Donnerstag, 30. April 2015

Renditekurve und untere Nullzinsgrenze

Die Schweiz hat seit Jahresbeginn 17 Schuldtitel (abgesehen von Anleihen, die aufgestockt wurden) ausgegeben, davon vierzehn mit 3 Monaten, zwei mit 6 Monaten und einen mit 12 Monaten Laufzeit.

Auf allen Versteigerungen hat sich ohne Ausnahme eine negative Rendite ergeben. Die Überdeckung (cover ratio) belief sich bisher im Durchschnitt auf rund 5,0 oder 6,0. Auf der Auktion von Geldmarktpapieren  mit 3 Monaten wurden z.B. zuletzt am 28. April 2015 Gebote in Höhe von 3,2 Mrd. CHF abgegeben. Zugeteilt wurden 521 Mio. CHF.

Eine positive Rendite schaut auf der Ertragskurve erst ab der Laufzeit von 10 Jahren heraus, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist. Mittlerweile bieten rund 30% der Staatsanleihen in der Eurozone negative Renditen.

Eine Frage, die vor diesem Hintergrund, immer öfters aufgeworfen ist, wie weit die Anleiherenditen noch fallen können. Die Anwesenheit von Zero Lower Bound (ZLB) bedeutet, dass die Realzinsen nicht ausreichend fallen könnten, um einen Schock in Form von Finanzkrise 2008-2009 wettzumachen.

Doch die Frage dreht sich um die Nominalzinsen. Die EZB kauft z.B. im Rahmen des PSPP Anleihen nicht unter der Grenze von minus 0,2%. Das hat natürlich damit zu tun, dass die EZB auf der Passivseite ihrer Bilanz einen Zins von minus 0,20% für die Einlagen der Banken erhebt.


Zinsstrukturkurve (yield curve) der Schweiz, Graph: SIX Swiss Exchange

Mittwoch, 29. April 2015

Arbeitsmarkt funktioniert nicht

Immer weniger Menschen haben in Deutschland Anteil am Wohlstand. Laut einer aktuellen Studie leben mittlerweile 15,5% unter der Armutsgrenze, berichtet DW. Die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt sich oberhalb der Millionengrenze.

In Deutschland erfährt die gesamte untere Hälfte der privaten Haushalte schrumpfende Erwerbseinkommen, legt auch NYTimes in einer lesenswerten Analyse heute dar. Die Menschen überleben dank Sozialleistungen des Staates, lautet die Aussage des Autors.

Zwischen 1979 und 2007 kam fast ein Drittel der Einkommenszuwächse der amerikanischen Haushalte in der unteren Hälfte der Einkommensleiter von den staatlichen Transferleistungen.


Arbeitsmarkt gerät in den meisten industrialisierten Ländern ins Stocken, Graph: Eduardo Porter in NYTimes

Warum gibt es derzeit so viele Aktienrückkäufe?

Aktienrückkäufe sind in den USA auf einen neuen Höhepunkt geklettert. Die vom S&P 500 Index erfassten Unternehmen haben 2014 im Wert von rund 430 Mrd. USD eigene Aktien zurückgekauft und rund 376 Mrd. USD an Dividenden ausgezahlt.

Während US-Unternehmen rekordhohe Schuldtitel ausgeben, verwenden sie einen bedeutenden Teil ihrer Ertäge und Cash-Reserven für den Rückkauf der eigenen Aktien.

Warum gibt es so viele Aktienrückkäufe? Was einem in erster Linie in den Sinn kommt, sind folgende Möglichkeiten: (a) Mangel an Vertrauen in das organische Wachstum, (b) sehr geringe Verschuldungskosten, (c) Mühe, Eigenkapitalrentabilität zu verbessern,  und vielleicht (d) sehr flache WACC-Kurve, d.h. der besonders niedrige gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz.


Aktienrückkäufe in den USA auf Rekordhoch, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 28. April 2015

Beschäftigungswachstum ohne Wirtschaftswachstum

Die britische Wirtschaft ist von Januar bis März so wenig gewachsen wie seit Ende 2012 nicht. Das BIP ist im ersten Quartal 2015 nur noch um 0,3% zum Vorquartal gestiegen. Ende 2014 war die Wirtschaft noch um 0,6% gewachsen.

Wir haben die langsamste Erholung von einer Rezession seit der Datenerhebung, die zum grossen Teil auf die restriktive Fiskalpolitik zurückzuführen ist, obwohl es keinen Druck im Markt gegeben hat, so zu handeln, bemerkt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.

