Montag, 13. Oktober 2014

Deutschlands Wirtschaftsmodell ist kein Vorbild für die Eurozone

Deutschland hat nicht wirklich eine starke Binnenwirtschaft, schreibt Wolfgang Münchau in seiner Kolumne („Germany’s weak point is ist reliance on exports“) in FT. Die Vollbeschäftigung ist mehr oder weniger auf einen riesigen Handelsbilanzüberschuss zurückzuführen.

Dennoch erlebt die deutsche Wirtschaft, auch wenn Realzinsen negativ sind, keinen prasselnden Boom, bemerkt Paul Krugman dazu zustimmend und liefert die folgende Abbildung.

Ohne den Überschuss im Aussenhandel würde die deutsche Wirtschaft heute ganz eindeutig in einer langanhaltenden Stagnation (secular stagnation) stecken, unterstreicht Münchau weiter.



Deutschlands Handelsbilanzüberschuss im Verhältnis zum BIP, Graph: Prof. Paul Krugman


Die Idee, das deutsche Wirtschaftsmodell (einseitig export-getriebenes Wirtschaftswachstum mit Sozialabbau und Lohnkürzungen im Inland) als Vorbild für den Rest der Eurozone zu empfehlen, ist aus zumindest rein arithmetischen Gründen nicht realistisch: Nicht alle Länder können gleichzeitig gigantische Überschüsse im Aussenhandel erzielen.

Wenn in schlechten Zeiten alle gleichzeitig sparen, bricht die Wirtschaft zusammen (paradox of thrift), weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt und das Wirtschaftswachstum sich verringert.

Hans-Werner Sinn hat neulich in einem wunderlichen Artikel in FT die Meinung vertreten, dass die EU-Peripherie mittels Deflation ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen soll.

igentlich würde es nahe liegen, Deutschland zu raten, etwas mehr Inflation zuzulassen. Schliesslich hat Deutschland in den ersten 10 Jahren nach der Einführung der Gemeinschaftswährung die von der EZB vorgegebene Zielinflationsrate kontinuierlich unterboten, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Rest im Euro-Raum zu verschaffen.

Andererseits ist es ein Fakt, dass die Haushaltsdefizite in Südeuropa (z.B. in Italien und Spanien) seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 erheblich zurückgegangen sind, während an den deutschen hohen Exportüberschüssen nichts geändert hat. Das hat zur Folge, dass die Wirtschaft nicht wachsen kann, während die hohe Arbeitslosigkeit anhält.

Es ist die von Berlin und Brüssel befürwortete Austeritätspolitik, die für deflationäre Tendenzen im Euro-Raum verantwortlich ist. Deutschland müsste also die Binnenkonjunktur stärken, und zwar mit Lohnwachstum.

Fazit: Was Münchau m.a.W. sagt, ist, dass das deutsche Wirtschaftswachstum bisher auf Kosten des Auslands ging. Während in Deutschland die öffentliche Hand die Ausgaben kürzt, Unternehmen nicht investieren und private Haushalte Gürtel enger schnallen, verschuldet sich das Ausland, nämlich die EU-Peripherie, um deutsche Waren zu beziehen. Dieses Wirtschaftsmodell ist aber gescheitert.

Dass Deutschland die anderen Länder sonst weiter an die Wand drückt, hat Heiner Flassbeck in einem Interview mit dem Handelsblatt vor nicht allzu langer Zeit allgemein verständlich dargelegt.


Keine Kommentare: