitreichenden Elite zu erwarten. 

Wenn Sie denken, dass unsere Gesellschaft mehr Demut benötigt, sollten Sie Politik unterstützen, die die Privilegien der Elite reduzieren will, hält der im Luxembourg Income Study Center forschende Träger des Wirtschaftsnobelpreises als Fazit fest.

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