Die Anhänger der britischen Koalitionsregierung mögen denken, dass das Beschäftigungswachstum sehr stark ist. Das ist jedoch fast so absurd wie die Rechtfertigung der wirtschaftlichen Erholung von 2013 mit dem Hinweis auf die Austeritätspolitik, unterstreicht der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.


Grossbritanniens BIP, Graph: ONS Office for National Statistics

Renditekurve und Unterbeschäftigung in der EU

Während die Kombination von billigem Öl, einem schwachen Euro und der anhaltend lockeren Geldpolitik die Hoffnung für eine stärkere Erholung der Wirtschaft nährt, bleibt das Wachstum in Europa immer noch zu träge.

Da die Unternehmen sich angesichts der mangelhaften Nachfrage mit Investitionen zurückhalten, verbessert sich die Situation mit Beschäftigung kaum.

Mehr als ein Fünftel der europäischen Teilzeitbeschäftigten sind unterbeschäftigt, während die Zahl derjenigen, die die Suche nach Arbeit aufgaben, weiter steigt, was die schlimme Lage auf dem Arbeitsmarkt in den meisten von der Krise schwer betroffenen Volkswirtschaften Europas unterstreicht, wie die FT in einem lesenswerten Bericht darlegt.

Insgeamt 9,8 Millionen Teilzeitbeschäftigte in der EU haben nach Angaben von Eurostat weniger Stunden gearbeitet als sie es so gehabt hätten wie im vergangenen Jahr.

Aufgrund der Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Teilzeitbeschäftigten weiterhin unterbeschäftigt bleiben, hat die EZB keinen Anlass, das Anleihekaufprogramm (genannt PSPP) vorzeitig zu beenden, wie es die Anhänger der neoklassischen Arbeitsmarkt-Theorie gern gesehen hätten.


Renditekurve im Vergleich, USA, Deutschlan und die Schweiz, Graph: ZKB

Bemerkenswert ist, dass die Rendite der Staatsanleihen in der Schweiz zu bis 10 Jahren Laufzeit unter der Null-Marke verläuft.

Montag, 27. April 2015

Nur Deutschland kann den Euro retten

Buchbesprechung:

Heiner Flassbeck and Costas Lapavitsas: Nur Deutschland kann den Euro retten. Der letzte Akt beginnt. Westend Verlag, Frankfurt, 2015.


Seit der Lehman-Pleite sind mittlerweile sieben Jahre verstrichen. Europa hat es nicht geschafft, das Vor-Krisen-Produktionsniveau zu erreichen.

Die merkantilistische Politik der EWU flankiert durch die Austerität und Lohnmoderation hat Stagnation, hohe Arbeitslosigkeit, Deflation und einen Aufstieg der rechtsextremistischen Parteien hervorgerufen.

Die bittere Bilanz zeigt, dass die soziale Gerechtigkeit ernstlich bedroht ist, eine umfassende Wohlfahrt der Gesellschaft abhanden geht. Der Kern der Eurozone steckt in einer Sackgasse im historischen Ausmass, heben Heiner Flassbeck and Costas Lapavitsas in diesem lesenswerten Buch mit Nachdruck hervor.

Die Orientierung an der neoliberalen Wirtschaftslehre mit verheerenden  Folgen ist der Grund, warum auch die EZB gescheitert ist.Die EZB hat unter der Regie von Jean-Claude Trichet 2011 in einer von Depression heimgesuchten Wirtschaft die Zinsen zweimal erhöht. Begründung: Die angeblich um die Ecke lauernde Inflationsgefahr.

Tatsache ist, dass sich die Inflation ohne Ausweitung der Geldmenge nicht beschleunigen kann. Daraus folgt aber nicht, dass jede Geldmengenausweitung zu einem Anstieg der Inflation führt. Die Geldmengenausweitung ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Beschleunigung der Inflation ist. Zumal die europäische Wirtschaft in einer Bilanz-Rezession steckt, wo es gilt, die Nachfragelücke zu füllen, während der Prozess des Schuldenabbaus (deleveraging) im Privatsektor anhält. Zur Erinnerung: Es war der Neoliberalismus,der als Ideologie des Finanzkapitalismus mit dem Streben nach Finanzprofiten eine hohe Verschuldung der Haushalte verursacht hat.

