Donnerstag, 20. November 2014

Strukturreformen gegen Rückenschmerzen und Mundgeruch

Mittlerweile kann man sich des Eindrucks nicht mehr erwehren, als ob die Strukturreform ein Universalelixier wäre. Ununterbrochen preisen die Very Serious People (VSP) Strukturreformen an: unabhängig davon, ob damit Inflation bekämpft oder Deflation abgewehrt werden soll.

Man könnte meinen: Strukturreformen tun auch gegen Rückenschmerzen und Mundgeruch gut. Quacksalberprodukt.

Paul Krugman erklärt in seinem Blog, dass die Strukturreform traditionell als Antwort auf das Problem der Stagflation angeboten wurde. Wenn eine Volkswirtschaft sich anschickt, zu überhitzen, während sich die Inflation beschleunigt, wurde trotz einer recht hohen Arbeitslosigkeit eine Strukturreform empfohlen. Die Argumentation lautete, dass man mit Rigiditäten auf dem Arbeitsmarkt zu tun hätte.

Im Grunde genommen war es (ist es eigenlich immer noch) ein Euphemismus für ein System, wo es einfacher ist, Leute zu feuern und Löhne zu senken. Der Einsatz der Strukturreform wurde um einer besseren Performance willen als gerechtfertigt verkauft, um den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten, sprich brutaler zu machen, weil man sonst keine Performance erzielen könne.

Es gab immer einen Grund zu der Annahme, dass viel „strukturelle“ Arbeitslosigkeit das Ergebnis der Hysterese war, d.h. der bleibende Schaden einer längeren Rezession. Doch es war zumindest eine kohärente Argumentation, so Krugman weiter.

Japan leidet aber heute nicht unter Stagflation. Auch Europa nicht. Sie erleiden stattdessen Niedriginflation (lowflation) oder Deflation und einen anhaltenden Nachfrageausfall.

Warum genau soll die Strukturreform dazu beitragen, diese Probleme zu lösen?

In der Tat würde die Art von Strukturreformen, worüber die Menschen seit ein paar Jahren sprechen (Arbeitsmärkte flexibler zu gestalten, sodass die Löhne leicht gesenkt werden können), den konjunkturellen Einbruch heute weiter vertiefen.

Warum? Die Antwort ist die Paradox of Flexibility, so Krugman. Die fallenden Löhne und Preise erhöhen die reale Last der Schulden, womit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter gedämpft wird.

Die pauschale Forderung nach Strukturreform ist intellektuell gesehen faul und destruktiv, hält der am Graduierten-Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor fest. 

Das Problem ist, dass die politischen Entscheidungsträger, wenn die Ursache des Problems als strukturell ausgemacht wird, sich auf die Hauptsache nicht mehr konzentrieren können. Was z.B. Japan heute braucht, ist, der Deflation zu entkommen, irgendwie.

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