Samstag, 12. Dezember 2015

Lohnzurückhaltung und wie eine Währungsunion funktioniert

Es war Heiner Flassbeck, der vor rund 10 Jahren auf die Wettbewerbslücke in Europa aufmerksam machte (in verschiedenen Büchern, Aufsätzen und Referaten) und die Differenzen bei den Lohnstückkosten und Defiziten in den Leistungsbilanzen hervorhob.

Die Lohnstückkosten (unit labor costs) sind der entscheidende Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit in einer Währungsunion, wo es wegen der Gemeinschaftswährung keine Wechselkurse gibt.

Eine Währungsunion bedeutet, um es ganz einfach darzulegen, dass die Mitgliedstaaten die Gestaltung der Geldpolitik an die Notenbank übertragen und sich im Gegensatz auf die Verfolgung eines gemeinsam festgelegten Inflationsziels einigen.

In der EMU ist es die EZB, die die Geldpolitik für alle Mitgliedstaaten übernimmt. Und die Mitgliedstaaten müssen sich am Inflation-Zielwert von ca. 2% halten.

Flassbeck hat gezeigt, dass Deutschland das Inflationsziel von Anfang an unterboten und sich mit Lohnmoderation einen absoluten Vorteil gegenüber dem Rest der Eurozone verschaffen hat, weil die deutschen Produkte in dem Ausmass günstiger als im Rest der EMU werden und die anderen Mitgliedstaaten dauerhaft nicht mehr mithalten können.

Interessant ist in diesem Zusammenhang zu erfahren, dass Simon Wren-Lewis schreibt, dass die Kommentare, die die Leserschaft in seinem Blog hinterlassen, nahelegen, dass viele Menschen nicht verstehen, wie eine Währungsunion funktioniert.



Lohnstückkosten Deutschland und Rest der Eurozone, Graph: Peter Bofinger in voxeu: „German wage moderation and the EZ crisis“, Nov 30, 2015.



Der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor bemüht sich um eine Erklärung, worum es geht.

Ein Land mit einem flexiblen Wechselkurs kann seine internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht einfach durch Senkung der Löhne und Preise erhöhen. Der Grund ist, dass die Wechselkurse sich so bewegen, dass die neu geschaffene Situation ausgeglichen wird. Wenn z.B. die Löhne und Preise um 3% fallen, wertet sich der EUR um 3% auf.

Was passiert, wenn nur ein Land in der Eurozone, wie z.B. Deutschland Löhne und Preise um 3% kürzt? Deutschland erlangt dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber allen seinen Nachbarn in der Eurozone um 3%, und darüber hinaus einen Vorteil um 2% gegenüber dem Rest der Welt, so Wren-Lewis weiter.

Deutschlands Nachbarn verlieren an Wettbewerbsfähigkeit sowohl innerhalb der Eurozone als auch (in einem geringeren Masse) gegen den Rest der Welt.

Die Eurozone gewinnt als Ganzes nichts: Weil die Gewinne Deutschlands die Verluste seiner Nachbarn sind. Wir haben hier im Klartext mit einem Nullsummen-Spiel zu tun.

Es ist erfreulich, zu sehen, dass nun auch Peter Bofinger endlich Lohnzurückhaltung Deutschland als Ursache der Eurokrise thematisiert. In einem lesenswerten Artikel in voxeu („German wage moderation and the EZ crisis“).

Das Mitglied des Sachverständigenrates (zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland) betont, dass die Eurokrise ohne Mitberücksichtigung der deutschen Lohnzurückhaltung nicht vollständig erklärt werden kann.

Lohnzurückhaltung hat Stagnation der deutschen Inlandsnachfrage verursacht, die negativ auf deutsche Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus dem Rest der Eurozone ausgewirkt hat, so Bofinger.

Die Lohnzurückhaltung hat demnach Deutschlands preisliche Wettbewerbsfähigkeit schrittweise gesteigert und zu einer Verschlechterung der bilateralen Leistungsbilanzsalden mit dem Rest der Eurozone geführt. Die Lohnzurückhaltung hat zudem zu höheren Gewinnen im deutschen Unternehmenssektor beigetragen, was wiederum zu einem Anstieg der Sparquote in diesem Sektor geführt hat.

Was bedauerlich ist, dass weder Wren-Lewis noch Bofinger Flassbecks redliche Arbeit im Vorfeld würdigen; nicht einmal ein Zitat.


PS:

Heiner Flassbeck bietet konsequenterweise Lohnerhöhungen in Deutschland als Lösung des Problems, über 15 Jahre um 5%, während in den Mitgliedstaaten in Südeuropa die Löhne bei unveränderter Produktivität im gleichen Zeitraum um nur 2% steigen müssten. Und Deutschland würde darunter nicht leiden.




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