Sonntag, 26. April 2015

Frankreich unter ominösen Warnungen

Was stimmt mit Frankreich nicht? Die kurze Antwort lautet nichts (*). Warum betreibt aber Wolfgang Schäuble beharrlich French-Bashing? Nach Angaben der FAZ soll Bundesfinanzminister neulich in Washington gesagt haben, dass man das französische Parlament leider nicht nicht zwingen könnte, Arbeitsmarktreformen à la Spanien durchzuführen.

Das geht natürlich auf keine Kuhhaut. Das anti-French Sentiment von Schäuble hat vielleicht aber gar nicht in erster Linie mit Frankreich zu tun, sondern mit seiner Weltvorstellung und seinem Menschenbild.

Schäuble präsentiert in seinem Meinungsartikel in NYTimes eine pauschale Verneinung all dessen, was wir über die Volkswirtschaft wissen, eine Verneinung all der Kenntnisse, die durch die Erfahrung in Europa in den  letzten fünf Jahren bestätigt worden ist, wie Paul Krugman zum Ausdruck bringt.

Frankreich hat sich schleisslich als einziges Land in der Eurozone an die Regeln der Währungsunion gehalten, wie Heiner Flassbeck beschreibt.



Inflationsgeschützte Staatsanleihen Frankreichs – Negative Forward Realrenditen, Graph: Morgan Stanley

Das heisst, dass die Märkte in den nächsten 15 Jahren negative Realrenditen in Frankreich erwarten.

Samstag, 25. April 2015

Niedriges Lohnwachstum und Zielwert

Das unterdurchschnittliche Lohnwachstum in den USA deutet darauf hin, dass die Wirtschaft nicht voll ausgelastet ist. 

Das Arbeitsangebot ist nicht knapp. Der Mehrzahl der Stellensuchenden mangelt es auch nicht an Qualifikation (die sog. „skills gap“).  Die Lohnentwicklung hat aber mit dem jüngsten Anstieg der Beschäftigung nicht Schritt gehalten.

Tatsache ist, dass das Stundenlohnwachstum von 2% im vergangenen Jahr weit unter dem Wert von 3,5% bis 4% geblieben ist. Das Zielwachstum ergibt sich aus dem von der Fed angestrebten Inflationsziel von 2% und dem durchschnittlichen Produktivitätswachstum von 1,5 bis 2%.

Manche Diskussionen vermitteln den Eindruck, wie das EPI (Economic Policy Institute) hervorhebt, dass das niedrige Lohnwachstum seit dem Beginn der Erholung der Wirtschaft zu einem grossen Teil von der Mischung aus Arbeitsplätzen, die geschaffen werden, angetrieben würde, als ob wir niedrige Löhne hätten, nur weil die Wirtschaft mehr Niedriglohnjobs schaffe.


Das Nominallohnwachstum blieb weit unter dem Zielwert während der Erholung der Wirtschaft, Graph: Elise Gould und Alyssa Davis in Economic Policy Institute

Freitag, 24. April 2015

Schweizer Franken und weiterhin Negativzinsen

Die SNB hat mitgeteilt, dass sie bei Negativzinsen weniger Ausnahmen machen will. Künftig werden die Girokonten bundesnaher Betriebe bei der SNB ebenfalls den Negativzinsen unterstellt, u.a. auch die Pensionskasse des Bundes.

Die Ankündigung hat unmittelbar dazu geführt, dass der CHF gegenüber dem EUR an Wert verloren hat.

Im Sog der Finanzkrise von 2008 kam deutlich zum Vorschein, dass die Schweiz als eine kleine offene Volkswirtschaft einer (von der Austeritätspolitik Brüssels und Berlins ausgelösten) Deflationsgefahr aus der Eurozone ausgesetzt ist.

Da die SNB ihre Bilanz nicht mehr weiter ausdehnen will, hat sie hauptsächlich den  Zins als Instrument, sich dagegen zu wehren.

Sollte der CHF sich nicht in die gewünschte Richtung bewegen, ist nicht ausgeschlossen, dass die SNB die Zinsen (im negativen Bereich) weiter senkt, erwarten die Analysten von Morgan Stanley in einer gestern präsentierten Forschungsarbeit. Zur Zeit belastet die SNB einen Zinssatz von minus 0,75% auf den Giroguthaben der Banken.


Die Schweiz als offene Volkswirtschaft unter G10, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 23. April 2015

Parallelwährung für Griechenland?

Gerüchte schiessen ins Kraut, dass die EZB über eine Parallelwährung für Griechenland nachdenkt.

