Sonntag, 8. Februar 2015

Angst vor Zukunft und niedrige Zinsen

Während Inflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit geraumer Zeit um die Null-Marke schwankt, sind Nominal-Zinsen längst negativ. Die reflexartige Reaktion, Notenbanken die Schuld für negative Zinsen am Markt in die Schuhe zu schieben, mag einem leicht fallen.

Die Notenbanken sind aber hierbei nicht die Schurken, sondern eher die Opfer eines unvorteilhaften Ausblicks der konjunkturellen Entwicklung in den kommenden Jahren. Die theoretische Basis dazu liefert die „secular stagnation“-These. Auch wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound), sieht sich die Wirtschaft einer anhaltend mangelhaften Nachfrage gegenüber.

Robert Shiller schreibt in einem lesenswerten Artikel („Anxiety and Interest Rates“) am Sonntag in NYTimes, dass Angst und Unsicherheit auf Menschen lasten, obwohl die Wirtschaft doch etwas wachse. Ein Teil der Angst sei durch negative Auswirkungen von Fortschritten in der Informationstechnologie (IT) begründet: Technologische Entwicklung vernichte Arbeitsplätze. Auch Menschen mit mässig hohen Einkommen hätten heute laut Shiller einen Grund, unsicher zu werden.

Der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor erwähnt in diesem Zusammenhang auch die „psychischen Kosten der wachsenden Einkommensungleichheit“.

Seiner Ansicht nach gebe es eine echte, wenn auch noch unbewiesene, Verbindung zwischen weit verbreiteten Ängsten und der seltsamen Dynamik der wirtschaftlichen Welt: eine Verbindung, die hilft, zu erklären, warum die Zinsen, nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig zu niedrig sind und warum die Börsenkurse in manchen Ländern so hoch klettern und warum die Immobilienpreise in vielen Orten so stark gestiegen sind.


Wenn es eine ungewöhnliche Unsicherheit über die Zukunft gibt und wenn nicht genügend neue Business-Initiativen gefunden werden können, um das Angebot an guten Investitionen zu erhöhen, wetteifern Menschen um bestehende Vermögenswerte.

Unsicherheiten können auf die Preise von Vermögenswerten Einfluss nehmen, durch einen wichtigen indirekten Kanal: Regierungspolitik. Regierungen nehmen Kredit auf in einem verzweifelten Versuch, um unzufriedene Wähler zu besänftigen, argumentiert Shiller. Kreditexpansion kann Immobilien-Blasen auslösen und eine Illusion von Wohlstand für viele Menschen, zumindest für eine Weile. Die Idee ist: „let them eat credit“ ("Ernähre die Menschen mit Kredit").

Die steigende Angst über unser Leben in der Wirtschaft und über den Zustand der Märkte legt nahe, dass wir etwas mehr Substantielles als Kreditexpansion brauchen, um eine Abhilfe zu schaffen. Wir müssen alle über den zugrunde liegenden Mechanismus zur Entstehung von individueller Unsicherheit und Ungleichheit nachdenken. Wir müssen Finanz- und Versicherungspläne schmieden, um mit dem, was uns bevorsteht, fertig zu werden, so Shiller als Fazit.



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