Das Ziel ist, einen EUR-Austritt Athens zu verhindern. Die Begründung ist, dass Griechenland schnell Geld benötigt, um die Löhne der Staatsangestellten und die Renten zu bezahlen. Die griechische Regierung soll also vorübergehend (mit künftigen Steuereinnahmen gesicherten) Schuldscheine (IOU) ausgeben.

Die Schuldscheine sollen in EUR denominiert sein, mit einem bestimmten Verfalldatum, um in erster Linie Gehälter und Renten im öffentlichen Sektor zu zahlen.

Eine zweite Möglichkeit, eine Parallelwährung umzusetzen, wäre das Instrument Tax Credit Certificates (TCC), erklären Biagio Bossone und Marco Cattaneo in einerm Artikel in EconoMonitor

Die Steuergutschriften würden Arbeitnehmern und Unternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt und dem Inhaber das Recht auf eine Steuerermässigung einräumen, z.B. mit einer Laufzeit von 2 Jahren. Solche Ansprüche könnten im Austausch für EUR aufgelöst und für die Zwecke von verschiedenen Ausgaben verwendet werden.

Während das erste Instrument IOU eine Überbrückungsmassnahme darstellt, beruht das zweite Instrument TCC auf einer ganz anderen Idee: Griechenland ist darauf aufgelegt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Staatsausgaben und Staatseinnahmen in EUR anzupeilen. 

Solange die Gesamtmenge des im Umlauf befindlichen TCC im Verhältnis zum BIP nicht zu gross ist, dann kann das Instrument wertvoll sein, unterstreichen die Autoren.

Mittwoch, 22. April 2015

Es gibt keine magische Schuldenquote

In Vorbereitung auf die IWF-Frühjahrstagung („Rethinking Macro Policy III“) legt Olivier Blanchard in einem lesenswerten Artikel in voxeu den Fokus auf drei Themen: makroprudenzielle Instrumente, Geldpolitik und Finanzpolitik.

Fiskalpolitische Impulse können helfen, unterstreicht IWF-Chefökonom zuvorderst. Was er bedauert, ist, dass es überraschend wenig Forschungsarbeit zur Verbesserung der automatischen Stabilisatoren gibt.

Die Frage, welche Schuldenquote auf lange Sicht angestrebt werden soll, ist nicht wesentlich, wenn es eine grosse Einigkeit darüber herrscht, dass sie Verschuldung zu gross sei, und die Anpassung nur langsam vor sich ginge, obwohl Brad DeLong provativ argumentiere, dass die derzeitigen Schuldenquoten heute vielleicht zu niedrig seien, so Blanchard weiter.

Wie soll aber das richtige Ziel für jedes Land abgeschätzt werden? Es ist deutlich geworden, dass es keine magische Schuldenquote (debt-to-GDP) gibt, hält der Wirtschaftsprofessor fest.

Dienstag, 21. April 2015

Notenbankgeldmenge und Permahawks

Die SNB präsentiert heute die folgende Abbildung, die den Verlauf der Notenbankgeldmenge in der Schweiz im Sog der Finanzkrise von 2008 zeigt.

Was bemerkenswert ist, dass die Geldbasis (monetary base) von 44 Mrd. CHF im Jahr 2007 auf 444 Mrd. CHF im Jahr 2015 gestiegen ist. Das ist ein Anstieg um das 10-fache.

Während die Permahawks einen kräftigen Inflationsschub voraussagten, ist genau das Gegenteil geschehen. Die Inflation ist gesunken, inzwischen sogar unter die Null-Marke gerutscht.

Gemessen am CPI beträgt die Inflationsrate in der Schweiz heute -0,9% und gemessen am PPI sogar -3,4%.

Warum ist aber die Inflation nicht gestiegen? Die Antwort liefert die Theorie der Liquiditätsfalle. Die Geldbasis ist zwar durch die Decke geschossen, aber die Geldmenge nicht.


Schweizer Notenbankgeldmenge, Graph: SNB in Monthly Statistical Bulletin, April 2015

Montag, 20. April 2015

Zinswende aus Sicht der Markterwartungen

Die folgende Abbildung zeigt, wie der Markt den unterschiedlichen Verlauf des geldpolitischen Kurses auf beiden Seiten des Atlantiks derzeit einpreist, was den ersten Zinsschritt nach oben betrifft.

Die erste Zinserhöhung durch die Fed erfolgt demnach im Dezember 2015. Für die EZB dürfte es bis zur Zinswende noch 45 Monate anhalten.

Positiv ist aus europäischer Sicht, dass der Realzins zurückgeht. Warum? Weil dadurch die reale Last der Verschuldung abnimmt, wenn man v.a. an die privaten Haushalte und  die Finanzinstitute denkt, wo der Prozess des Schuldenabbaus noch nicht abgeschlossen  ist.


Wann die erste Zinserhöhung kommt, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 19. April 2015

IWF und warum Investitionen so schwach sind

Im aktuellen World Economic Outlook nimmt sich der IWF des Themas an, warum Investitionen so schwach sind. Es ist eine Frage, worüber in den Nachwirkungen der Finanzkrise immer noch kontrovers diskutiert wird.

Es gibt im Wesentlichen zwei Ansichten: Die eine besagt, dass es mit Vertrauen zu tun hat, weshalb zu wenig investiert werde. Es mangelt an Vertrauen, weil die öffentliche Verschuldung so hoch ist, so die Behauptung. Notwendig seien daher Strukturreformen.

Die andere Ansicht legt dar, dass Investitionen so schwach sind, weil die Wirtschaft so schwach ist. Die privaten Haushalte sind mit dem Schulden-Abbau (deleveraging) beschäftigt, während die Haushaltskonsolidierung auf dem Wirtschaftswachstum laste, womit Anreize zur Kapazitätserweiterung verloren gehen. Der Akzelerator-Effekt führt zu geringeren Investitionen, die das Wachstum weiter reduzieren.

Der IWF unterstützt im Chapter 4 die zweite Ansicht, ohne mit der Wimper zu zucken.

Expansive Geldpolitik und Währungsabwertung

Eine kompetitive Abwertung  birgt die Gefahr, dass am Ende alle beteiligten Volkswirtschaften schlechter gestellt sind. Die sog. Beggar-thy-Neighbor-Politik lohnt sich nicht, wie Barry Eichengreen in seinem aktuellen Buch Hall of Mirrors wieder betont.

Der Begriff „Währungskrieg“ ist heute erneut in aller Munde, um in Kombination mit dem Ausdruck Abwertungsablauf (competitive devalutation) an den vermeintlichen Teufelskreis in den 1930er Jahren zu erinnern.

Was sich heute abspielt, hat aber damit nichts zu tun. In den 1930er Jahren gaben Länder den Goldstandard auf, um eine expansive Geldpolitik verfolgen zu können, weil es mit den goldenen Fesseln nicht möglich war, auf die Depression mit Geldpolitik zu reagieren.

Heute ist die Währungsabwertung ein Nebenprodukt der unkonventionellen Geldpolitik in einer Extrem-Situation. Wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist, profitieren Investoren aus Übersee am meisten vom Anstieg im Wert des US-Dollars.


Erträge der Übersee-Investoren aus US-Staatsanleihen in den vergangenen 12 Monate, Graph: WSJ

Samstag, 18. April 2015

Volkswirtschaftslehre aus alter Zeit

Amerika hat sich aus der Finanzkrise noch nicht vollständig erholen können. Trotzdem scheint es fair, zu sagen, dass wir bislang einen grossen Schritt nach vorne getan haben, wohlgemerkt, dass bei weitem nicht alles am verlorenen Boden wieder gutgemacht werden konnte, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („That old-time economics“) am Freitag in NYTimes.

Das gleiche kann aber für die Eurozone nicht gesagt werden, ergänzt der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor. Warum hat Europa so schlecht abgeschnitten? In den vergangenen Wochen gab es eine Reihe von Reden und Artikeln, die darauf hindeuten, dass das Problem in der Unzulänglichkeit unseres Wirtschaftsmodells liege. Die makroökonomische Theorie habe es versäumt, eine nützliche politische Orientierung zu bieten.

Ist dies aber die wirkliche Geschichte, die dahinter steckt? Nein, sagt Krugman. Modelle in den Standard-Lehrbüchern haben sich sehr gut entwickelt. Das Problem ist, dass die politischen Entscheidungsträger entschlossen waren, diese Grundmodelle zugunsten von alternativen Ansätzen, die innovativ, spannend und völlig falsch waren, zurückzuweisen, argumentiert Krugman.

In Amerika sind das Weisse Haus und die Fed dem Standard Keynesianismus treu geblieben. Inzwischen ignoriert die US-Notenbank die ominösen Warnungen, dass der US-Dollar vollkommen entwertet werde.

In Europa hingegen waren die politischen Entscheidungsträger bereit und eifrig, Standardbücher über die Volkswirtschaftslehre zugunsten von neuen Ansätzen aus dem Fenster zu werfen.

Die Europäische Kommission hat eifrig die angebliche Evidenz für „expansive Sparpolitik“ (expansionary austerity) aufgegriffen.  Die EZB hat die Warnungen vor Inflation sich zu Herzen genommen und die Zinsen 2011 angehoben, obwohl die Arbeitslosigkeit noch auf hohem Niveau verharrte.

Freitag, 17. April 2015

Überschwappende Disinflation aus dem Euroraum

Wie die folgende interessante Abbildung zeigt, lassen sich Polen, die Schweiz, Schweden und Grossbritannien mit hohen Importen aus dem Euro-Raum erkennen. Die genannten Volkswirtschaften sind daher dem in der Eurozone vorherrschenden Trend der Disinflation am stärksten ausgesetzt.

Polens Einfuhren aus der Eurozone belaufen sich auf 23% des BIP im Vergleich zu Schweden, wo die Importe aus derselben Region 14% betragen. Polen ist damit zur Reflationspolitik im Euro-Raum am meisten ausgesetzt.


Die Länder, die im stärksten Ausmass der im Euro-Raum vorherrschenden Disinflation ausgesetzt sind, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 16. April 2015

Europas Strukturreform und Vertrauen Fee

Der IWF unterstreicht im aktuellen World Economic Outlook, dass es zu erwarten gewesen wäre, dass die Austerität das Wirtschaftswachstum nicht fördert.

Die IWF-Mitarbeiter präsentieren damit den Mangel an Beweisen für die Beziehung zwischen Strukturreformen und der totalen Faktorproduktivität, die stellvertretend für langfristige Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit steht, argumentiert Francesco Saraceno in seinem Blog mit dem Hinweis  auf den Kasten 3.5 auf Seite 36 des Abschnitts 3.

Was der Meinung des in London arbeitenden italienischen Ökonomen nach in der IWF-Analyse kontrovers ist, festzustellen, dass übermässige Regulierung des Arbeitsmarktes, während langfristiges Wachstum von Regulierung des Produktmarktes negativ beeinflusst werde, die langfristige Performance nicht behindere.

Der IWF fasst im Grunde genommen zusammen, dass Senkung der Staatsausgaben in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft nicht zu einem Anstieg der Nachfrage führt. Es gibt keine expansionary fiscal austerity. Die Doktrin der expansive Sparpolitik war m.a.W. von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass Wolfgang Schäuble in einem wunderlichen Meinungsartikel („German Priorities and Eurozone Myths“) in NYTimes immer noch betont, dass die Krise in Europa in erster Linie eine Vertrauenskrise ist, die in strukturellen Schwächen verankert sei.

Mittwoch, 15. April 2015

Term Premiums US-Treasury Bonds versus German Bunds

Hier ist eine interessante Abbildung, die den Verlauf der Laufzeitprämie der US-Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit zeigt.

Wie die Analysten von Morgan Stanley betonen, ist der starke Rückgang der Laufzeitprämie (term premium) in den vergangenen Monaten auf die QE-Politik (Anleihekaufprogramm) der Zentralbanken zurückzuführen.


Entwicklung der Laufzeitprämie der US-Treasury Bonds versus German Bunds, Graph: Morgan Stanley

Ben Bernanke erklärt die Laufzeitprämie

Warum sind die längerfristigen Renditen so niedrig? Die Frage ist, angesichts der Tatsache, dass die Anzeichen für eine allmähliche Erholung der US-Wirtschaft sich derzeit mehren, folgerichtig, zumal die Zinsen am langen Ende der Ertragskurve zuletzt weiter gefallen sind.

Um eine analytische Antwort darauf zu geben, zerlegt Ben Bernanke in seinem Blog die Rendite der US-Staatsanleihen in drei Komponente: die erwartete Inflation, Erwartungen über die künftige Entwicklung der kurzfristigen Realzinsen und eine Laufzeitprämie (term premium).

Die Inflation ist niedrig, und erwartungsgemäss bleibt es auch. Die kurzfristigen Zinsen bleiben voraussichtlich niedrig. Deshalb tendieren auch die langfristigen Zinsen gedämpft.

Bernanke richtet daher den Fokus auf die Laufzeitprämie, die nichts anderes als die zusätzliche Rendite darstellt, die die Investoren für eine längerfristige Anleihe über eine kurzfristige Anleihe verlangen.

In der Regel notieren die längerfristigen Renditen höher als die kurzfristigen Renditen, was nahe legt, dass die Laufzeitprämie (term premium) positiv ist.


US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit und die Laufzeitprämie, Graph: Ben Bernanke

Dienstag, 14. April 2015

Lohnerhöhungen in Deutschland

Ben Bernanke hat neulich in seinem Blog unterstrichen, dass Deutschlands Überschuss im Aussenhandel auf dem europäischen und dem globalen Wirtschaftswachstum laste. In einer langsam wachsenden Weltwirtschaft mit zu geringer Nachfrage ist Deutschlands Handelsbilanzüberschuss  ein Problem, so der ehemalige Fed-Präsident.

Nun betont Bernanke mit dem Hinweis auf einen Bericht („Germany’s rising wages bode well for global economy“) im WSJ , dass mehr Lohn für deutsche Arbeitnehmer eine gute Nachricht ist, nicht nur für die Arbeiter in Deutschland. 

Höhere Löhne in Deutschland würden nämlich die Ausgaben der privaten Haushalte nicht nur für inländische Waren in Deutschland, sondern auch für Importwaren fördern, was den Überschuss im Aussenhandel reduzieren würde.

Dass die Löhne in Deutschland steigen, ist nicht ein Zugeständnis von Deutschland, sondern ein Teil davon, Mitglied in der Eurozone zu sein.

Deutschland hat immer darauf bestanden, dass die sog. Peripherieländer durch Lohnsenkungen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Die Lohnerhöhungen in Deutschland sind genauso ein wichtiger und symmetrischer Teil des Anpassungsprozesses in der Eurozone, hebt Bernanke mit Nachdruck hervor.

Reflation in Europa – Deflation in Asien

Es ist zur Zeit bemerkenswert, zu beobachten, dass in der Region Asien ohne Japan das Thema Deflation immer mehr an Brisanz gewinnt.

Die Frage ist, ob die Zentralbanken in der Lage sind, dem deflationären Druck Stirn zu bieten.

Der Deflationsdruck hat inzwischen (1) zu einer Verlangsamung von Unternehmensumsätzen, (2) einem Rückgang des nominalen Wirtschaftswachstums und (3) höheren Realzinsen geführt.

Vor allem hoch fremdfinanzierte Unternehmen in der Region ringen nun mit den Widrigkeiten, die eigene Bilanz anzupassen. Folglich werden Investitionen zurückgefahren und Löhne gekürzt. Und damit schwächt sich die Binnennachfrage ab.


9 von 10 Volkswirtschaften in der Region „Asien ohne Japan“ erleidet PPI-Deflation, Graph: Morgan Stanley

Montag, 13. April 2015

Werden 10-jährige deutsche Staatsanleihen negativ?

Die Kosten der Kreditaufnahme für Deutschland mit 10 Jahren Laufzeit befinden sich auf gutem Weg, zum ersten Mal unter Null zu fallen.

Die Rendite der 10-jährigen German Bunds ist am vergangenen Freitag auf 0,16% (heute morgen 0,14%) gesunken. Im Vergleich belief sich der entsprechende Wert zu Beginn des Jahres auf 0,54%.

Negative Renditen unterstreichen die Knappheit der hochwertigen und liquiden Staatsanleihen in Europa, zum Teil ausgelöst durch das Anleihekaufprogramm (genannt PSPP) der EZB, berichtet FT aus London und liefert dazu die folgende bemerkenswerte Abbildung.


Anteil der europäischen Staatsanleihen mit Positiv-, Null- und Negativ-Renditen, Graph: FT

Sonntag, 12. April 2015

Was beim Umbau von General Electric wichtig ist

Bereits vor 10 Jahren war General Electric’s (GE) Kreditgeschäft als eine tickende Bombe in aller Munde, schreibt NYTimes in einem lesenswerten Artikel. Nun meldet GE, einer der grössten Mischkonzerne der Welt mit Sitz in New York, Connecticut, dass es sich von seinen Immobilien trennt. Es geht eigentlich um den Verkauf der meisten seiner Darlehen innerhalb seiner Finanzabteilung, nämlich dem GE Capital.

Die Neuausrichtung soll im Jahr 2018 abgeschlossen werden, betont Jeff Immelt, GE-Chef. Das Unternehmen erklärt damit zum Ziel, von jetzt an rund 90% seiner Erlöse aus der Industriespalte zu generieren. Damit wird im Grunde genommen eines der riskantesten Experimente im Finanzwesen zu Ende geführt, was zugleich nahelegt, dass die Regulierung (mit dem Ziel zur Begrenzung von destabilisierenden Finanzpraktiken im Markt) zu greifen beginnt.

Was in der von GE dazu präsentierten Pressemitteilung auffällt, ist das Wort wholesale-funding: GE Capital erwähnt, dass das Business-Modell für wholesale finanzierten Finanzunternehmen sich verändert habe, was es erschwere, hierbei akzeptable Erträge zu generieren.

Unter wholesale-funding versteht man kurzfristige Kreditaufnahme im Interbankengeldmarkt (im Gegensatz zur Geldbeschaffung via Einlagen durch Sparer). Kreditaufnahme für kurze Sicht ist im Markt verlockend, weil es eine billige Finanzierungsquelle für die Kreditgeber ist, die langfristige Schuldtitel begeben. Die Kreditgeber nehmen günstig Geld auf und leihen es zu einem höheren Satz an Unternehmen und Einzelpersonen weiter.


General Electric (GE), damals und heute: GE Capital’s Anteil an gesamten Einnahmen von GE ist seit 2008 von 42% auf 28% geschrumpft, Graph: DealBook NYTimes

Was verursacht Rezessionen?

Diejenigen, die denken, dass der Markt wunderbar ist und sich selbst reguliert, glauben, dass es keiner staatlichen Hilfe bedarf, da die Rezessionen ein natürlicher und gesunder Prozess seien.

Der Markt reguliert sich durch den Preismechanismus, erklärt Noah Smith in einem lesenswerten Artikel („What causes recessions?“) in BloombergView

Wenn die Kosten für etwas steigen, erhöht sich der Preis, um sich damit zu decken. Wenn die Nachfrage sinkt, fällt auch der Preis, bis der Markt wieder geräumt ist.

Wenn man also zeigen will, dass der Markt sich nicht selbst reguliert, ist es der einfachste und leichteste Weg, darauf hinzuweisen, dass die Preise sich in Reaktion auf Ereignisse nicht anpassen können, erläutert Smith weiter.

Dieses Phänomen wird „sticky prices“ genannt. Wenn Preise „sticky“ (nach unten starr) sind, dann sollte jemand (z.B. US-Notenbank oder das Schatzamt) die Märkte leicht anstossen, um nach einem grossen Schock das langfristige Gleichgewicht wiederherzustellen.

Samstag, 11. April 2015

Wo der Staat glänzt

Der Staat kann und soll einspringen, wichtige Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, wenn die privaten Märkte versagen. In diesem Sinne nimmt sich Paul Krugman angesichts der bevorstehenden US-Wahlen des Themas „weniger Staat oder mehr Staat?“ an:

Während die republikanischen Präsidentschaftskandidaten ihre politische Agenda vorstellen, die ja immer Steuersenkungen für die Reichen und Kürzungen von Sozialausgaben für Arme beinhaltet, spielt sich auf der anderen Seite des politischen Spektrums ein echt neues Denken ab, hebt der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor in seiner lesenswerten Kolumne („Where Government Excels“) am Freitag in NYTimes hervor.

Plötzlich beschliessen viele Demokraten, mit Beltway-Orthodoxie aufzuhören, welche immer Abbau von Sozialleistungen fordert. Stattdessen schlagen sie vor, Leistungen der sozialen Sicherheit (Social Security) tatsächlich zu erhöhen. Demokraten scheinen, sich endlich gegen die Anti-Staat-Propaganda zu stellen und erkennen an, dass es einige Dinge gibt, die der Staat besser macht als der Privatsektor, legt Krugman weiter dar.

Wie alle fortgeschrittenen Nationen stützt sich auch Amerika hautpsächlich auf private Märkte, um seine Bürger mit Dingen, die gebraucht werden, zu versorgern. Und kaum jemand würde heute vorschlagen, dies zu ändern.

Doch wir wissen auch, dass einige Dinge vom Staat durchgeführt werden müssen. Alle Lehrbücher der Volkswirtschaft sprechen vor diesem Hintergrund von „öffentlichen Gütern“ wie z.B. der Landesverteidigung. Sind aber öffentliche Güter der einzige Bereich, wo der Staat den Privatsektor übertrifft? Auf keinen Fall, unterstreicht Krugman.


Empty Box, Graph: Prof. Paul Krugman in NYTimes